Entgelte für eine regelmäßig nur für kurze Zeit erfolgende Anmietung von unterschiedlichen Standflächen eines im Reisegewerbe tätigen Imbissbetriebs unterliegen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung, wenn der Imbissbetrieb auf die ständige Verfügbarkeit der angemieteten Standflächen angewiesen ist. Die angemieteten Standflächen stellen fiktives Anlagevermögen dar. Unerheblich ist, ob es im Reisegewerbe Vergleichsbetriebe gibt, die mit in ihrem Eigentum stehenden Verkaufsflächen arbeiten.
BFH, Urteil vom 12.10.2023, III R 39/21
Die Klägerin ist eine gewerblich tätige GmbH, welche an ständig wechselnden Orten gastronomische Leistungen in Form von zubereiteten Speisen erbringt. Für die Verkaufsstände mietet sie in den Streitjahren jeweils für die Dauer von einzelnen Tagen bis hin zu mehreren Wochen Standplätze auf Märkten, Festivals und anderen Veranstaltungen an. Die zu verkaufenden Speisen bereitet die Klägerin in den Ständen zu. Hierfür erforderliche Betriebsmittel wie Wasser und Strom stellen die Vermieter zur Verfügung.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurden die Hinzurechnungsbeträge für Zwecke der Gewerbesteuer nach § 8 Nr. 1 Buchst. e) GewStG deutlich erhöht. Abweichend von der Klägerin, berücksichtigte die Betriebsprüfung auch Entgelte für nur kurzfristig angemietete Standplätze sowie Entgelte für Nebenleistungen und Betriebskosten, die die Veranstalter der Märkte auf die Standflächennutzer umgelegt hatten, als gewerbesteuerliche Hinzurechnungen. Das Sächsische FG gab der Klage nur teilweise statt. Nach dem FG stellen die Mietzinsen für kurzfristig angemietete Standplätze (grundsätzlich) gewerbesteuerliche Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 Buchst. e) GewStG dar. Allerdings erstrecke sich die gewerbesteuerliche Hinzurechnung nicht auf Betriebskosten.
Der BFH schließt sich der Auffassung des FG an und kommt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Mieten für die von der GmbH angemieteten Standplätze vorliegen.
Gesetzliche Grundlagen
Nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG unterliegen Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen (sog. fiktives Anlagevermögen), der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung.
Zuordnung der Standplätze zum (fiktiven) Anlagevermögen
Der BFH beruft sich auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 25.07.2019, III R 22/16 und vom 23.03.2022, III R 14/21) und qualifiziert die Standplätze als sog. fiktives Anlagevermögen.
Der BFH führt aus, dass es wegen der Voraussetzungslosigkeit der Eigentumsfiktion insbesondere nicht darauf ankommt, ob es im Reisegewerbe Vergleichsbetriebe gibt, die insoweit mit in ihrem Eigentum stehenden Standplätzen, arbeiten, und ob die GmbH im Streitfall eine Wahlmöglichkeit zwischen einer Anmietung und einem Erwerb der Standplätze hat (vgl. BFH-Urteil vom 08.12.2016, IV R 24/11).
Weiter ist die GmbH nach dem BFH auf die ständige Verfügbarkeit der Standplätze angewiesen, da es ihr sonst nicht möglich wäre, ihre Produkte an die Kunden zu verkaufen. Der Annahme von fiktivem Anlagevermögen stehe nicht entgegen, dass die Standplätze von der GmbH regelmäßig nur für kurze Zeit (für die Dauer von einzelnen Tagen bis hin zu mehreren Wochen) angemietet wurden. Denn insoweit stelle sich die wiederholte kurzfristige Anmietung ähnlicher Standflächen als Surrogat einer langfristen Nutzung solcher Standflächen dar.
Mietzinsen sind keine Herstellungskosten
Nach § 8 GewStG werden die Miet- und Pachtzinsen nur hinzugerechnet, „soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind“. Eine Gewinnabsetzung liegt nicht vor, wenn der Aufwand in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts eingeht. Zu den Herstellungskosten nach § 255 Abs. 2 S. 2 HGB gehören die Materialkosten, die Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist. Forschungs- und Vertriebskosten dürfen nicht einbezogen werden (§ 255 Abs. 2 S. 4 HGB).
Nach dem BFH sind die Mietaufwendungen für die von der GmbH für ihre Verkaufsstände genutzten Standflächen nicht als Teil der Herstellungskosten der von ihr verkauften Waren zu qualifizieren, weil sie jedenfalls weit überwiegend den unter das Einbeziehungsverbot des § 255 Abs. 2 S. 4 HGB fallenden Vertriebskosten zuzuordnen sind.
§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG
Streitjahre: 2014-2015
Sächsisches Finanzgericht, 16.11.2021, 1 K 854/21, EFG 2022, S. 1125
BFH, Urteil vom 12.10.2023, III R 39/21
Einordnung des o.g. Urteils in die bisherige Rechtsprechung
Das oben dargestellte Urteil fügt sich gut in die bisherige, mittlerweile bereits umfangreiche BFH-Rechtsprechung zu den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen ein. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung wird fiktives Anlagevermögen regelmäßig bejaht, wenn Anmietungen zwar nur für kurze Zeit, aber regelmäßig erfolgen und der Betrieb auf die ständige Verfügbarkeit der angemieteten Wirtschaftsgüter angewiesen ist (so. z.B. bei kurzfristiger Anmietung von häufig wechselnden Immobilien im Fall eines Konzertveranstalters, vgl. BFH-Urteil vom 08.12.2016, IV R 24/11). Fiktives Anlagevermögen hatte der BFH verneint, beispielsweise für die Anmietung von Messestandflächen im Fall eines Produktionsunternehmens ohne Direktvertrieb (vgl. BFH-Urteil vom 23.03.2022, III R 14/21), für angemietete Hotelzimmer eines Reiseveranstalters (vgl. BFH-Urteil vom 25.07.2019, III R 22/16) sowie für angemietete Messeflächen im Fall einer Durchführungsgesellschaft (vgl. BFH-Urteil vom 25.10.2016, I R 57/15).
Auch bezüglich der Frage, in welchen Fällen eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung aufgrund zu aktivierender Anschaffungs- oder Herstellungskosten unterbleibt, ist bereits Rechtsprechung vorhanden. Mit Urteil vom 30.07.2020 (III R 24/18) hatte der BFH entschieden, dass für unterjährig aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedene Wirtschaftsgüter auch dann keine Hinzurechnung der Miet- und Pachtzinsen zu erfolgen hat, wenn die Miet- und Pachtzinsen als Herstellungskosten aktiviert worden wären, wenn sich das aktivierungspflichtige Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden hätte. Mit Urteil vom 12.11.2020 (III R 38/17) hatte der BFH auch klargestellt, dass die Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen auch in Fällen, in denen der Steuerpflichtige immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die dem Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG unterliegen, herstellt, nicht verfassungswidrig ist.
BFH, Urteil vom 25.07.2019, III R 22/16, BStBl. II 2020, S. 51, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 23.03.2022, III R 14/21, BStBl. II 2022, S. 559, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 08.12.2016, IV R 24/11, BStBl. II 2022, S. 276, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 25.10.2016, I R 57/15, BStBl. II 2022, S. 273, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 30.07.2020, III R 24/18, BStBl. II 2022, S. 279, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 12.11.2020, III R 38/17, BStBl. II 2022, S. 283, siehe Deloitte Tax News
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