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16.02.2017
Unternehmensteuer

BFH: Gewerbesteuer bei atypisch stiller Beteiligung an Personengesellschaft

Die atypisch stille Beteiligung am Handelsgewerbe einer Personengesellschaft führt zur Entstehung einer doppelstöckigen Personengesellschaftsstruktur mit der Personengesellschaft als Obergesellschaft und der atypisch stillen Gesellschaft als Untergesellschaft. Damit liegen zwei selbständige Gewerbebetriebe vor, für die jeweils eine eigene Gewerbesteuererklärung abzugeben ist (Klarstellung oder Änderung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

An der Klägerin, einer GmbH & Co KG, waren im Streitjahr 2002 die X-GmbH als Komplementärin und A und B als Kommanditisten beteiligt. Gleichzeitig waren A und B atypisch still Beteiligte an der Klägerin. Die Klägerin gab für das Streitjahr nur eine Gewerbesteuererklärung ab. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass durch die atypisch stillen Beteiligungen nicht eine erweiterte KG, sondern eine neue Personengesellschaft „KG und atypisch Still“ und damit eine doppelstöckige Personengesellschaft entstanden sei. Es erließ daher für die Klägerin einerseits und die „KG und atypisch Still“ andererseits jeweils einen eigenständigen Gewerbesteuer-Messbescheid. Folge davon war, dass das Finanzamt die bei der Klägerin in den Vorjahren entstandenen Verluste nicht bei der „KG und atypisch Still“ zum Verlustabzug zuließ. Nach erfolglosem Einspruch, gab das FG der Klage statt.

Entscheidung

Das FG habe übersehen, dass die zwei eigenständigen Mitunternehmerschaften – die GmbH & Co. KG einerseits und die GmbH & Co. KG & Still andererseits – jeweils einen eigenen Gewerbebetrieb hatten, so dass auch zwei eigenständige Gewerbesteuererklärungen abzugeben seien.

Die Entstehung einer atypisch stillen Gesellschaft sei ertragsteuerlich wie eine Einbringung des Betriebs des Inhabers des Handelsgewerbes in die stille Gesellschaft i.S. des § 24 UmwStG zu sehen. Damit sei im Streitfall eine doppelstöckige Personengesellschaft entstanden, mit der GmbH & Co KG als Obergesellschaft und der atypisch stillen Gesellschaft als Untergesellschaft (vgl. BFH-Urteil vom 24.04.2014). Da die Tätigkeit von Personengesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen seien, nach § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG auch gewerbesteuerlich als Gewerbebetrieb anzusehen sei, liegen in dieser Situation auch zwei Gewerbebetriebe vor.

Betreibe der Inhaber eines Handelsgewerbes – wie im Streitfall die Klägerin – ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 2 EStG und werde für die Dauer des Bestehens der atypisch stillen Gesellschaft dieses Unternehmen der atypisch stillen Gesellschaft zugeordnet, so sei die atypisch stille Gesellschaft gewerblich tätig und unterhalte nach § 2 Abs.1 S. 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG auch gewerbesteuerrechtlich einen Gewerbebetrieb, der nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliege. Die GmbH & Co. KG & Still habe demnach im Streitjahr 2002 einen Gewerbebetrieb unterhalten, für den nach § 14a S. 1 GewStG auch eine Gewerbesteuererklärung abzugeben war.

Im Ergebnis habe die Klägerin danach für das Streitjahr 2002 als Steuerschuldnerin zwei Gewerbesteuererklärungen abzugeben – zum einen für den Betrieb, der der GmbH & Co. KG & Still für die Dauer ihres Bestehens als eigener Gewerbebetrieb zugerechnet wurde, und zudem für den Betrieb, den sie selbst als Obergesellschaft der doppelstöckigen Personengesellschaft für die Dauer des Bestehens der atypisch stillen (Unter-)Gesellschaft unterhielt.

Der Gewerbesteuer-Messbescheid für den Gewerbeertrag der atypisch stillen Gesellschaft sei an den Inhaber des Handelsgewerbes der atypisch stillen Gesellschaft, also die Klägerin (GmbH & Co. KG), zu richten. Dies gelte aus folgenden Gründen: Auch wenn durch die atypisch stille Beteiligung am Handelsgewerbe eines anderen eine atypisch stille Gesellschaft als eigenständige Mitunternehmerschaft entstehe, sei diese Gesellschaft nicht Schuldnerin der Gewerbesteuer. Nur der nach außen tätige Unternehmer (§ 5 Abs. 1 S. 1 GewStG), also der Inhaber des Handelsgewerbes, unterliege der persönlichen Gewerbesteuerpflicht (vgl. BFH-Urteil vom 05.02.2014). Bezogen auf den Streitfall sei damit die GmbH &Co. KG als Inhaberhin des Handelsgewerbes der GmbH & Co. KG & Still Schuldnerin der Gewerbesteuer für die sachlich gewerbesteuerpflichtigen Gesellschafter der atypisch stillen Gesellschaft.

Zu der Frage, ob das Finanzamt im Streitfall im Rahmen der Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrags 2002 für die atypisch stille Gesellschaft zu Recht keinen Verlustabzug – wegen fehlender Unternehmeridentität wie das Finanzamt meint – zugelassen hat, musste der BFH keine Stellung beziehen, weil dem Erlass des streitigen Gewerbesteuer-Messbescheids der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegenstand.

Betroffene Norm

§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG

Streitjahr 2002

Anmerkung

Das BFH-Urteil vom 23.04.2009 betraf zwar nicht die hier streitige Frage, für wie viele Gewerbebetriebe eine Gewerbesteuererklärung abzugeben ist, wenn sich am gesamten Handelsgewerbe einer Personengesellschaft Einzelne atypisch still beteiligen. Gleichwohl – so räumt der BFH ein – könnte dieses Urteil dahin zu verstehen sein, dass es in einem solchen Fall nur einen Gewerbebetrieb – den des Inhabers des Handelsgewerbes – gibt. Jedenfalls hält der BFH an einem solchen Verständnis nicht mehr fest.

Vorinstanz

FG Münster, Urteil vom 27.06.2012, 7 K 3732/10G

Fundstelle

BFH, Urteil vom 08.12.2016, IV R 8/14, BStBl II 2017 Seite 538

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 24.04.2014, IV R 34/10, siehe Deloitte Tax News 

BFH, Urteil vom 05.02.2014, X R 1/12

BFH, Urteil vom 23.04.2009, IV R 73/06, BStBl II 2010, S. 40

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