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22.10.2020
Unternehmensteuer

BFH: Anwendung des Abgeltungsteuersatzes bei Darlehensgewährung an eine GmbH durch eine dem Anteilseigner nahe stehende Person

Die Regelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG ist ein speziell für Vergütungen, die von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner oder an eine diesem nahe stehende Person gezahlt werden, geschaffener abschließender Tatbestand für den Ausschluss von Kapitalerträgen aus dem gesonderten Tarif (§ 32d Abs. 1 EStG). Sind die Voraussetzungen der Regelung nicht erfüllt, kommt ein Rückgriff auf § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG als Auffangtatbestand nicht in Betracht (so auch BMF-Schreiben vom 18.01.2016).​ 

Sachverhalt

Die Klägerin war alleinige Gesellschafterin einer GmbH, ihr Ehemann, der Kläger, war alleiniger Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Zwischen dem Kläger und der GmbH wurden verschiedene Darlehensverträge abgeschlossen. Der Kläger erzielte aus den Darlehen Zinserträge, die nach seiner Auffassung der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 1 EStG unterlägen. Finanzamt und FG berücksichtigten die Zinseinkünfte des Klägers hingegen als gemäß § 32a EStG tariflich zu besteuernde Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Entscheidung

Der BFH gelangt zu dem Ergebnis, dass die als Kapitalerträge erklärten Darlehenszinsen des Klägers der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 1 EStG unterliegen.

Gesetzliche Grundlage

Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b S. 1 EStG gilt der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG nicht, wenn die Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist. Nach Satz 2 des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b S. 2 EStG ist die Anwendung des gesonderten Steuertarifs des § 32d Abs. 1 EStG auch dann ausgeschlossen, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigener nahe stehende Person ist.

​Voraussetzungen des Ausschlusstatbestands des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b S. 2 EStG nicht erfüllt

Ein Ausschluss der vom Kläger erzielten Zinseinkünfte aus dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG kann im Streitfall nach Auffassung des BFH nicht auf § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b S. 2 EStG gestützt werden.

Kein Vorliegen eines Näheverhältnisses

Nach der BFH-Rechtsprechung genügt ein aus der Ehegatteneigenschaft abgeleitetes persönliches Interesse allein nicht, um ein Näheverhältnis zwischen dem Darlehensgeber und dem Anteilseigner der Kapitalgesellschaft zu begründen. Erforderlich ist, dass zwischen dem Darlehensgeber als nahe stehender Person und dem Anteilseigner ein Beherrschungsverhältnis besteht, welches derart beschaffen sein muss, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses für den Abschluss des Darlehens mit der GmbH im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt (vgl. BFH-Urteil vom 14.05.2014, VIII R 31/11). Das Abhängigkeitsverhältnis kann dabei wirtschaftlicher oder persönlicher Natur sein (vgl. BFH-Urteil vom 28.01.2015, VIII R 8/14 sowie BMF-Schreiben vom 18.01.2016, Rz. 136). Unter Anwendung dieses Maßstabs bestand nach Ansicht des BFH zwischen dem Kläger als Darlehensgeber und der Klägerin als Anteilseignerin der GmbH kein solches Abhängigkeitsverhältnis.

Schließlich kann ein Näheverhältnis auch bestehen, wenn die Vertragsparteien (hier: der Kläger und die GmbH) ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen haben (vgl. BFH-Urteil vom 14.05.2014, VIII R 31/11). Im Streitfall sei jedoch ein eigenes wirtschaftliches Interesse der GmbH als Darlehensschuldnerin an der Einkünfteerzielung des Klägers als Darlehensgeber oder umgekehrt nicht zu erkennen. Zudem seien weder der Kläger als Darlehensgeber noch die Klägerin als Anteilseignerin der GmbH noch die GmbH selbst bei Eingehen der Darlehensbeziehungen in ihrer Finanzierungsfreiheit beschränkt gewesen.

Kein Rückgriff auf den Ausschlusstatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG

Ein Ausschluss der Kapitalerträge des Klägers aus dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG kann auch nicht auf § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG gestützt werden, so der BFH.

Der Tatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG ist ein speziell für Vergütungen, die u.a. von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner oder an eine diesem nahe stehende Person gezahlt werden, geschaffener Ausschlusstatbestand. Er ist nach Auffassung des BFH abschließend. Sind die Voraussetzungen der Regelung nicht erfüllt, komme ein Rückgriff auf den Ausschlusstatbestand gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG weder für Vergütungen aus einem Darlehen des Anteilseigners noch einer nahe stehenden Person an die Kapitalgesellschaft in Betracht, da der Darlehensschuldner hier eine natürliche Person sein muss (vgl. auch BMF-Schreiben vom 18.01.2016, Rz. 134, 135). Dies gelte nicht nur, wenn die in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG normierte Beteiligungsschwelle des Anteilseigners von 10 % nicht erreicht wird, sondern auch dann, wenn die Voraussetzungen für ein wirtschaftliches oder persönliches Näheverhältnis des Darlehensgebers zum Anteilseigner oder umgekehrt gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG nicht gegeben sind.

Betroffene Normen

§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b EStG, § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, § 32d Abs. 1 EStG​

Streitjahr 2014 

Vorinstanz

​Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 26.10.2016, 4 K 48/17 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 16.06.2020, VIII R 5/17, lt. Mitteilung des BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 28.01.2015, VIII R 8/14, BStBl II 2015, S. 397, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 14.05.2014, VIII R 31/11, BStBl II 2014, S. 995, siehe Deloitte Tax-News 

BMF, Schreiben vom 18.01.2016, IV C 1-S​ 2252/08/10004:017, 2015/0468306, BStBl I 2016, S. 85​

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