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06.05.2011
Internationales Steuerrecht

BFH: Schachtelprivileg für brasilianische Eigenkapitalverzinsung

Ausschüttungen einer brasilianischen Kapitalgesellschaft in Form von Zinsen auf das Eigenkapital sind beim Empfänger in Deutschland als Gewinnanteile einzustufen. Sie stellen Dividenden dar (DBA-Brasilien 1975), die beim Empfänger in Deutschland von der Bemessungsgrundlage der deutschen Körperschaftsteuer ausgenommen sind (vor Halbeinkünfteverfahren).

Der BFH bestätigt die Rechtsprechung des FG und gewährt der brasilianischen Eigenkapitalverzinsung das Schachtelprivileg.
BFH, Urteil vom 06.06.2012, I R 6/11 und I R 8/11
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Sachverhalt FG

Die Klägerin (D-GmbH) hielt 1999 100 % der Gesellschaftsanteile an der S-AG mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz, deren Geschäftszweck sich auf das Halten und Verwalten von internationalen Beteiligungen beschränkte. Die S-AG ihrerseits war zu 26 % an der Produktionsgesellschaft B-SA, einer Aktiengesellschaft nach brasilianischem Recht, mit Sitz und Geschäftsleitung in Brasilien beteiligt. Am 30.11.1998 beschloss die außerordentliche Hauptversammlung der B-SA, für das zum 31.12.1998 endende Geschäftsjahr Zinsen auf das Eigenkapital an die Aktionäre auszuzahlen. Anstelle bzw. neben regulären Dividenden kann die Gesellschafterversammlung zur Auskehrung von Gewinnen die Zahlung einer Eigenkapitalverzinsung beschließen. Die steuerliche Besonderheit besteht darin, dass die ausschüttende Gesellschaft die Eigenkapitalverzinsung, anders als reguläre Gewinnausschüttungen, außerbilanziell im Rahmen der Ermittlung des steuerlichen Einkommens abziehen kann. Die ausgezahlten Zinsen auf das Eigenkapital unterliegen zudem, anders als Dividenden, in Brasilien einem 15%igen Quellensteuerabzug, der für einkommensteuerpflichtige Gesellschafter in Brasilien Abgeltungswirkung hat.

Die Generalversammlung der S-AG beschloss am 30.09.1999 eine Dividendenausschüttung an die D-GmbH. In den Bruttoerträgen der S-AG waren die Erträge aus der Beteiligung an der B-SA enthalten.

Strittig war die Frage, ob die Erträge der S-AG in Form von Zinsen auf das Eigenkapital als Dividenden anzusehen sind und damit, soweit sie quotal als Bestandteil der Gewinnausschüttung der S-AG angesehen werden können, bei der D-GmbH unter Berücksichtigung des fiktiven Direktbezuges freizustellen sind (§ 26 Abs. 5 KStG i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Buchst. c DBA-Brasilien).

Entscheidung

Das Einkommen der Klägerin ist um die anteilige Ausschüttung der S-AG zu mindern, soweit diese auf den Gewinnanteil aus der B-SA entfällt. Die Klägerin hält zivilrechtlich über die S-AG eine mittelbare Beteiligung von 26 % an der B-SA und wird so behandelt, als wenn sie die Mindestbeteiligung unmittelbar halte. Die erforderliche Beteiligungsgrenze ist erreicht (über § 8b Abs. 5 KStG in der für das Jahr 1999 geltenden Fassung wird die erforderliche Beteiligungsgrenze auf eine Quote von 10 % abgesenkt). Durch die Fiktion des § 26 Abs. 5 KStG wird die Klägerin so behandelt, als wenn sie direkt an der B-SA beteiligt wäre und die Ausschüttung direkt von dieser bezogen hätte.

Die Gewinnausschüttung der S-AG an die Klägerin ist nicht nach dem DBA-Schweiz von der Bemessungsgrundlage der deutschen Körperschaftsteuer ausgenommen, da die S-AG selbst keine aktive Tätigkeit ausübt (Art 24 DBA Schweiz i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG). Die anteilige Steuerfreistellung ergibt sich jedoch aus Art. 24 Abs. 1 Buchst. c i. V. m. Art. 10 DBA Brasilien. Danach sind Dividenden, die an eine in der Bundesrepublik ansässige Gesellschaft von einer in Brasilien ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 25 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Körperschaftsteuer ausgenommen. Die Klägerin ist zwar nicht selbst an der B-SA beteiligt, jedoch wird dies fingiert (fiktiver Direktbezug, § 26 Absatz 5 KStG i. d. F. des Gesetzes v. 22.04.1999). Nach dieser Regelung wird auf Antrag der anteilige Gewinnbezug einer Muttergesellschaft, die über eine Tochtergesellschaft mindestens zu einem Zehntel an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes (Enkelgesellschaft, aktiv i.S. § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG) mittelbar beteiligt ist, steuerlich so behandelt, als hätte sie in dieser Höhe Gewinnanteile unmittelbar von der Enkelgesellschaft bezogen. Diese Fiktion erstreckt sich nicht nur auf die Anrechenbarkeit der ausländischen Quellensteuer, sondern insgesamt auf die Besteuerung der ausländischen Einkunftsteile und führt somit auch zur Anwendung des DBA-Brasilien für die Erträge der Muttergesellschaft, die letztlich von der Enkelgesellschaft in Brasilien stammen.

Unter Gewinnanteilen sind alle Zuwendungen in Geld oder Geldeswert zu verstehen, die dem Gesellschafter aufgrund seines Gesellschaftsverhältnisses zufließen, soweit die Vorteilszuwendungen nicht als Kapitalrückzahlung zu werten sind. Unerheblich ist, ob die Bezüge zu Lasten des Gewinns oder zu Lasten der Vermögenssubstanz der Gesellschaft geleistet werden; auch kommt es nicht darauf an, in welche zivilrechtliche Form die Vorteilsgewährung gekleidet ist (BFH-Urteil vom 07.12.2004, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Nach diesen Grundsätzen sind die sog. Zinsen auf das Eigenkapital („juro sobre o capital próprio”) als Gewinnanteil zu beurteilen, da sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und nur Gesellschafter diese erhalten. Das Tatbestandsmerkmal „Gewinnanteil” der Enkelgesellschaft ist gegeben (§ 26 Abs. 5 S. 1 KStG). Auf die steuerlichen Rechtsfolgen, die der brasilianische Staat an die Ausübung des Gesellschafterwahlrechts knüpft, kommt es für die Prüfung des § 26 Abs. 5 KStG nicht an.

Die abkommensrechtliche Einordnung der Einkünfte aus der Eigenkapitalverzinsung wird in der Literatur nicht einhellig beurteilt. Die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit haben, soweit ersichtlich, hierzu noch keine Entscheidung getroffen. Für die Entscheidung, ob es sich um eine Dividende oder um einen Zins i. S. des DBA-Brasilien handelt, ist es unerheblich, welche handels- und steuerrechtlichen Folgen sich für die ausschüttende Gesellschaft aus dieser Eigenkapitalverzinsung ergeben, da die Zuordnung der Einkünfte aus der Sicht des einkunftserzielenden Empfängers zu beurteilen ist. Ebenso wenig ist entscheidend, welche steuerlichen Folgen sich nach nationalem, brasilianischem Recht für den Empfänger der Ausschüttung ergeben. Der Grundsatz der Entscheidungsharmonie kommt zur Anwendung, wenn es zu einem Qualifikationskonflikt kommen könnte, der dem Sinn und Zweck sowie der Systematik des DBA-Brasilien zuwiderlaufen könnte. Der von den Vertragsparteien vereinbarten Zuweisung der Besteuerungsrechte wird am ehesten entsprochen, wenn die Eigenkapitalverzinsung sowohl im Quellenstaat als auch im Ansässigkeitsstaat als Dividende eingeordnet wird, da die Gesellschafter der B-SA anstelle einer „normalen” Dividendenausschüttung die brasilianische Eigenkapitalverzinsung wählen.

Die Steuerfreistellung aufgrund des DBA-Brasilien entfällt nicht durch § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG, der mit dem JStG 2007 eingeführt wurde und auf alle noch nicht bestandskräftigen Veranlagungen, auch rückwirkend, angewendet werden soll (§ 52 Abs. 9a S. 6 EStG). Diese Vorschrift findet keine Anwendung, da sie nur im Falle eines Qualifikationskonflikts eingreift. Ein Qualifikationskonflikt liegt nur vor, wenn die DBA-Staaten von unterschiedlichen Sachverhalten ausgehen oder den Vorgang unter unterschiedliche DBA-Bestimmungen subsumieren und es deshalb zu einer doppelten Begünstigung kommt. Im Streitfall hat Brasilien jedoch sowohl für Dividenden als auch für Zinsen nur ein beschränktes Besteuerungsrecht. Brasilien ist nicht aufgrund seiner Einordnung in die DBA-Regelungen daran gehindert, einen höheren Steuersatz anzuwenden. Eine Begünstigung in Brasilien durch eine abweichende Anwendung des DBA liegt in Brasilien deshalb nicht vor. Die dortige Besteuerung der Verzinsung des Eigenkapitals ist im Gegenteil für den Anteilseigner ungünstiger als die nationale Besteuerung von „normalen” Dividenden.

Betroffene Normen

Art 10 und 24 DBA-Brasilien 1975, § 20 EStG, § 50d EStG i. d. F. des JStG 2007, § 26 Abs. 5 KStG 1999, § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG
Streitjahr 1999

Anmerkungen

Mit Urteil vom 14.12.2010 (1 K 1985/2008) hat das FG Nürnberg entschieden, dass die Ausschüttungen einer brasilianischen Kapitalgesellschaft in der Form von Zinsen auf das Eigenkapital beim Empfänger in Deutschland als Gewinnanteile i. S. von § 9 Nr. 7 S. 1 GewStG einzustufen sind und sich die Steuerfreistellung auch auf die Gewerbesteuer erstreckt. Dieses Verfahren wurde mit BFH-Urteil I R 8/11 entschieden.

Fundstelle

Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 14.12.2010, 1 K 1955/2008, IStR 2011, S. 229; BFH-Urteil I R 6/11

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 07.12.2004, VIII R 70/02, BStBl II 2005, S. 468

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