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29.08.2016
Private Einkommensteuer

FG Baden-Württemberg: Verkauf und (Wieder-)Kauf von Bezugsrechten als Gestaltungsmissbrauch

Mit Urteil vom 08.03.2017 hat der BFH entschieden, dass das FG zu Recht davon ausgegangen ist, dass bei einem taggleichen Verkauf und (Wieder-)Kauf von Bezugsrechten unter bestimmten Umständen (hier: spezielle Kenntnisse und Einfluss des Steuerpflichtigen auf die Durchführung des Handels) ein Gestaltungsmissbrauch vorliegen kann.
BFH, Urteil vom 08.03.2017, IX R 5/16, siehe Deloitte Tax News
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FG Baden-Württemberg (Vorinstanz):
Werden unentgeltlich erworbene Aktienbezugsrechte praktisch zeitgleich verkauft und wieder gekauft, um für eine spätere Veräußerung Anschaffungskosten zu schaffen, liegt ein Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO (a.F.) vor, wenn kein Kursrisiko besteht.

Sachverhalt

Der Kläger war als Börsenmakler tätig und an einer Y –AG beteiligt; im Rahmen einer Kapitalerhöhung der Y-AG erhielt er – für seine 23.000 Aktien – 23.000 Bezugsrechte für junge Aktien. Am Abend des 04.11.1998 erteilte er nach Handelsschluss den Verkaufsauftrag über die Bezugsrechte. Bereits am darauffolgenden Morgen des 05.11.1998 erteilte er wiederum den Kaufvertrag über dieselbe Anzahl von Bezugsrechten. Beide Geschäfte erfolgten zum selben Stückkurs. Im Laufe des Streitjahres 1999 verkaufte der Kläger in mehreren Schritten seine Aktien an der AG.

Das Finanzamt war der Auffassung, dass der Verkauf und (Rück-)Kauf derselben Anzahl Bezugsrechte zum selben Preis einen Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO (a. F.) darstelle und erkannte die Transaktion und die dadurch verursachten (zusätzlichen) Anschaffungskosten bei der Bestimmung des Veräußerungsgewinnes nach § 23 EStG nicht an. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Entscheidung

Das Finanzamt habe zu Recht die Berücksichtigung zusätzlicher Anschaffungskosten des Klägers unter dem Gesichtspunkt des § 42 AO wegen Gestaltungsmissbrauch abgelehnt.

Da die Veräußerung der (jungen) Aktien innerhalb eines Jahres erfolgt sei, liege ein privates Veräußerungsgeschäfte gem. § 22 Nr. 2 i. v. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung vor. Grundsätzlich seien dabei die im Zusammenhang mit dem Erwerb der Aktien stehenden Anschaffungskosten (Kauf der Bezugsrechte am 05.11.1998) steuermindernd zu berücksichtigen. Allerdings stelle der taggleiche Verkauf und (Wieder-)Kauf der identischen Anzahl Bezugsrechte zum identischen Preis einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar.

Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten liege nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des angestrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (BFH-Urteil v. 27.10.2005). Eine rechtliche Gestaltung sei unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung nicht gebraucht, obwohl hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen. Nach der Rechtsprechung des BFH könne daher ein steuerlich erheblicher Aufwand dann nicht anerkannt werden, wenn er nach dem Gesamtplan des Steuerpflichtigen durch gegenläufige Rechtsakte erst geschaffen oder ausgeglichen werde und damit von vornherein eine wirtschaftliche Belastung mit dem Aufwand hätte vermieden werden sollen (BFH-Urteil v. 27.10.2005). Liege aufgrund dieser (wirtschaftlichen) Betrachtung eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung vor, entstehe der Steueranspruch gem. § 42 S. 2 AO (a. F.) entsprechend einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung.

Der Kläger habe den Verkaufs- und Kaufauftrag praktisch gleichzeitig – ohne dazwischenliegenden Handelstag – über dieselbe Anzahl von Bezugsrechten erteilt, sodass sich die Aufträge im Ergebnis negieren und wirtschaftlich neutralisieren. Der Vorgang habe erkennbar den einzigen Zweck gehabt „pro forma“ einen Anschaffungsvorgang herbeizuführen, um so bei der beabsichtigten Veräußerung der jungen Aktien (höhere) Anschaffungskosten i.S. des § 23 EStG ausweisen zu können. Zwar habe der Steuerpflichtige grundsätzlich das Recht seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass die steuerliche Belastung möglichst gering ist. Dies gelte aber nicht für Vorgänge, die nur formal eine Veräußerung bzw. einen Erwerb darstellen, jedoch als solche vom Steuerpflichtigen gar nicht gewollt seien und durch gegenläufiges Handeln augenblicklich ungeschehen gemacht würden.

Aufgrund des im Streitfall fehlenden Kursrisikos lägen anders als bei den zum Börsenhandel mit Aktien höchstrichterlich entschiedenen Fällen zum taggleichen Verkauf und Rückkauf mit abweichenden Kurswert (u.a. BFH-Urteil v. 25.08.2009) keine eigenständigen und damit separat zu beurteilenden Vorgänge vor.

Nach alledem seien die Anschaffungskosten in unangemessener Weise geschaffen worden, weshalb sie unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine Anerkennung finden könnten.

Betroffene Norm

§ 42 AO (a. F.)
Streitjahr 1999

Fundstellen
BFH, Urteil vom 08.03.2017, IX R 5/16, siehe Deloitte Tax News 
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.11.2015, 8 K 2978/13, EFG 2016, 1175

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 25.08.2009, IX R 60/07, BStBI. II 2009, S. 999
BFH, Urteil vom 27.10.2005, IX R 76/03, BStBI. II 2006, S. 359

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