Zurück zur Übersicht
URL: http://mobile.deloitte-tax-news.de/steuern/unternehmensteuer/bfh-eindeutigkeitsgebot-bei-pensionszusagen.html
10.10.2019
Unternehmensteuer

BFH: Eindeutigkeitsgebot bei Pensionszusagen

Pensionszusagen sind auch nach Einfügung des sog. Eindeutigkeitsgebots anhand der allgemein geltenden Auslegungsregeln auszulegen, soweit ihr Inhalt nicht bereits klar und eindeutig ist. Eine Pensionsrückstellung ist steuerrechtlich anzuerkennen, wenn sich eine Abfindungsklausel dahin auslegen lässt, dass die für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendende sog. Sterbetafel trotz fehlender ausdrücklicher Benennung eindeutig bestimmt ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn in den Berechnungsgrundlagen auf die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik hingewiesen wird. Denn damit sind die Heubeck-Richttafeln als anzuwendende Sterbetafel eindeutig festgelegt worden.

Sachverhalte

XI R 47/17

Eine GmbH erteilte ihren Gesellschafter-Geschäftsführern Pensionszusagen, die im Hinblick auf die Zahlung der Versorgungsbezüge eine Abfindungsklausel enthielten. In der Abfindungsklausel waren Angaben zum Rechnungszinsfuß und ein Hinweis auf die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik als Berechnungsgrundlage, aber keine Angaben zu den Sterbetafeln enthalten. Das Finanzamt vertrat – unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 06.04.2005 – die Ansicht, dass das Schriftformerfordernis des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht erfüllt und die bilanzierte Pensionsrückstellung aufzulösen sei. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg.

XI R 48/17

Eine GmbH sagte ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer eine betriebliche Altersversorgung zu. In der hierzu vereinbarten Zusage heißt es: "Die GmbH ist berechtigt, laufende Pensionen ganz oder teilweise durch eine Kapitalzahlung abzufinden. Die Kapitalabfindung ist unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der Abfindung gültigen Rechnungsgrundlagen für betriebliche Pensionsverpflichtungen zu berechnen. Gilt für diesen Pensionsvertrag im Zeitpunkt einer Abfindung das Betriebsrentengesetz, so sind die im § 3 Betriebsrentengesetz genannten Abfindungsverbote zu beachten." Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die bilanzierte Pensionsrückstellung nicht das Schriftform- und Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG erfülle und gewinnwirksam aufzulösen sei. Das FG gab der hiergegen erhobenen Klage statt.

Entscheidungen

Gesetzliche Grundlagen

Nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG darf eine Pensionsrückstellung u.a. nur dann gebildet werden, wenn und soweit die Pensionszusage keinen Vorbehalt enthält, dass die Pensionsanwartschaft oder die Pensionsleistung gemindert oder entzogen werden kann, oder ein solcher Vorbehalt sich nur auf Tatbestände erstreckt, bei deren Vorliegen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter Beachtung billigen Ermessens eine Minderung oder ein Entzug der Pensionsanwartschaft oder der Pensionsleistung zulässig ist (schädlicher Vorbehalt). Zudem darf eine Pensionsrückstellung nach § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG nur gebildet werden, wenn und soweit die Pensionszusage schriftlich erteilt ist (sog. Schriftformgebot); die Pensionszusage muss dabei eindeutige Angaben zu Art, Form, Voraussetzungen und Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen enthalten (sog. Eindeutigkeitsgebot). 

zu XI R 47/17

Kein schädlicher Vorbehalt

Die im Streitfall in den Pensionszusagen enthaltene Abfindungsklausel sieht nach Auffassung des BFH ausdrücklich eine Abfindung von Anwartschaften zum Barwert der künftigen Pensionsleistungen (d.h. dem vollen, unquotierten Anspruch zum Zeitpunkt der Abfindung) als "Kapitalabfindung in Höhe des Barwertes der Rentenverpflichtung" vor und begründet daher keinen schädlichen Vorbehalt i.S. des § 6a Abs.1 Nr. 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 28.04.2010, I R 78/08 und BMF-Schreiben vom 06.04.2005, Tz. 2).

Voraussetzung für die steuerrechtliche Anerkennung einer Pensionsrückstellung

Für die steuerrechtliche Anerkennung einer Pensionsrückstellung sind auch Angaben für die versicherungsmathematische Ermittlung der Höhe der Versorgungsverpflichtung (z.B. anzuwendender Rechnungszinsfuß oder anzuwendende Ausscheidewahrscheinlichkeiten als biometrische Einflussgrößen) schriftlich festzulegen, sofern es zur eindeutigen Ermittlung der in Aussicht gestellten Leistungen erforderlich ist (vgl. BMF-Schreiben vom 28.08.2001). Diese Regelungen gelten entsprechend für in Pensionszusagen enthaltene Abfindungsklauseln (vgl. BMF-Schreiben vom 06.04.2005, Tz. 3). Dabei lässt der in § 6a Abs. 1 Nr. 3 Hs. 2 EStG verwendete Begriff "eindeutige Angabe(n)" offen, ob sich alle Berechnungsparameter für die Höhe der Abfindung (im Streitfall: die anzuwendende Sterbetafel) wörtlich aus der Pensionszusage ergeben müssen oder ob es ausreicht, dass nach einer Auslegung des Wortlauts der Zusage keine Zweifel an diesen Maßgaben verbleiben.

Kein Verstoß gegen das Eindeutigkeitsgebot

Pensionszusagen sind nach Ansicht des BFH auch nach Einfügung des Eindeutigkeitsgebots anhand der allgemein geltenden Auslegungsregeln auszulegen, soweit ihr Inhalt nicht bereits klar und eindeutig feststeht. Erforderlich sei, dass sich der Inhalt der Zusage zweifelsfrei feststellen lässt, wobei allenfalls bei der Auslegung die Wortlautgrenze von ausdrücklich angeführten Regelungsinhalten zu beachten ist (vgl. BFH-Urteile vom 12.10.2010, I R 17/10 und 18/10). Nach diesen Grundsätzen könne der Abfindungsklausel im Wege der Auslegung aufgrund des in den Berechnungsgrundlagen enthaltenen Hinweises auf „anerkannte Regeln der Versicherungsmathematik“ die eindeutige Festlegung der Heubeck-Richttafeln als anzuwendende Sterbetafel zur Ermittlung der Abfindungshöhe entnommen werden. Die für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendende Sterbetafel ist danach trotz fehlender ausdrücklicher Benennung eindeutig bestimmt und die Pensionsrückstellung steuerrechtlich anzuerkennen, so der BFH.

zu XI R 48/17

Inhalt der Abfindungsklausel

Im Streitfall räumt die Versorgungszusage der GmbH das Recht ein, Ansprüche des Versorgungsberechtigten in bestimmten Situationen "ganz oder teilweise durch eine Kapitalzahlung abzufinden", wenn nicht ein Abfindungsverbot nach Maßgabe des sog. Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) besteht. Aus dieser Klausel lässt sich nach Ansicht des BFH nicht ableiten, dass zur Berechnung eines Abfindungsbetrages auf die klar definierten Vorgaben des BetrAVG zurückzugreifen ist.

Auslegung des Wortlauts der Versorgungszusage

Auch wenn es um die Frage geht, ob ein schädlicher Vorbehalt i.S. des § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG vorliegt, sind Pensionszusagen nach Auffassung des BFH nach Einfügung des Eindeutigkeitsgebots anhand der allgemein geltenden Auslegungsregeln auszulegen, soweit ihr Inhalt nicht bereits klar und eindeutig feststeht. Im Streitfall lasse sich der Wortlaut der Versorgungszusage nicht dahin auslegen, dass ein Verweis auf die barwertbezogenen Berechnungs-Maßgaben des BetrAVG enthalten ist. Es kämen vielmehr auch andere Rechnungsgrundlagen in Betracht. Damit bestehe eine Unklarheit der Abfindungsoption, die schon die Tatbestandsvoraussetzung des § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG betrifft.

Vorgaben zum Ansatz einer Pensionsrückstellung nicht erfüllt

Die in der Pensionszusage enthaltene Abfindungsklausel lasse nicht erkennen, dass kein schädlicher Vorbehalt vorliegt bzw. (umgekehrt) gewährleistet ist, dass der mögliche Abfindungsbetrag mindestens mit dem Wert des gesamten Versorgungsversprechens zum Abfindungszeitpunkt entspricht. Die maßgebenden gesetzlichen (formalrechtlichen) Vorgaben zum Ansatz einer Pensionsrückstellung zu der Versorgungszusage sind nach Auffassung des BFH damit nicht erfüllt.

Betroffene Norm

§ 6a Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG

Streitjahre 2007-2011

Anmerkungen

Praxishinweis

In Fällen, in denen in der Abfindungsvereinbarung bei den Berechnungsgrundlagen ein Hinweis auf „anerkannte Regeln der Versicherungsmathematik“ enthalten ist, ist nach dem Beschluss des BFH vom 10.07.2019 (XI R 47/17) die Pensionsrückstellung insoweit also steuerrechtlich anzuerkennen. Denn diese Regelung lässt den Schluss zu, dass damit die im Abfindungszeitpunkt aktuell geltende Richttafel anzuwenden ist. Aus dem BFH-Urteil vom 23.07.2019 (XI R 48/17) sollte für die Praxis die Konsequenz gezogen werden, in Abfindungsklauseln z. B. einen Bezug auf eine konkret anzuwendende Berechnungsgrundlage mit Benennung der dazugehörigen Gesetzesgrundlage vorzunehmen, um eine steuerliche Anerkennung sicherzustellen.

Offengelassene Fragestellung

In beiden Verfahren konnte der BFH offenlassen, ob das Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG entgegen des BMF-Schreibens vom 06.04.2005 einschränkend dahin auszulegen ist, dass die Vorschrift nicht die Festlegung der für die Berechnung der Höhe der Kapitalabfindung maßgeblichen Sterbetafel in der Abfindungsklausel verlangt. 

Vorinstanzen

Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.02.2017, 1 K 68/14, EFG 2017, S. 905 (zu XI R 47/17), siehe Deloitte Tax-News  

Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.02.2017, 1 K 141/15, EFG 2017, S. 908 (zu XI R 48/17), siehe Deloitte Tax-News 

Fundstellen

BFH, Beschluss vom 10.07.2019, XI R 47/17, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen 

BFH, Urteil vom 23.07.2019, XI R 48/17, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteile vom 12.10.2010, I R 17/10 und 18/10, BFH/NV 2011, S. 452

BFH, Urteil vom 28.04.2010, I R 78/08, BStBl II 2013, S. 41, siehe Deloitte Tax-News 

BMF, Schreiben vom 06.04.2005, IV B 2-S 2176-10/05, BStBl I 2005, S. 619

BMF, Schreiben vom 28.08.2001, IV A 6-S 2176-27/01, BStBl I 2001, S. 594

www.deloitte-tax-news.de Diese Mandanteninformation enthält ausschließlich allgemeine Informationen, die nicht geeignet sind, den besonderen Umständen eines Einzelfalles gerecht zu werden. Sie hat nicht den Sinn, Grundlage für wirtschaftliche oder sonstige Entscheidungen jedweder Art zu sein. Sie stellt keine Beratung, Auskunft oder ein rechtsverbindliches Angebot dar und ist auch nicht geeignet, eine persönliche Beratung zu ersetzen. Sollte jemand Entscheidungen jedweder Art auf Inhalte dieser Mandanteninformation oder Teile davon stützen, handelt dieser ausschließlich auf eigenes Risiko. Deloitte GmbH übernimmt keinerlei Garantie oder Gewährleistung noch haftet sie in irgendeiner anderen Weise für den Inhalt dieser Mandanteninformation. Aus diesem Grunde empfehlen wir stets, eine persönliche Beratung einzuholen.

This client information exclusively contains general information not suitable for addressing the particular circumstances of any individual case. Its purpose is not to be used as a basis for commercial decisions or decisions of any other kind. This client information does neither constitute any advice nor any legally binding information or offer and shall not be deemed suitable for substituting personal advice under any circumstances. Should you base decisions of any kind on the contents of this client information or extracts therefrom, you act solely at your own risk. Deloitte GmbH will not assume any guarantee nor warranty and will not be liable in any other form for the content of this client information. Therefore, we always recommend to obtain personal advice.