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29.04.2011
Private Einkommensteuer

FG Düsseldorf: Überschreitung der Wesentlichkeitsschwelle für eine juristische Sekunde

Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und entschieden, dass die Klägerin nicht wesentlich an den Kapitalgesellschaften beteiligt gewesen war. Die Überschreitung der Wesentlichkeitsgrenze für eine juristische Sekunde hat aufgrund des Gesamtplans der Quartettbildung kein wirtschaftliches Eigentum an den Beteiligungen vermittelt.

BFH, Urteil vom 05.10.2011, IX R 57/10 (siehe Deloitte Tax-News)

Sachverhalt zu FG-Urteil

Der Kläger war zu 100 % an der R-GmbH (500.000 DM Geschäftsanteil) beteiligt. Im Rahmen eines Gesamtplans veräußerte er seiner Ehefrau, der Klägerin, am 27.12.1994 Geschäftsanteile i.H.v. 252.000 DM (50,4 %) und der A-Familienbeteiligungsgesellschaft (A-GbR) Geschäftsanteile von DM 52.000 mit sofortiger dinglicher Wirkung und anteiligem Gewinnbezugsrecht ab 01.01.1995. Zum gleichen Zeitpunkt wurde in einer weiteren Urkunde die Erhöhung des Stammkapitals der R-GmbH um 508.000 DM auf 1.008.000 DM bestimmt. Die neu gebildete Stammeinlage i.H.v. 508.000 DM wurde von der A-GbR übernommen.

An der O-GmbH (Stammkapital von 475.000 DM) waren die Klägerin (seit 02.07.1991 zu 24,99%, Geschäftsanteil von 118.700 DM), die R-GmbH (Geschäftsanteil von 140.300 DM), der Kläger (Geschäftsanteil von 104.500 DM) und die A-GbR (Geschäftsanteil von 111.500 DM) beteiligt. Der Kläger veräußerte der Klägerin am 27.12.1994 Geschäftsanteile i.H.v. 2.800 DM (0,59 %) mit sofortiger dinglicher Wirkung und anteiligem Gewinnbezugsrecht zum 01.01.1995. Ebenfalls am 27.12.1994 erfolgte die Erhöhung des Stammkapitals um 11.000 DM auf 486.000 DM durch die A-GbR.
Die Anteile an der R-GmbH und an der O-GmbH wurden mit Vertrag vom 10.12.1997 veräußert.

Streitig ist, ob die Klägerin i.S.d. § 17 EStG wesentlich an der GmbH beteiligt gewesen ist und der Veräußerungsvorgang demzufolge steuerbar ist.

Entscheidung zu FG-Urteil

Die Klägerin hat einen Gewinn aus Gewerbebetrieb gem. § 17 EStG aus der Veräußerung der Beteiligungen an der O-GmbH und der R-GmbH erzielt.

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre eine wesentliche Beteiligung innehatte. Zum Zeitpunkt der Veräußerung galt als wesentlich beteiligt, wer zu mehr als 25 % mittelbar oder unmittelbar Anteile an der Gesellschaft besaß.

Die Klägerin hat aufgrund des notariellen Vertrags vom 27.12.1994 eine Beteiligung von 50,4 % an der R-GmbH erworben. Die Anteile waren somit steuerverstrickt und wurden vor Ablauf der Fünfjahresfrist veräußert. Zu ihrer bereits bestehenden Beteiligung an der O-GmbH von 24,99 % hat sie am 27.12.1994 einen Anteil von 0,59 % des Kapitals hinzuerworben, wodurch sie mit 25,58 % unmittelbar am Stammkapital der O-GmbH beteiligt war. Die Wesentlichkeitsgrenze von 25 % wurde überschritten und die Anteile waren entsprechend steuerverstrickt. Diese Anteile hat sie ebenfalls vor Ablauf von fünf Jahren veräußert.

Dass die Klägerin im Zeitpunkt der Veräußerung aufgrund der Kapitalerhöhung nur noch mit 25 % beteiligt war führt nicht dazu, dass kein Veräußerungsgewinn zu erfassen ist. Eine wesentliche Beteiligung muss innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Anteilsveräußerung bestanden haben, und zwar zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb dieses Zeitraumes, nicht notwendigerweise im Veräußerungszeitpunkt.

Dem Erwerb der wesentlichen Beteiligung steht nicht entgegen, dass ebenfalls am 27.12.1994 eine Kapitalerhöhung beschlossen worden ist und - laut Klägerin - nicht mehr festgestellt werden könne, in welcher Reihenfolge die Urkunden unterzeichnet worden seien. Die Reihenfolge der Unterzeichnung ist deswegen unmaßgeblich, weil aus den Verträgen selbst hervorgeht, in welcher Reihenfolge die Geschäfte nach dem Willen der Beteiligten abgewickelt wurden. Auch die Formulierungen hinsichtlich der Beteiligungsverhältnisse und der Tatsache, dass jeder Vertrag die Abtretung „mit sofortiger dinglicher Wirkung“ vorsieht, geht der Senat davon aus, dass die Vertragsklausel dahingehend auszulegen ist, dass die Beteiligung jeweils sofort übertragen wurde und lediglich das Gewinnbezugsrecht erst zum 01.01.1995 übergehen sollte.

Die Beurkundung der Kapitalerhöhung der O-GmbH lässt wiederum klar erkennen, dass alle Beteiligten davon ausgegangen sind, dass zuvor der Anteil von 2.800 DM der Klägerin übertragen worden ist. Die vorstehend geschilderte Chronologie wird zudem durch die Nummerierung der notariellen Urkunden bestätigt.

Für die Besteuerung des Veräußerungsvorgangs ist es unerheblich, dass nach dem Gesamtplan die Beteiligungshöhe der Klägerin infolge der ebenfalls am 27.12.1994 beschlossenen Kapitalerhöhung wieder unter die Wesentlichkeitsschwelle abgesenkt werden sollte. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 14.03.2006) sind bei einer Kapitalerhöhung die neuen Beteiligungsverhältnisse grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt wirksam, an dem die Erhöhung des Stammkapitals ins Handelsregister eigetragen ist. Danach bestand das erhöhte Stammkapital bei der R-GmbH erst seit dem 23.01.1995 und bei der O-GmbH erst seit dem 27.03.1995. In der Zwischenzeit war die Klägerin mit mehr als 25 % am Stammkapital und damit wesentlich beteiligt.

Die Klägerin war nicht nur zivilrechtlich, sondern auch wirtschaftlich i.S.d. § 39 AO Inhaberin der von ihr erworbenen Anteile. Es ist kein Umstand ersichtlich, der zu einer vom Zivilrecht abweichenden Zurechnung führen könnte.

Dass alle an den Übertragungsvorgängen Beteiligten eine wesentliche Beteiligung der Klägerin vermeiden wollten, führt zu keiner anderen Beurteilung. Nach der Rechtsprechung des VIII. Senates des BFH, der das Gericht folgt, kommt es für die Besteuerung allein darauf an, dass zivilrechtlich - wenn auch nur für eine juristische Sekunde - eine Beteiligung zu mehr als einem Viertel bestanden hat, und zwar selbst dann, wenn es sich nach dem Gesamtplan nur um einen Durchgangserwerb handeln sollte.

Der Senat hat die Revision zugelassen. Es ist höchstrichterlich nicht geklärt, ob Bezugsrechte aufgrund einer wirksamen Kapitalerhöhung bei der Ermittlung der Beteiligungshöhe zu berücksichtigen sind, und wenn dies der Fall sein sollte, ab welchem Stadium der Kapitalerhöhung die Bezugsrechte zählen.

Betroffene Normen

§ 17 Abs. 1 S. 4 und S. 4 EStG, § 39 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AO, § 42 AO, § 164 AO, § 14 GmbHG, § 55 GmbHG
Streitjahr 1997

Fundstelle

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.09.2010, 13 K 997/08 E

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 14.03.2006, VIII R 49/04, BStBl II 2006, S. 746
BFH, Urteil vom 16.05.1995, VIII R 33/94, BStBl II 1995, S. 871

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