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16.06.2016
Internationales Steuerrecht

FG Düsseldorf: Konkretisierung der Voraussetzungen für das Vorliegen einer Dienstleistungsbetriebsstätte

Eine ständige Einrichtung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 DBA-Niederlande ist nur dann anzunehmen, wenn sie dem Unternehmer für seine Tätigkeit ständig zur Verfügung steht und auch während seiner Abwesenheit dazu bestimmt ist, der jeweiligen Berufstätigkeit zu dienen. Daher ist insbesondere eine eigene Zugangsberechtigung zum Arbeitsraum erforderlich.

Sachverhalt

Der Kläger, ein in Deutschland ansässiger, unbeschränkt steuerpflichtiger IT-Dienstleister, erzielte im Streitjahr 2008 Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG), wobei der Großteil der Betriebseinnahmen aus Zahlungen einer niederländischen Firma resultierte („strittige Einkünfte“).

Der Kläger war der Auffassung, dass den Niederlanden nach Art. 9 Abs. 2 DBA-Niederlande das Besteuerungsrecht für diese strittigen Einkünfte zustünde, da er bei der niederländischen Firma eine feste Einrichtung im abkommensrechtlichen Sinne unterhalten habe. Hierzu trug der Kläger u.a. vor, der niederländische Auftraggeber habe ihm dort einen Arbeitsraum sowie sämtliche notwendigen Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt und den Zugang zu den dortigen IT-Anlagen ermöglicht.

Nach Auffassung des Finanzamts war von einer ständigen Einrichtung nicht auszugehen, da der Arbeitsraum weder im Eigentum des Klägers gestanden habe noch sei er von diesem angemietet gewesen. Zudem habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass er über ein exklusives Nutzungsrecht an dem Raum verfügt habe.

Entscheidung

Das FG wies die Klage als unbegründet zurück. Das Besteuerungsrecht der streitbefangenen Einnahmen stehe – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht den Niederlanden zu.

Das in Art. 9 Abs. 2 DBA-Niederlande verwendete, aber nicht definierte Tatbestandsmerkmal der „ständigen Einrichtung“ korrespondiere nach der BFH-Rechtsprechung mit dem abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriff und der Betriebsstätte i.S.v. § 12 S. 1 AO (BFH-Urteil vom 02.12.1992, I R 77/91). Nach herrschender Auffassung sei daher eine ständige Einrichtung nur dann anzunehmen, wenn sie u.a. von gewisser Dauer ist und der Steuerpflichtige über sie nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (BFH-Urteil vom 02.12.1992).

Unter Heranziehung der BFH-Rechtsprechung sei das Kriterium der Verfügungsmacht im Streitfall zu verneinen, da der Kläger nicht über einen eigenen Schlüssel für den Arbeitsraum verfügt habe und somit über keine eigene Zutrittsberechtigung. Er habe sich vielmehr nur „wie ein Gast“ in einem fremden Unternehmen bewegen dürfen und habe somit keine Rechtsposition inne gehabt, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht mehr ohne weiteres habe entzogen werden können (BFH-Urteil vom 17.03.1982, I R 189/79). Eine bloße Berechtigung zur Nutzung eines Raumes im Interesse eines anderen sowie die bloße tatsächliche Mitbenutzung begründeten für sich genommen noch keine Betriebsstätte (BFH-Urteil vom 11.10.1989, I R 77/88). Dies gelte selbst dann, wenn die Tätigkeit zeitlich wiederholt oder sogar dauerhaft erbracht werde (BFH-Urteil vom 04.06.2008, I R 30/07).

Weiter fehle es an einer „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der Tätigkeit (BFH-Urteil vom 04.06.2008, das die frühere großzügigere Rechtsprechung im Urteil vom 14.07.2004, I R 106/03 überholt). Die vom BFH geforderte Ausstattung des Raumes mit eigenen Betriebsmitteln sei nicht gegeben, da der Raum nach Zeugenaussage wie ein normaler Büroraum ausgestattet gewesen sei (der Zugriff auf das Computersystem erfolgte mit üblichem Kabelanschluss ohne besondere Zugriffsmöglichkeit) und der Kläger die für seine Arbeit erforderlichen Computer selbst mitgebracht und nach Beendigung seiner Tätigkeit wieder mitgenommen habe.

Zudem sei der Raum während der Abwesenheit des Klägers nicht für ihn vorgehalten worden. Zwar sei eine dauerhafte Benutzung für die Annahme einer festen Einrichtung nicht erforderlich, jedoch müsse die Einrichtung auch während der Abwesenheit des Klägers dazu bestimmt sein, seiner Berufstätigkeit zu dienen. Dies sei der Fall, wenn die Einrichtung entweder ausschließlich für ihn vorgehalten werde oder wenn die Einkünfte, die dort während seiner Abwesenheit erwirtschaftet würden, seiner selbständigen Arbeit zuzurechnen seien (BFH-Urteil vom 28.06.2006, I R 92/05). Dies sei nicht der Fall gewesen, da der Raum in der Abwesenheit des Klägers nach Zeugenaussage u.a. als Besprechungszimmer genutzt wurde.

Auch wenn im Übrigen in vorliegendem Fall das allgemein anerkannte, zeitliche Mindestanfordernis von sechs Monaten (BFH-Urteil vom 19.05.1993, I R 80/92) für das Vorliegen einer Betriebsstätte als erfüllt anzusehen sei, komme es hierauf mangels Verfügungsmacht nicht an.

Betroffene Normen
§ 1 Abs. 1 S. 1 EStG, § 18 EStG, Art. 9 Abs.2 DBA-NL
Streitjahr 2008

Fundstelle
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2016, 13 K 952/14 E

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 02.12.1992, I R 77/91, BFHE 170, S.126
BFH, Urteil vom 17.03.1982, I R 189/79, BStBl. II 1982, S. 624
BFH, Urteil vom 04.06.2008, I R 30/07, BStBl. II 2008, S. 922
BFH, Urteil vom 14.07.2004 I R 106/03, BFH/NV 2005, S. 154
BFH, Urteil vom 11.10.1989, I R 77/88, BStBl. II 1990, S. 166
BFH, Urteil vom 28.06.2006, I R 92/05, BStBl. II 2007, S. 100
BFH, Urteil vom 19.05.1993, I R 80/92, BStBl. II 1993, S. 655

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