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29.01.2016
Internationales Steuerrecht

FG Düsseldorf: Entstrickungsbesteuerung ist unionsrechtskonform

Die Entstrickungsregelungen bei Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte sind mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar. Auch ist deren rückwirkende Anwendung nicht verfassungswidrig.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, welche im Streitjahr 2005 Patent-, Marken- und Gebrauchsmusterrechte auf ihre niederländische Betriebsstätte übertrug. Das Finanzamt stellte im Rahmen einer Betriebsprüfung fest, dass die Überführung der Rechte gemäß Tz. 2.6.1 der Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze (BMF-Schreiben vom 24.12.1999) unter Aufdeckung der stillen Reserven mit dem Fremdvergleichswert im Zeitpunkt der Überführung erfolgen müsse. Der Wert der stillen Reserven sei jedoch aus Billigkeitsgründen durch einen Merkposten in gleicher Höhe zu neutralisieren, welcher linear über einen Zeitraum von zehn Jahren gewinnerhöhend aufzulösen sei. Hiergegen wendete sich die Klägerin mit erfolglosem Einspruch.

Entscheidung

Das Finanzamt sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin mit der Überführung der Rechte in ihre niederländische Betriebsstätte Wirtschaftsgüter i.S. des § 4 Abs. 1 S. 3 und 4 EStG i.d.F. des SEStEG und JStG 2010 entnommen habe und der Wert dieser Entnahmen bei der Berechnung des Gewinns der Klägerin im Streitjahr zu berücksichtigen sei.

Weder die rückwirkende Anwendung der sog. Entstrickungsregelungen (§ 4 Abs. 1 S. 3 und 4 EStG 2010) auf das Streitjahr 2005 sei verfassungswidrig noch seien diese in Verbindung mit der in Tz. 2.6.1 des BMF-Schreibens vom 24.12.1999 enthaltenen Billigkeitsregelung mit der in Art. 49 AEUV garantierten Niederlassungsfreiheit unvereinbar.

Zunächst ordnet § 52 Abs. 8b S. 3 EStG seit 2010 an, dass § 4 Abs. 1 S. 4 EStG in allen Fällen gilt, in denen auch § 4 Abs. 1 S. 3 EStG anzuwenden ist, d. h. gemäß § 52 Abs. 8b S. 1 EStG für alle nach dem 31.12.2005 endenden Wirtschaftsjahre. Die Sätze 3 und 4 von § 4 Abs. 1 EStG sind damit grundsätzlich ab dem Wirtschaftsjahr 2006 anwendbar. Der gleichzeitig eingefügte § 52 Abs. 8b S. 2 EStG erstreckt die Anwendbarkeit von § 4 Abs. 1 S. 3 EStG – und damit mittelbar auch von Satz 4 – jedoch unbegrenzt auf frühere Wirtschaftsjahre, und zwar u.a. für die Fälle, in denen ein bisher einer inländischen Betriebsstätte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut in eine ausländische Freistellungsbetriebsstätte überführt wird.

Die Regelung des § 52 Abs. 8b S. 2 und 3 EStG verstoße nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Zwar handele es sich bei dieser Vorschrift um eine Norm, der in formaler Hinsicht echte Rückwirkung zukomme und die aus verfassungsrechtlicher Sicht gegenüber der alten Rechtslage als konstitutive Änderung zu behandeln sei. Diese Rückwirkung sei aber zulässig. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin auf eine hiervon abweichende Rechtslage konnte sich bis zum Streitjahr 2005 nicht bilden, da die höchstrichterliche Rechtsprechung zur finalen Entnahmetheorie auf einer jahrzehntelangen Praxis beruhte. Die bis dahin geltende Rechtslage wollte der Gesetzgeber 2006 mit der Einfügung von § 4 Abs. 1 S. 3 EStG bestätigen.

Auch die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV stehe den im Streitfall zur Anwendung kommenden Entstrickungsregelungen nicht entgegen. Dies habe der EuGH in seinem Urteil vom 21.05.2015 entschieden (siehe ausführliche Urteilsbesprechung in den Deloitte Tax-News).

Betroffene Norm

§ 4 Abs. 1 S. 3 und 4 EStG, § 52 Abs. 8b S. 2 EStG, Art. 49 AEUV
Streitjahr 2005

Vorinstanz

EuGH, Urteil vom 21.05.2015, C-657/13, DStR 2015, S. 1166, siehe Deloitte Tax-News
FG Düsseldorf, Vorlagebeschluss vom 05.12.2013, 8 K 3664/11 F

Fundstelle

FG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2015, 8 K 3664/11 F, BFH-anhängig: I R 99/15

Weitere Fundstelle

 BMF, Schreiben vom 24.12.1999, IV B 4 - S 1300 - 111/99

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