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11.06.2021
Internationales Steuerrecht

Steueroasen-Abwehrgesetz: Bundestag verabschiedet Gesetz

Aktuell:

  • Das Steueroasen-Abwehrgesetz wurde am 30.06.2021 im Bundesgesetzblatt​ verkündet und tritt in Kraft.​​​​
  • Der Bundesrat hat am 25.06.2021 dem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zugestimmt. BR-Drs. 509/21 (B)

 

Der Bundestag hat am 10.06.2021 das Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG) mit kleinen Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf verabschiedet. So erfolgten unter anderem redaktionelle Folgeanpassungen an das ATADUmsG sowie eine Klarstellung der Qualifikation von Drittstaaten-Kapitalgesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte. Weiterhin soll der Hinzurechnungsbesteuerung der Vorrang vor dem Betriebsausgabenabzugsverbot eingeräumt werden.

Bereits 1997 hat der EU Ministerrat einen Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung angenommen, um schädlichem Steuerwettbewerb entgegenzuwirken. Dabei wurde auch eine Gruppe „Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung)“ ins Leben gerufen. Diese Gruppe hat unter anderem Kriterien für eine Evaluierung von Ländern und Gebieten im Hinblick auf die Erstellung einer EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete („schwarze Liste“) erstellt. Diese EU-Liste wird einmal jährlich durch die Gruppe erstellt und dem Ministerrat zur Verabschiedung vorgelegt. Die letzte Liste stammt vom September 2020. Darüber hinaus hat die Gruppe konkrete Abwehrmaßnahmen vorgeschlagen (siehe Bericht an den Ministerrat ab S. 45).

Mit dem am 31.03.2021 verabschiedeten Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze (siehe Deloitte Tax-News) möchte die Bundesregierung die im Zusammenhang mit der Schwarzen Liste stehenden Maßnahmen, die die Gruppe „Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung)“ vorgeschlagen und die vom Ministerrat angenommen wurden, in nationales Recht umsetzen. Darüber hinaus sollen die Regelungen des Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes von 2009 überarbeitet und in das neue Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb (Steueroasen-Abwehrgesetz -StAbwG) integriert werden. Zu dem Regierungsentwurf hat der Bundesrat am 07.05.2021 Stellung genommen. Nach Beratungen im Finanzausschuss hat der Bundestag das Gesetz am 10.06.2021 mit kleinen Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf verabschiedet.

Der Bundesrat wird voraussichtlich am 25.06.2021 abschließend zu dem Gesetz beraten. Die nächsten Gesetzgebungsschritte danach wären die Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und die Verkündung im Bundesgesetzblatt. 

Gesetzesbeschluss Bundestag

Die folgenden wesentlichen Regelungen sind im Gesetzesbeschluss des Bundestages enthalten. Die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf sind kursiv gehalten.

Steueroasen-Abwehrgesetz

  • Persönlicher Anwendungsbereich: natürliche Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen
  • Sachlicher Anwendungsbereich: alle durch Bundesrecht und EU-Recht geregelten Steuern, Ausnahme: Umsatzsteuer, einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer, Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern; DBA und andere Vorschriften gelten nachrangig
  • Nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet: keine hinreichende Transparenz in Steuersachen oder betreibt unfairen Steuerwettbewerb oder Nichterfüllung der BEPS-Mindeststandards. Das BMF und das BMWi sollen die Ermächtigung erhalten, im Wege einer Rechtsverordnung eine Liste der nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiete zu benennen. Dabei sollen sie sich auch an der schwarzen Liste orientieren. Darüber hinaus soll in der Rechtsverordnung der Zeitpunkt genannt werden, ab wann ein Steuerhoheitsgebiet als nicht kooperativ gilt.
  • Betroffene Geschäftsvorfälle: Steuerpflichtiger unterhält Geschäftsbeziehungen (auch angenommene schuldrechtliche Beziehungen, gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen) oder Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet

Abwehrmaßnahmen:

  • Verbot Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug: Aufwendungen aus entsprechenden betroffenen Geschäftsvorfällen dürfen nur abgezogen werden, soweit die entsprechenden Erträge in Deutschland beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtig sind.
    Durch eine Ergänzung soll das Verbot des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs ferner nicht zur Anwendung kommen, soweit auf Grund der aus den Aufwendungen resultierenden Einnahmen ein Hinzurechnungsbetrag i.S. des § 10 Abs. 1 S. 1 AStG anzusetzen ist. Damit soll der Hinzurechnungsbesteuerung vor dem Betriebsausgabenabzugsverbot ein Vorrang eingeräumt werden.
  • Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung: sind unbeschränkt steuerpflichtige Personen an einer ausländischen Gesellschaft im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet beteiligt, so ist die ausländische Gesellschaft mit ihren sämtlichen Einkünften (wenn niedrig besteuert im Sinne des § 8 Abs. 5 AStG) als Zwischengesellschaft anzusehen.
    Eine Ausnahme davon soll nur dann gegeben sein, wenn die verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung zu niedrigeren steuerpflichtigen Einkünften führen würde als ohne deren Geltung. Durch eine weitere Anpassung bei der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die §§ 7 ff. AStG i.d.F. des ATADUmsG nicht mehr das Konzept der sog. übertragenden Zurechnung vorsehen. Darüber hinaus wurden weitere redaktionelle Folgeanpassungen an das ATADUmsG vorgenommen.
  • Quellensteuermaßnahmen: erweiterte beschränkte Steuerpflicht für Einkünfte von Steuerpflichtigen in nicht kooperativen Staaten aus Finanzierungsbeziehungen, aus Versicherungs- und Rückversicherungsleistungen, aus der Erbringung von sonstigen Dienstleistungen oder dem Handel, soweit diese Einkünfte aus Vergütungen stammen, die als Aufwendungen oder Werbungskosten bei einem anderen Steuerpflichtigen ungeachtet des Abzugsverbotes im Rahmen einer inländischen Veranlagung zu berücksichtigen wären.
    Maßnahmen bei Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen: keine Freistellung für Dividenden und Veräußerungsgewinne von Beteiligen an Gesellschaften in nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten.
  • Gesteigerte Mitwirkungspflichten: unter anderem sind spätestens ein Jahr nach Ablauf des Kalender- oder Wirtschaftsjahres Aufzeichnungen zu erstellen, zu Art und Umfang der Geschäftsbeziehung, den der Geschäftsbeziehung zugrundeliegenden Verträge, den Vereinbarungen mit Bezug zu immateriellen Werten, eingesetzten wesentlichen Vermögenswerten, der gewählten Geschäftsstrategie, zu den Gesellschaftern.
  • Anwendung: (1) das Gesetz ist ab dem 01.01.2022 anzuwenden, (2) in Bezug auf nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete, die am 01.01.2021 noch nicht auf der schwarzen Liste gestanden haben, ist eine Anwendung erst ab dem 01.01.2023 vorgesehen (3) vorbehaltlich der beiden vorgenannten Regelungen ist die verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung erstmals für den Zeitraum anzuwenden, für den Zwischeneinkünfte hinzuzurechnen sind, die in einem Wirtschaftsjahr der Zwischengesellschaft oder der Betriebsstätte entstanden sind, das nach dem 31.12.2021 beginnt.

    Im Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung des Gesetzes am 01.01.2022 können – je nach dem Beginn des Wirtschaftsjahrs der Zwischengesellschaft oder der Betriebstätte – die §§ 7 ff. AStG i.d.F. des ATADUmsG oder aber der Vorgängerfassung zur Anwendung kommen. Für diese Altfälle (d.h. Beginn des Wirtschaftsjahrs der Zwischengesellschaft etc. vor dem 01.01.2022) soll eine gesonderte Regelung entsprechend dem bisherigen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Anwendung kommen, die die bisher geltende Fassung der §§ 7 ff. AStG und auch das Konzept der übertragenden Zurechnung berücksichtigt.

Körperschaftsteuergesetz

Mit der Ergänzung in § 8 Abs. 1 S. 4 KStG soll klargestellt werden, dass auch Drittstaaten-Kapitalgesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte qualifizieren. Demnach sollen auch Leistungen (z.B. Auszahlung eines Geschäftsführergehalts) und Leistungsversprechen (z. B. Vereinbarung einer betrieblichen Altersversorgung mit dem Geschäftsführer) zwischen Körperschaften i.S. des § 1 Abs. 1 KStG mit Sitz im Ausland, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist und die nach inländischem Gesellschaftsrecht mangels Rechtsfähigkeit nicht als juristische Person zu behandeln sind, und Personen, die aus diesen Körperschaften Einkünfte im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 9 EStG erzielen, für Zwecke der Durchführung der Besteuerung nach dem Körperschaftsteuer-, dem Einkommensteuer-, dem Außensteuergesetz sowie sonstigen ertragsteuerlichen Regelungen (einschließlich des Gewerbesteuergesetzes) zu beurteilen sein. Für deren steuerliche Beurteilung sollen die allgemeinen Grundsätze einschließlich der Vorschriften über verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen nach § 8 Abs. 3 KStG gelten.

Diese Klarstellung wird insbesondere aufgrund des Ausscheidens des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der EU als erforderlich angesehen. Denn nach Ablauf der zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich vereinbarten Übergangsfrist zum 31.12.2020 ist für eine große Anzahl von nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründeten „private company limited by shares“, die ihren Ort der Geschäftsleitung im Inland haben, sowie deren zu einem Großteil inländische Anteilseigner die Frage relevant, wie die Beziehungen zwischen den Gesellschaften und ihren Gesellschaftern zu würdigen sind.

Weitere gesetzliche Regelungen

  • Die durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz 2009 eingeführten Regelungen im Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz sowie Abgabenordnung werden aufgehoben. 
  • Die Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung wird ebenfalls aufgehoben.
  • Abgabenordnung: In Zusammenhang mit den gesteigerten Mitwirkungspflichten soll die Finanzverwaltung als zusätzliche Sanktionsmaßnahme die Möglichkeit zur Festsetzung eines Zuschlages erhalten.
  • Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz: Durch eine Ergänzung des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG soll eine Regelungslücke geschlossen werden. So sollen Gesellschaften im Sinne des § 1 Abs. 1 KStG mit Sitz im Ausland, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist, und die nach inländischem Gesellschaftsrecht als Personengesellschaft zu behandeln sind, zum Verwaltungsvermögen hinzugezählt werden. Im Bewertungsgesetz wird diese Änderung ebenfalls nachvollzogen. Die entsprechenden Gesellschaften gelten auch als Gewerbetrieb im Sinne von § 95 Abs. 1 S. 1 BewG.
  • Grunderwerbsteuergesetz: Mit einer Ergänzung in § 5 GrEStG soll eine Gestaltungsmöglichkeit ausgeschlossen, nach der über eine Drittstaatsgesellschaft mit Ort der Geschäftsleitung im Inland die Steuervergünstigung des § 5 Abs. 1 oder 2 GrEStG gewährt wird und zeitgleich ohne Einhaltung der Frist nach § 5 Abs. 3 GrEStG eine Besteuerung nach dem Körperschaftsteuergesetz erreicht werden kann.​

Fundstelle

Finanzausschuss Bundestag, Beschlussempfehlung zum Regierungsentwurf eines Steueroasen-Abwehrgesetzes (so auch vom Plenum des Bundestages am 10.06.2021 umgesetzt), BT-Drs. 19/30470

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