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30.09.2011
Private Einkommensteuer

BFH: Doppelter Mietaufwand als beruflich veranlasste Umzugskosten

Wegen eines Umzugs geleistete doppelte Mietzahlungen können beruflich veranlasst und deshalb in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar sein. Sie können jedoch nur zeitanteilig, und zwar für die neue Familienwohnung bis zum Umzugstag der Familie und für die bisherige Wohnung ab dem Umzugstag der Familie, längstens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist des bisherigen Mietverhältnisses, als Werbungskosten abgezogen werden. Die Regelungen zur doppelten Haushaltsführung stehen diesem unbeschränkten Werbungskostenabzug nicht entgegen.

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Mietaufwendungen für eine neue Familienwohnung, die am Beschäftigungsort von einem Ehegatten bereits genutzt wird, bis zum Nachzug der Familie unbeschränkt abzugsfähige Werbungskosten sind.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) mietete anlässlich seines Arbeitsplatzwechsels ab 01.12.2007 eine 165 qm große 5-Zimmer-Wohnung in R an. Von dort ging der Kläger seiner Arbeit nach. Wie von Anfang an geplant zogen die Ehefrau und das Kind des Klägers am 10.02.2008 ebenfalls in diese Wohnung nach. Die bisherige Familienwohnung in E wurde aufgegeben. In der Einkommensteuererklärung für 2008 begehrte der Kläger u.a. den Abzug des gesamten Mietaufwands für die Wohnung in R für Januar und Februar 2008 als Werbungskosten. Das Finanzamt erkannte den Mietaufwand jedoch - unter Hinweis auf eine doppelte Haushaltsführung - nur anteilig für 60 qm an. Die auf vollständige Berücksichtigung dieser Mietaufwendungen gerichtete Klage wies das FG ab.

Entscheidung

Das FG hat die geltend gemachten Mietzahlungen für die Wohnung in R nicht unter dem Aspekt der unbeschränkten Abzugsfähigkeit als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG) gewürdigt. Werbungskosten sind danach Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hierzu zählen auch beruflich veranlasste Umzugskosten, zu denen auch umzugsbedingt geleistete doppelte Mietzahlungen gehören können (BFH, Urteil vom 23.05.2006). Allerdings setzt eine Berücksichtigung als Werbungskosten voraus, dass der Umzug nahezu ausschließlich beruflich veranlasst ist, also private Gründe eine allenfalls ganz untergeordnete Rolle spielen. Davon ist z.B. auszugehen, wenn der Arbeitnehmer wegen eines Arbeitsplatzwechsels seine bisherige Dienstwohnung räumen und deshalb mit seiner Familie umziehen muss oder der Arbeitnehmer umzieht, weil sich dadurch die Zeitspanne für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verringert (BFH, Urteil vom 23.05.2006). In Anwendung dieser Grundsätze sind der Umzug des Klägers und seiner Familie nach R und damit auch die umzugsbedingt geleisteten doppelten Mietzahlungen beruflich veranlasst.

Diese Mietaufwendungen können jedoch nur anteilig, und zwar für die bisherige Wohnung ab dem Umzugstag der Familie (längstens bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist des bisherigen Mietverhältnisses) und für die neue Familienwohnung bis zum Umzugstag der Familie als Werbungskosten abgezogen werden. Denn nur solange gründet der Aufwand für zwei Wohnungen auf dem beabsichtigten Familienumzug.

Die Vorschriften über den Abzug notwendiger Mehraufwendungen wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG) stehen dem unbeschränkten Abzug des Mietaufwands für die neue Familienwohnung als Umzugskosten (§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG) nicht entgegen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass diese Wohnung vor dem Familiennachzug im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt wurde. Denn in einem solchen Fall verdrängt § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG als die speziellere Norm den allgemeinen Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG jedenfalls insoweit nicht, als die Abzugsbegrenzung für Mietaufwendungen ausschließlich die doppelte Haushaltsführung betrifft. Die Unterhaltung zweier Wohnungen dient hier - anders als bei der doppelten Haushaltsführung - allein dem Zweck der Familienzusammenführung. Daher sind die Mietaufwendungen während der Umzugsphase nicht von der Sonderregelung des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG erfasst, sondern in voller Höhe nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG abziehbar.

Betroffene Norm

§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG
Streitjahr 2008

Vorinstanz

Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 21.07.2010, 6 K 428/10, EFG 2011, S. 1155

Fundstelle

BFH, Urteil vom 13.07.2011, VI R 2/11, BStBl II 2012, S. 104 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 23.05.2006, VI R 56/02, BFH/NV 2006, S. 1650

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