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15.05.2014
Private Einkommensteuer

BFH: Nachträgliche Schuldzinsen aus VuV auch nach nicht steuerbarer Veräußerung abzugsfähig

Das BMF hat mit Schreiben vom 27.07.2015 die Grundsätze des BFH-Urteils vom 08.04.2014 übernommen, mehr siehe unter Anmerkungen.
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Schuldzinsen, die auf Verbindlichkeiten entfallen, die im Zusammenhang mit Einkünften aus VuV standen, können grundsätzlich auch nach einer nicht steuerbaren Veräußerung der Immobilie als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können. Dies kann auch für auf ein Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen gezahlte Schuldzinsen gelten.

Sachverhalt

Der Kläger war mit zwei weiteren Gesellschaftern (A und B) an einer GbR beteiligt, die im Jahr 1996 ein Mehrfamilienhaus errichtete, welches der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung diente. Im Jahr 2007 wurde das Mehrfamilienhaus veräußert. Die Veräußerung war nicht steuerbar, da sie nach Ablauf der Spekulationsfrist (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) erfolgte. Der Veräußerungsgewinn reichte nicht aus, um das zur Errichtung des Mehrfamilienhauses aufgenommene Darlehen zu tilgen. Gesellschafter A tilgte einen Teil des verbliebenen Darlehens.

Zur Finanzierung der von dem Kläger übernommenen Darlehensrestschuld nahm er ein neues Darlehen auf. Die dafür gezahlten Zinsen machte er für die Streitjahre 2009 und 2010 als (nachträgliche) Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Das Finanzamt folgte dem mit der Begründung nicht, dass die nicht steuerbare Veräußerung des Mehrfamilienhauses den (nachträglichen) Werbungskostenabzug ausschließe. Die hiergegen erhobene Klage war erfolgreich.

Entscheidung

Auf ein (umgeschuldetes) Anschaffungsdarlehen gezahlte nachträgliche Schuldzinsen können auch im Fall einer nicht steuerbaren Veräußerung der vormals vermieteten Immobilie grundsätzlich als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden.

Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG Aufwendungen (z.B. Schuldzinsen) zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Ein steuerrechtlich anzuerkennender wirtschaftlicher Zusammenhang von Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sei nach der ständigen BFH-Rechtsprechung gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der Überlassung eines Vermietungsobjektes zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung gemacht werden. Mit der erstmaligen (d.h. tatsächlichen) Verwendung einer Darlehensvaluta zur Anschaffung eines Vermietungsobjektes werde die maßgebliche Verbindlichkeit diesem Verwendungszweck unterstellt (vgl. BFH-Urteil vom 20.06.2012).

Das Urteil des BFH knüpft an das Urteil vom 20.06.2012 an, mit dem der BFH den nachträglichen Schuldzinsenabzug auch schon im Falle einer nach § 23 EStG steuerbaren Veräußerung zugelassen hatte (siehe auch BMF-Schreiben vom 28.03.2013 und vom 15.01.2014). Der BFH erweitert nun die Möglichkeit des Schuldzinsenabzugs: ein solcher sei grundsätzlich auch nach einer nicht steuerbaren Veräußerung der Immobilie möglich.

Ein einmal begründeter (und zwischenzeitlich auch nicht aus anderen Gründen weggefallener) wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang eines Darlehens mit Einkünften i.S. des § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG entfalle nicht allein deshalb, weil die mit den Darlehensmitteln angeschaffte Immobilie veräußert werde. Der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang zwischen dem Darlehen und den Einkünften aus der Vermietung setze sich auch nach der Veräußerung fort. Es komme nicht darauf an, ob die Immobilie steuerpflichtig oder – außerhalb der „Spekulationsfrist“ gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG – nicht steuerbar veräußert werde. Entscheidend sei, ob und inwieweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können.

Es komme daher maßgeblich auf die Verwendung des Veräußerungspreises an. Reiche der Veräußerungspreis zur Tilgung der Schulden aus, dann ende der wirtschaftliche Zusammenhang unabhängig davon, ob das Darlehen getilgt werde, oder ob dies entgegen dem sog. „Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung“ unterbleibe. Wenn das Darlehen trotz eines ausreichend hohen Verkaufserlöses nicht getilgt werde, überlagere diese privat motivierte Entscheidung den grundsätzlich fortbestehenden Veranlassungszusammenhang. Reiche der Verkaufserlös dagegen – wie vorliegend – nicht aus, bleibe in Höhe des nicht ablösbaren Teils des Darlehens der Veranlassungszusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bestehen.

Dies gelte auch, wenn der Steuerpflichtige später ein neues Darlehen zur Umschuldung aufnehme. Habe das „Altdarlehen“ der Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts gedient, diene auch das umgeschuldete „Neudarlehen“ – wirtschaftlich gesehen – noch immer der Finanzierung dieser Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, soweit die Valuta des Umschuldungsdarlehens nicht über den abzulösenden Restdarlehensbetrag hinausgehe.

Der Kläger habe das ursprüngliche Darlehen zwar nicht selbst aufgenommen. Allerdings war er an der vermögensverwaltenden Personengesellschaft beteiligt, die das Darlehen aufgenommen hatte. Ihm sei daher das durch die Einkünfteerzielung veranlasste Darlehen nach der Beendigung der Gesellschaft grundsätzlich in dem gleichen Umfang zuzurechnen, in dem ihm vormals auch Einkünfte anteilig zuzurechnen waren.

Das FG-Urteil sei aufzuheben, da die bisherigen Feststellungen des FG keinen Schluss darüber zuließen, ob die geltend gemachten Schuldzinsen als (nachträgliche) Werbungskosten zu berücksichtigen seien.

Betroffene Norm

§ 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, § 9 Abs. 1 S. 1 EStG
Streitjahre 2009, 2010

Anmerkungen

BMF-Schreiben vom 27.07.2015
Mit Schreiben vom 27.07.2015 hat das BMF zu Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach Veräußerung des Mietobjekts oder nach Wegfall der Einkünfteerzielungsabsichtwie folgt Stellung genommen: Schuldzinsen, die auf Verbindlichkeiten entfallen, welche der Finanzierung von Anschaffungskosten oder Herstellungskosten einer zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzten Immobilie dienten, können nach deren Veräußerung weiter als nachträgliche Werbungskosten abgezogen werden, wenn und soweit die Verbindlichkeiten nicht durch den Veräußerungserlös hätten getilgt werden können (BFH-Urteil vom 20.06.2012, siehe Deloitte Tax-News). Voraussetzung ist, dass die Absicht, (weitere) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, nicht bereits vor der Veräußerung der Immobilie aus anderen Gründen weggefallen ist (BFH-Urteil vom 21.01.2014, siehe Deloitte Tax-News). Es ist für den Werbungskostenabzug unmaßgeblich, ob die Veräußerung innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist erfolgt und steuerbar ist (siehe vorliegendes BFH-Urteil vom 08.04.2014).

Vorinstanz

Niedersächsische Finanzgericht, Urteil vom 30.08.2013, 11 K 31/13

Fundstelle

BFH, Urteil vom 08.04.2014, IX R 45/13
Pressemittelung Nr. 37 vom 14.05.2014

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 11.02.2014, IX R 42/13
BFH, Urteil vom 06.12.2005, VIII R 34/04, BStBl II 2006, S. 265
BFH, Urteil vom 21.01.2014, IX R 37/12, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 20.06.2012, IX R 67/10, BStBl II 2013, S. 275, siehe Deloitte Tax-News
BMF, Schreiben vom 15.01.2014, siehe Deloitte Tax-News
BMF, Schreiben vom 28.03.2013, IV C 1 - S 2211/11/10001 :001

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