Auch die Nichtausübung einer Option ist den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen mit der Folge, dass in Höhe der Anschaffungskosten der Option ein steuerlich berücksichtigungsfähiger Verlust aus Termingeschäften entsteht (entgegen Finanzverwaltung).
Die Kläger, ein zusammenveranlagtes Ehepaar, erwarben im Streitjahr 2010 Kaufoptionen zum Erwerb von Aktien einer AG, deren Kaufpreis sie mithilfe eines Bankkredits refinanzierten. Aufgrund eines starken Kursverfalls der Aktien übten die Kläger die Optionen im Fälligkeitszeitpunkt jedoch nicht aus. Das Finanzamt ließ den wirtschaftlich entstandenen Verlust der Kläger in Höhe der Anschaffungskosten der Optionen nicht zum Abzug zu. Zudem begrenzte es den Abzug der in 2010 angefallenen Refinanzierungszinsen auf den Sparerpauschbetrag. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren, hat das FG der Klage stattgegeben.
Das FG sei zu Recht davon ausgegangen, dass auch die Nichtausübung einer Option ein nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG steuerbares Termingeschäft darstelle (heute geltende Rechtslage nach Einführung der Abgeltungsteuer).
Nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen der Gewinn bei Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt. Nach § 20 Abs. 4 S. 5 EStG ist Gewinn bei einem Termingeschäft der Differenzausgleich oder der durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmte Geldbetrag oder Vorteil abzüglich der Aufwendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Termingeschäft stehen. § 20 Abs. 4 S. 5 EStG setzt voraus, dass ein Ergebnis einer nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a oder b EStG steuerbaren Tätigkeit zu ermitteln ist.
Für den Besteuerungstatbestand des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG komme es bei wortlautgetreuer Auslegung nicht darauf an, ob das Basisgeschäft tatsächlich durchgeführt werde oder ob stattdessen ein Differenzausgleich stattfinde (Abweichung von der früheren Rechtsprechung zu § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG a.F.). Dass der Wortlaut der Vorschrift explizit auf die Erlangung eines Differenzausgleichs oder eines Vorteils abstelle, bedeute nicht, dass der Steuerpflichtige das Termingeschäft tatsächlich durchgeführt haben müsse. Vielmehr betrachtet der BFH diese Tatbestandsmerkmale nach teleologische Auslegung lediglich als eine Umschreibung der Art der erfassten Termingeschäfte. Die Anschaffung einer Option und der Ausgang des Optionsgeschäfts seien grundsätzlich als eine wirtschaftliche Einheit zu beurteilen.
Folglich stellten die Anschaffungskosten der nicht ausgeübten Optionen einen steuerlich berücksichtigungsfähigen Verlust i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a i.V.m. § 20 Abs. 4 S. 5 EStG dar, der nach § 20 Abs. 6 S. 2 EStG nur innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu verrechnen sei (entgegen BMF in den Schreiben vom 09.12.2012 und vom 27.03.2013). Dies entspreche auch dem verfassungsrechtlichen Gebot der Beststeuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und dem Gebot der Folgerichtigkeit des Art. 3 GG. Schließlich werde die Leistungsfähigkeit des Optionskäufers auch im Falle der Nichtausübung der Option in Höhe der vergeblich aufgewandten Optionsprämien gemindert.
Die entstandenen Schuldzinsen können aufgrund von § 20 Abs. 9 EStG nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend gemacht werden.
Betroffene Normen
§ 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG, § 20 Abs. 4 S. 5 EStG, § 20 Abs. 9 EStG
Streitjahr 2010
Vorinstanz
Finanzgericht Thüringen, Urteil vom 09.10.2013, 3 K 1059/11, EFG 2014, S. 1305
Fundstellen
BFH, Urteil vom 12.01.2016, IX R 48/14
siehe auch:
BFH, Urteil vom 12.01.2016, IX R 49/14
BFH, Urteil vom 12.01.2016, IX R 50/14
Weitere Fundstellen
BMF, Schreiben vom 09.10.2012, BStBl. I 2012, S. 953
BMF, Schreiben vom 27.03.2013, BStBl. I 2013, S. 403
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