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16.11.2012
Private Einkommensteuer

FG Baden-Württemberg: Verrechnung vorgetragener Altverluste aus privaten Veräußerungsgeschäften

Vorgetragene Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG a.F. (sog. Altverluste) sind nach Einführung der Abgeltungssteuer vorrangig mit positiven Einkünften aus der gleichen Einkunftsart und erst nachrangig mit Einkünften aus Kapitalvermögen in Form von Veräußerungsgewinnen zu verrechnen. Der Steuerpflichtige besitzt insofern kein Wahlrecht zur Verrechnung.

Sachverhalt
Das Finanzamt hatte gegenüber den Klägern (Ehegatten) einen Verlustvortrag bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften auf den 31.12.2008 festgestellt. Im September 2009 erwirtschafteten die Kläger in Bezug auf mehrere im Dezember 2008 privat erworbene Wertpapiertranchen der Y-AG einen Gewinn (Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften). Außerdem erzielten die Kläger in 2009 erhebliche Gewinne aus der Veräußerung von im gleichen Jahr erworbenen Aktien (Einkünfte aus Kapitalvermögen).

Das Finanzamt verrechnete zunächst den Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften mit den (zur Hälfte angesetzten) Überschüssen aus der Veräußerung der Wertpapiere der Y-AG. Anschließend verrechnete das Finanzamt den verbleibenden Verlustvortrag mit den Gewinnen aus der Veräußerung der Aktien. Die Kläger sind hingegen der Auffassung, es sei aus § 23 EStG n. F. nicht ersichtlich, inwieweit bei der Verlustverrechnung eine bestimmte Reihenfolge einzuhalten sei.

Entscheidung
Die Klage ist nicht begründet. Das Finanzamt ist zutreffend davon ausgegangen, dass die aus 2008 vorgetragenen Verluste der Kläger aus privaten Veräußerungsgeschäften vorrangig mit positiven Einkünften aus der gleichen Einkunftsart und erst nachrangig mit Einkünften aus Kapitalvermögen in Form von Veräußerungsgewinnen aus Aktien zu verrechnen sind.

Nach § 23 Abs. 3 S. 8 EStG a. F. durften Verluste aus sog. privaten Veräußerungsgeschäften wie diejenigen, die die Kläger in den Vorjahren bis zum Veranlagungszeitraum 2008 erwirtschaftet hatten, regelmäßig nicht mit anderen positiven Einkünften ausgeglichen werden. Durch das Unternehmensteuerreformgesetz hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum hier streitigen Veranlagungszeitraum 2009 zahlreiche Vorschriften im Zusammenhang mit der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte i. S. des § 23 Abs. 1 EStG a. F. geändert. So gehört der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an bestimmten Körperschaften, die nach dem 31.12.2008 erworben werden, seither zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (im Streifall: von den Klägern erzielte Veräußerungsgewinne aus Aktienverkäufen). Demgegenüber zählen Einkünfte aus sog. privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG n. F. gemäß § 22 Nr. 2 EStG weiterhin zu den sonstigen Einkünften (im Streitfall: Überschüsse, die die Kläger aus dem Verkauf jener Aktien an der Y-AG erzielt haben, welche sie noch im Dezember 2008 erworben hatten, § 52a Abs. 11 S. 4 EStG n. F).

Für die Verrechnung von sog. Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften hat der Gesetzgeber aber im Zuge des Unternehmensteuerreformgesetzes eine ergänzende Regelung in § 23 Abs. 3 S. 7 ff. EStG n. F. geschaffen. In § 23 Abs. 3 S. 9 EStG n. F. findet sich nunmehr die Anweisung, dass Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 23 EStG a. F. (Altverluste) abweichend von Satz 7 der Vorschrift auch mit Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. des § 20 Abs. 2 EStG n. F. ausgeglichen werden „können“. Schließlich bestimmt jetzt § 23 Abs. 3 S. 10 EStG n. F., dass derartige Altverluste abweichend von Satz 8 der Vorschrift nach Maßgabe des § 10d EStG auch die Einkünfte „mindern“, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus § 20 Abs. 2 EStG n. F. erzielt. Bei dem damit ermöglichten erweiterten Ausgleich von Altverlusten handelt es sich um eine Übergangsregelung.

Nach Ansicht des FG ist bei den festgestellten Altverlusten der in § 23 Abs. 3 S. 8 EStG n. F. (früher: § 23 Abs. 3 S. 9 EStG a. F.) geregelte Verlustvortrag innerhalb derselben Einkunftsart (also die Verrechnung mit künftigen Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften) gegenüber dem durch § 23 Abs. 3 S. 10 EStG n. F. eröffneten erweiterten Verlustausgleich (also mit den Einkünften aus Kapitalvermögen) vorrangig durchzuführen. Dafür spricht zunächst, dass ein solcher Verlustvortrag innerhalb der Einkunftsart bereits durch die Gesetzesfassung desjenigen Veranlagungszeitraums, in dessen Verlauf die Verluste entstanden oder auf deren Ablauf hin sie festgestellt worden sind (hier: zum 31.12.2008), verbindlich angeordnet worden ist. Denn in § 23 Abs. 3 S. 9 EStG a. F. war zwingend bestimmt, dass die festgestellten Verluste die Einkünfte des Steuerpflichtigen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 EStG a. F. zu „mindern“ hatten. Demgegenüber trifft § 23 Abs. 3 S. 10 EStG n. F. lediglich eine ergänzende Regelung für den Fall, dass ein solcher vorrangiger Verlustausgleich im Wege des Vortrags innerhalb derselben Einkunftsart nicht zum vollständigen Aufbrauchen der verbleibenden Altverluste führen würde. Anders ist auch der Wortlaut der Vorschrift („Sie mindern abweichend von Satz 8 [...] auch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige [...] aus § 20 Abs. 2 [EStG n. F.] erzielt.“) nicht zu verstehen.

Ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen ergibt sich daraus nicht. Hätte der Gesetzgeber - entgegen dem Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung - ein solches Wahlrecht anordnen wollen, so hätte er dies im Gesetzestext ausdrücklich formulieren müssen. Auch aus der Begründung zum Gesetzentwurf der seinerzeitigen Koalitionsfraktionen lässt sich der Gedanke, der Normgeber des § 23 Abs. 3 EStG n. F. sei von einer freien Bestimmbarkeit der Verrechnungsreihenfolge ausgegangen, nicht entnehmen. Gegen ein solches Wahlrecht - und generell gegen eine vorrangige Verrechnung der Altverluste mit den neu anfallenden Gewinnen aus Kapitalerträgen - spricht außerdem, dass es sich bei § 23 Abs. 3 S. 10 EStG um eine Ausnahmevorschrift handelt, die dem Steuerpflichtigen eine Minderung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ermöglicht, obwohl diese eigentlich insgesamt zur Bemessungsgrundlage für den gesonderten Steuertarif von 25 % nach § 32d Abs. 1 S. 1 EStG n. F. gehören. Derartige Ausnahmevorschriften aber sind nach allgemeinen Grundsätzen eng auszulegen.

Die Revision wird zugelassen.

Betroffene Norm § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, § 23 Abs. 3 S. 7 ff. EStG, § 22 Nr. 2, § 10d EStG, § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG
Streitjahr 2009

Fundstelle 
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12.09.2012, 1 K 4484/11, Revision zugelassen

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