Aktuell: Am 12.07.2016 wurde die Richtlinie im ECOFIN formell beschlossen.
Am 17.06.2016 erreichten die Mitgliedstaaten im ECOFIN eine politische Einigung über die Anti-Tax-Avoidance Directive, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, bis Ende 2018 bestimmte Missbrauchsverhinderungsmaßnahmen umzusetzen.
Die EU-Kommission hatte am 28.01.2016 den ersten offiziellen Entwurf einer Richtlinie gegen BEPS vorgestellt (siehe Deloitte Tax-News).
Obwohl grundsätzlich die gleichen Themen wie im OECD-Aktionsplan gegen BEPS behandelt wurden, gab es in einigen Fällen abweichende Umsetzungen. Es handelte sich um eine de minimis-Richtlinie, es steht den Mitgliedstaaten also grundsätzlich frei, strengere Regeln zu erlassen.
Am 17.06.2016 einigten sich die ECOFIN-Minister auf den Entwurf einer Richtlinie „mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts“. Die Richtlinie soll auf alle Steuerpflichtigen – einschließlich Betriebsstätten von Unternehmen aus Drittstaaten – anwendbar sein, wenn diese in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Körperschaftsteuer unterliegen.
Die Richtlinie enthält Vorgaben an die Mitgliedstaaten, in folgenden Bereichen Missbrauchsverhinderungsvorschriften zu erlassen:
Bei diesen Vorgaben handelt es sich um Mindeststandards, die Mitgliedstaaten dürfen also strengere Vorschriften erlassen bzw. beibehalten. Hierbei sind allerdings die Vorgaben des Primärrechts, namentlich die EU-Grundfreiheiten zu beachten. Dort, wo nationale Vorschriften hinter den Vorgaben zurückbleiben, sind die Mitgliedstaaten nach Art. 288 AEUV allerdings verpflichtet, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen; die hierfür vorgesehene Umsetzungsfrist endet am 31.12.2018.
Zinsabzugsbeschränkungen
Wie bereits im Kommissionsvorschlag vom 28.01.2016 orientiert sich die Zinsabzugsbeschränkung stark an der deutschen Zinsschranken Regelung – Grundregel: der Nettozinsaufwand ist nur bis zur Höhe von 30% des EBITDA abziehbar. Allerdings gibt es im Vergleich zum Vorschlag vom 28.01.2016 einige Änderungen, durch die insgesamt eine weitere Annäherung an die deutsche Regelung erfolgt.
Die Richtlinie sieht die Möglichkeit vor, in bestimmten Fällen die Abzugsbeschränkung nicht anzuwenden:
Im letztgenannten Fall sollen die Einkünfte aus dem EU-Infrastrukturprojekt nicht beim EBITDA berücksichtigt werden, entsprechend soll der Nettozinsaufwand nicht bei der Bestimmung der „Konzernquote“ im Rahmen der „Group Ratio Rule“ der OECD (s.u.) berücksichtigt werden.
Steuerpflichtige, die Teil eines konsolidierten Konzerns sind, kann die Möglichkeit gegeben werden entweder
Für nicht abziehbare Zinsen bzw. nicht genutztes EBITDA sieht der Vorschlag alternativ folgende Möglichkeiten vor:
Bei Finanzunternehmen („financial undertakings“ (entsprechend der Richtliniendefinition z. B. Kreditinstitute oder (Rück-)Versicherer)), auch solche, die Teil eines – nach IFRS oder nationalem Recht – konsolidierten Konzerns sind, können die Mitgliedstaaten von der Anwendung der Zinsabzugsbeschränkung absehen.
Wegzugsbesteuerung (Exit Tax)
Die Regelungen entsprechen überwiegend den Vorschlägen aus dem Richtlinienentwurf vom 28.01.2016; erfasst werden sollen demnach:
Bei Überführungen oder Verlagerungen in andere EU-Mitgliedstaaten oder einen EWR-Staat (dort nur unter der Voraussetzungen, dass Beitreibungshilfe gewährleistet ist) müssen die Mitgliedstaaten eine Ratenzahlung über 5 Jahre für die „Wegzugssteuer“ ermöglichen. Die Mitgliedstaaten können unter bestimmten Voraussetzungen Zinsen oder Sicherheitsleistungen verlangen. Bei Eintritt bestimmter Bedingungen (u.a. Verkauf des verlagerten Wirtschaftsguts, Verlagerung in einen Drittstaat), sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Ratenzahlungsmöglichkeit unverzüglich zu beenden und den ausstehenden Steuerbetrag einzutreiben.
Die Regelung zur Wegzugsbesteuerung soll nicht bei lediglich temporären Verlagerungen (Dauer von nicht mehr als 12 Monaten) angewendet werden, wenn es sich bei den verlagerten Wirtschaftsgütern um solche handelt, mit denen Wertpapiere finanziert wurden, die als Sicherheit dienten oder wenn der Transfer der Einhaltung aufsichtsrechtlicher Eigenkapitalanforderungen oder der Liquiditätssteuerung diente.
Bei Bewegungen innerhalb der EU soll der Zuzugsstaat den gemeinen Wert im Zeitpunkt des Zuzugs als „Anfangswert“ des Wirtschaftsgutes anerkennen.
Switch-Over-Klausel
Die in dem Vorschlag vom 28.01.2016 enthaltene Switch-Over-Klausel ist nicht mehr enthalten. Sie wurde im Zuge der Diskussionen Ende Mai (Ratsdokument 9520/16) gestrichen. Allerdings beinhalten die Vorgaben zur Hinzurechnungsbesteuerung weiterhin die Verpflichtung, bei ausländischen Betriebsstätten eine (Hinzurechnungs-)Besteuerung vorzunehmen, wenn die dortigen Voraussetzungen erfüllt sind.
Allgemeine Missbrauchsvermeidungsvorschrift (General Anti-Abuse Rule, GAAR)
Die allgemeine Missbrauchsvermeidungsvorschrift entspricht weitestgehend dem Vorschlag vom 28.01.2016, ähnelt also weiterhin § 42 AO. Die Mitgliedstaaten sollen künstliche Gestaltungen steuerlich ignorieren, wenn deren wesentlicher Zweck die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist, der nicht vorgesehen ist, und es für die Gestaltung keine beachtlichen wirtschaftlichen Gründe gibt, die die ökonomische Wirklichkeit abbilden. Die Steuer soll dann entsprechend der wirtschaftlichen Substanz nach den nationalen Gesetzen berechnet werden.
Hinzurechnungsbesteuerung
In Bezug auf die Hinzurechnungsbesteuerung gab es bis zuletzt Diskussionen im Rat, insbesondere was ihre Anwendung innerhalb der EU angeht. Die nun beschlossene Fassung der Richtlinie weicht daher im Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung in einigen Punkten vom Entwurf vom 28.01.2016 ab.
An der grundsätzlichen Ausrichtung hat sich dabei aber nichts geändert: Die Mitgliedstaaten sind künftig verpflichtet, bestimmte nicht ausgeschüttete Gewinne von ausländischen Gesellschaften oder Betriebsstätten zu besteuern. Die Voraussetzungen für eine Hinzurechnungsbesteuerung ähneln den deutschen Regeln:
Außerdem muss die (Zwischen-)Gesellschaft oder Betriebsstätte bestimmte – passive oder durch eine künstliche Gestaltung erzeugte – Einkünfte erzielen.
Die Gewinne des ausländischen Unternehmens sollen nach dem Rechts des Ansässigkeitsstaates des Steuerpflichtigen berechnet werden; Verluste sollen dem Steuerpflichtigen nicht zugerechnet werden, aber von der (Zwischen-)Gesellschaft oder Betriebsstätte vorgetragen und in späteren Jahren berücksichtigt werden können. Die Gewinne sollen den Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Beteiligung zugerechnet werden; das Einkommen soll in dem Steuerjahr berücksichtigt werden, in dem das Steuerjahr der ausländischen Gesellschaft endet. Zur Vermeidung von Doppelbesteuerung sollen die hinzugerechneten Beträge im Falle einer Gewinnausschüttung der ausländischen Gesellschaft oder wenn die Anteile an der (Zwischen-)Gesellschaft oder der Betrieb der Betriebsstätte veräußert werden, von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden.
Entsprechend den nationalen Regelungen des Steuerpflichtigen sollen die von der (Zwischen-)Gesellschaft oder Betriebsstätte gezahlten Steuern auf die Steuer des Steuerpflichtigen angerechnet werden können.
Hybride Gestaltungen
Die Regelungen zu hybriden Gestaltungen wurden im Vergleich zum Entwurf vom 28.01.2016 geändert und deutlich knapper gefasst:
Nach den allgemeinen Begriffsbestimmungen (hier Art. 2 Abs. 4) greift diese Regel nur bei verbundenen Unternehmen, wobei für hybride Gestaltungen eine 50%-Beteiligung (zwischen den beteiligten Gesellschaften oder durch eine dritte Personen an beiden Gesellschaften) vorausgesetzt wird. Was als hybride Gestaltung gilt, wird ebenfalls unter Art. 2 der Richtlinie geregelt, die in Abs. 9 sowohl die double deduction als auch die deduction without inclusion als Folge einer unterschiedlichen rechtlichen Würdigung eines Finanzinstruments oder einer Gesellschaft in zwei Mitgliedstaaten beschreibt.
Weiterhin nicht enthalten wäre damit eine Regelung, wie Mitgliedstaaten mit hybrid mismatches im Verhältnis zu Drittstaaten umgehen sollen. Insbesondere die innerhalb der EU vorgesehene Regel (Abzug im Quellenstaat) wäre ja nicht wirksam, wenn ein EU-Staat der Quellenstaat ist und somit weiterhin den Abzug gewähren muss und der Drittstaat nach seinem Verständnis ebenfalls einen Abzug gewährt (da er als Drittstaat nicht an die Richtlinie gebunden ist). Daher fordert der ECOFIN-Rat die EU-Kommission auf, bis zum Oktober 2016 einen Vorschlag zu hybriden Gestaltungen unter Einbeziehung von Drittstaaten vorzulegen, der mit den Empfehlungen der OECD zu Maßnahme Nr. 2 des Aktionsplans gegen BEPS konform und mindestens so effektiv ist. Diesbezüglich wird eine Einigung bis zum Ende des Jahres 2016 angestrebt.
Die Mitgliedstaaten sollen die Richtlinie spätestens bis zum 31.12.2018 in nationales Recht umsetzen und ab dem 01.01.2019 anwenden. Die Regelungen für eine Exit Tax sind spätestens bis zum 31.12.2019 in nationales Recht umsetzen und ab dem 01.01.2020 anwenden. Da es sich um eine de minimis-Richtlinie handelt, steht es den Staaten frei national oder in den DBA strengere Regeln einzuführen bzw. beizubehalten.
Mit der politischen Einigung im ECOFIN ist davon auszugehen, dass die Richtlinie demnächst in Kraft tritt und entsprechende Umsetzungsmaßnahmen in den EU-Mitgliedstaaten eingeleitet werden müssen. Für Deutschland besteht zwar auf den ersten Blick ein Anpassungsbedarf vorrangig oder ausschließlich im Bereich der hybriden Gestaltungen, allerdings muss angesichts der Zielsetzung der Richtlinie „Mindeststandards“ festzulegen, kritisch geprüft werden, ob die anderen Vorschriften eventuell in Teilbereichen noch hinter den Vorgaben der Richtlinie zurückbleiben.
Fundstelle
Rat der EU, Richtlinie „mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts“ vom 17.06.2016
Rat der EU (ECOFIN), Richtlinie „mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts“ am 12.07.2016 verabschiedet
Weitere Fundstelle
EU-Kommission: Entwurf einer BEPS-Richtlinie, siehe Deloitte Tax-News
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