Streitig ist, ob der Kläger im Streitjahr 2002 einen Veräußerungsverlust i.S. des § 17 Abs. 1 EStG aus dem Verkauf von Aktien der G-AG erzielt hat.
Die Gründung der G-AG erfolgte mit einem Grundkapital von 50.000 Euro, eingeteilt in 50.000 auf den Inhaber lautenden Stückaktien. Im Folgenden stellte die G-AG verbriefte Aktienurkunden auf der Grundlage eines von der Deutschen Bundesbank herausgegebenen Mustervordrucks her. Die Urkunden wurden durchnumeriert, mit einem betragsmäßigen Wert, der als "Nennbetrag" bezeichnet wurde, versehen, von den zuständigen Organen der G-AG eigenhändig unterzeichnet und an die bis zu diesem Zeitpunkt beteiligten Aktionäre ausgegeben. Der Gesamtnennbetrag der ausgegebenen Aktienpapiere entsprach der Höhe des Grundkapitals der AG.
Im Jahr 2001 vereinbarte der Kläger mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der G-AG, sich im Umfang von 1,5 % des Grundkapitals (entsprechend 750 Aktien) als Aktionär an der Gesellschaft zu beteiligen. Der Aufsichtsratsvorsitzende der G-AG verpflichtete sich seinerseits, dem Kläger die gewünschten Aktien zum Kaufpreis von 1.200.000 DM zu verschaffen. Daraufhin erhielt der Kläger eine Aktienurkunde der Gesellschaft im "Nennbetrag" von 250 Euro sowie vier Aktienurkunden im "Nennbetrag" von (jeweils) 125 Euro ausgehändigt.
Aus der Veräußerung dieser Aktien an seine Schwester machte der Kläger einen Verlust aus einem privaten Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG geltend. Das Finanzamt erkannte diesen jedoch nicht an, mit der Begründung, dass kein Gesellschaftsverhältnis zu der G-GmbH begründet worden sei. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das FG ist zu Unrecht zu der Auffassung gelangt, der Kläger sei nicht Gesellschafter der G-AG geworden und habe mithin durch die Weiterveräußerung an seine Schwester keinen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG erzielen können.
Eine Veräußerung i.S. von § 17 EStG wird mit der entgeltlichen Übertragung des (zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen) Eigentums durch den Veräußerer auf den Erwerber verwirklicht. Im Streitfall ist der Kläger wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien der G-AG gewesen, denn hierfür ist im Einzelfall bereits das wirtschaftlich Gewollte und tatsächlich Durchgeführte ausschlaggebend. Nachdem eine schuldrechtliche Einigung zwischen dem Kläger und dem Aufsichtsratsvorsitzenden der G-AG hinsichtlich der Übertragung einer 1,5%-igen Beteiligung an der Gesellschaft erzielt wurde, hat der Kläger durch die Übereignung der fälschlicherweise einen Nennbetrag ausweisenden Aktien auch dinglich ein Mitgliedschaftsrecht an der G-AG erworben, welches ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden konnte.
Nach den getroffen Feststellungen des FG ist davon auszugehen, dass die Beteiligten übereinstimmend eine Gesellschafterstellung des Klägers begründen wollten und - in rechtlicher Hinsicht - Aktien als Mitgliedschaftsrechte unabhängig von ihrer zutreffenden Bezeichnung in einer verkörperten Urkunde entstehen. Denn die Verbriefung des Mitgliedschaftsrechts in Gestalt von Aktienurkunden hat lediglich deklaratorische Bedeutung; eine mögliche Unrichtigkeit der Aktie hindert den Erwerb des Mitgliedschaftsrechts nicht.
Im Rahmen der Abtretung sind die mit den Anteilen verbundenen wesentlichen Verwaltungs- und Vermögensrechte (insbesondere das Gewinnbezugs- und Stimmrecht) sowie das Risiko und die Chance von Wertveränderungen auf den Kläger übergegangen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG war der Kläger als Aktionär in die "Aktionärsliste" aufgenommen worden und hatte Gelegenheit, sein Stimmrecht auszuüben.
Der Veräußerungstatbestand des § 17 Abs. 1 S. 1 EStG ist mit der entgeltlichen Übertragung der Beteiligung auf seine Schwester verwirklicht. Das Veräußerungsgeschäft unter nahen Angehörigen hält auch dem Fremdvergleich stand.
§ 17 Abs. 1 EStG
Streitjahr 2002
Finanzgericht Münster, Urteil vom 25.02.2009, 12 K 4333/05 E,F, EFG 2010, S. 954
BFH, Urteil vom 07.07.2011, IX R 2/10, BStBl II 2012, S. 20
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