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22.08.2011
Private Einkommensteuer

BFH: Kosten für Erststudium und Erstausbildung steuerlich absetzbar

Kosten eines Studiums und einer Ausbildung können auch dann als Werbungskosten geltend gemacht werden, wenn der Steuerpflichtige diese Ausbildung unmittelbar im Anschluss an seine Schulausbildung aufgenommen hat. Die Ausbildungskosten müssen hinreichend konkret und durch die spätere Berufstätigkeit veranlasst sein. Der Werbungskostenabzug ist weiterhin vorrangig vor dem Sonderausgabenabzug.

Sachverhalt

In zwei Urteilen war es streitig, ob die Kosten für die berufliche Erstausbildung (Ausbildung zum Piloten, VI R 38/10) und für das Erststudium (Medizinstudium, VI R 7/10) unmittelbar nach Schulabschluss zu den vorweggenommenen Werbungskosten führen und in voller Höhe abziehbar sein können. Die Finanzämter lehnten die beantragten Verlustfeststellungen ab. Die Aufwendungen seien nicht abziehbar, wenn sie nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Dieser Auffassung folgten auch die Finanzgerichte.

Entscheidung

Die eingelegten Revisionen der Kläger waren erfolgreich und führen zur Aufhebung der FG-Urteile. Die Finanzgerichte haben die Aufwendungen der Kläger für deren Ausbildung bzw. Studium zu Unrecht vom Abzug als (vorweggenommene) Werbungskosten ausgeschlossen.

Werbungskosten liegen vor, wenn sie durch den Beruf oder durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind (§ 9 EStG, Veranlassungsprinzip). Es muss ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf bestehen und die Aufwendungen müssen subjektiv zur Förderung des Berufs geleistet werden (BVerfG-Urteil vom 09.12.2008, BFH-Beschluss vom 21.09.2009). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige gegenwärtig noch keine Einnahmen erzielt. Dann sind die Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen (BFH-Urteile vom 18.04.1996 und 19.04.1996).

Der Werbungskostenabzug ist gegenüber dem Abzug von Aufwendungen als Sonderausgaben vorrangig (§ 10 Abs. 1 S. 1 EStG). Dieser Vorrang gilt unverändert auch nach der Einführung des § 12 Nr. 5 EStG im Jahr 2004 (Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21.07.2004, BGBl I 2004, S. 1753). Nach § 12 Nr. 5 EStG (nicht abzugsfähige Ausgaben) sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium insoweit nicht abziehbar, als in § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht etwas anderes bestimmt ist. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG bestimmt jedoch, dass Aufwendungen nur dann als Sonderausgaben abziehbar sind, wenn nicht der vorrangige Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzug zur Anwendung kommt. Deshalb sind Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung auch unter Geltung des § 12 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abziehbar, sofern ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang zwischen den Aufwendungen und der späteren auf Einkünfteerzielung gerichteten Berufstätigkeit besteht.

Der erkennende Senat hält nicht mehr an der in seinem Urteil vom 18.06.2009 vertretenen - dort allerdings nicht entscheidungserheblichen - Auffassung fest, wonach § 12 Nr. 5 EStG in typisierender Weise bestimme, dass Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung noch nicht mit einer konkreten beruflichen Tätigkeit und hieraus fließenden Einnahmen im Zusammenhang stehen. Denn diese Auffassung findet keine hinreichende Grundlage im Wortlaut der Norm.

Nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsgrundsätze sind die vom Kläger (VI R 38/10) geleisteten Aufwendungen für seine Ausbildung zum Berufspiloten dem Grunde nach vorweggenommene Werbungskosten. Es besteht ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang zwischen diesen Aufwendungen zur Ausbildung als Pilot und der nachfolgenden Berufstätigkeit des Klägers als Pilot und den daraus erzielten Einkünften.

Auch können die Aufwendungen für ein im Anschluss an das Abitur durchgeführtes Studium (VI R 7/10) als vorab entstandene Werbungskosten anzuerkennen sein. Ein beruflicher Veranlassungszusammenhang ist regelmäßig gegeben, wenn das Studium Berufswissen vermittelt und damit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist (s. dazu u.a. BFH-Urteil vom 18.06.2009).

Beide Finanzgerichte haben - aus ihrer Sicht zu Recht - zu den einzelnen von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen noch keine Feststellungen getroffen. Die angefochtenen Urteile waren daher aufzuheben und die Sache jeweils an die Finanzgerichte zurückzuverweisen.

Ergänzung

BFH-Urteil vom 28.07.2011
Der BFH hat in einem weiteren Urteil vom 28.07.2011 entschieden, dass Aufwendungen einer erstmaligen Berufsausbildung als (vorweggenommene) Werbungskosten anzuerkennen sind, wenn sie in einem hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zur nachfolgenden auf die Erzielung von Einkünften gerichteten Berufstätigkeit stehen. Allein die Möglichkeit, dass diese Berufstätigkeit später auch im Ausland ausgeübt werden könnte, begründet noch keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang (§ 3c Abs. 1 1. HS EStG) zwischen den Berufsausbildungskosten und später tatsächlich erzielten steuerfreien Auslandseinkünften.

Betroffene Norm

§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG, § 10 Abs. 1 S. 1 EStG, § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG, § 12 Nr. 5 EStG
Streitjahre 2004 und 2005 (VI R 7/10), Streitjahr 2004 (VI R 38/10)

Anmerkungen

Das FG Münster hat die Kosten für ein Erststudium nicht als Werbungskosten anerkannt, sondern nur als Sonderausgaben berücksichtigt, da das Studium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattgefunden hat.  er BFH hat das Urteil aufgehoben und an das FG zurückverwiesen. Lt. BFH besteht auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang zwischen dem Studium der Klägerin und ihrer nachfolgenden Berufstätigkeit als Diplomkauffrau. Das FG hat noch festzustellen, ob und welche Aufwendungen der Klägerin im Einzelnen tatsächlich entstandenen und durch die angestrebte Berufstätigkeit veranlasst waren und welche Einnahmen die Klägerin in dem Veranlagungszeitraum erzielt hatte. 
BFH, Urteil vom 15.09.2011, VI R 15/11, nicht amtlich veröffentlicht, siehe Deloitte Tax-News.

Vorinstanzen

Finanzgericht Baden-Württemberg, Entscheidung vom 19.01.2010, 11 K 4253/08, EFG 2010, S. 788 (zu BFH-Urteil VI R 5/10) 
Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 04.05.2010, 1 K 2357/05, EFG 2010, S. 1686 (zu BFH-Urteil VI R 38/10)
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 25.11.2009, 5 K 193/08, EFG 2010, S. 873 (zu BFH-Urteil VI R 7/10)

Fundstellen

BFH, Urteil vom 28.07.2011, VI R 5/10 
BFH, Urteil vom 28.07.2011, VI R 38/10
BFH, Urteil vom 28.07.2011, VI R 7/10

Weitere Fundstellen

BVerfG, Urteil vom 09.12.2008, 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, S. 210
BFH, Beschluss vom 21.09.2009, GrS 1/06, BStBl II 2010, S. 672, siehe Deloitte Tax-News 
BFH, Urteil vom 18.04.1996, VI R 89/93, BStBl II 1996, S. 449
BFH, Urteil vom 19.04.1996, VI R 24/95, BStBl II 1996, S. 452
BFH, Urteil vom 18.06.2009, VI R 14/07, BStBl II 2010, S. 816

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