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03.04.2014
Internationales Steuerrecht

BFH: Unionsrechtskonforme Anrechnung ausländischer Steuern

Eine unionsrechtskonforme Berechnung der anrechenbaren ausländischen Steuern verlangt, dass alle steuerrechtlich abzugsfähigen personenbezogenen und familienbezogenen Positionen, insb. die Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen sowie der Altersentlastungsbetrag und der Grundfreibetrag, von der Summe der Einkünfte im Nenner der Anrechnungsformel abgezogen werden. Eine weitergehende Steueranrechnung ist weder unions- noch verfassungsrechtlich geboten. Insbesondere ist die gesetzlich vorgegebene länderbezogene Aufteilung (per country limitation) bei der Höchstbetragsberechnung nicht zu beanstanden.

Sachverhalt

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Im Streitjahr 2007 erzielten sie Kapitaleinkünfte u.a. aus Beteiligungen (sog. Streubesitz) an ausländischen Kapitalgesellschaften. Sie begehrten die Anrechnung von ausländischen Kapitalertragsteuern, die auf die Dividenden der jeweiligen Kapitalgesellschaften in den betreffenden Staaten erhoben worden waren. Das Finanzamt berücksichtigte die ausländischen Steuern nur teilweise.

Einspruch und Klage vor dem FG blieben erfolglos. Der BFH setzte das Verfahren mit Beschluss vom 09.02.2011 aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob die Höchstbetragsberechnung gem. § 34c Abs. 1 S. 2 EStG gemeinschaftsrechtswidrig ist? Der EuGH beantwortete diese Frage mit Urteil vom 28.02.2013.

Entscheidung

Das FG habe bei der Berechnung des Nenners für die Bestimmung der anrechenbaren ausländischen Steuern zu Unrecht nicht auch den Altersentlastungsbetrag, die Sonderausgaben und den Grundfreibetrag berücksichtigt.

Für die Kapitaleinkünfte der Kläger sei eine Steueranrechnung gem. der jeweiligen DBA vorzunehmen. Wie dies zu geschehen habe, werde aber gem. § 34c Abs. 6 S. 2 EStG durch nationale Vorschriften vorgegeben; vorliegend durch § 34c Abs. 1 i.V.m. § 34d EStG. Die vom Finanzamt berechneten anzurechnenden Steuern gem. § 34c Abs. 1 S. 2 EStG seien danach nicht zu beanstanden.

Allerdings verstoße die Berechnungsformel in § 34c Abs. 1 S. 2 EStG gegen Gemeinschaftsrecht. Die Gewährleistung des sog. subjektiven Nettoprinzips obliege einzig dem Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen (hier: Deutschland). Daher kam der EuGH im Vorlageverfahren des BFH zu dem Ergebnis, dass bei der Bestimmung der anrechenbaren Steuern auch Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen als Kosten der persönlichen Lebensführung sowie die personen- und familienbezogenen Umstände zu berücksichtigen seien. Das BMF reagierte auf diese Entscheidung mit einem Schreiben über das Vorgehen bis zu einer gesetzlichen Umsetzung (BMF-Schreiben vom 30.09.2013).

Neben den Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen als Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Positionen sei aber – über die Entscheidung des EuGH hinaus – auch der Grundfreibetrag bei der Bestimmung der anrechenbaren Steuern zu berücksichtigen. Der EuGH habe dies nur deshalb nicht erwähnt, weil er dazu nicht gefragt worden sei. Es sei grundsätzlich Sache des Wohnsitzstaates, dem Steuerpflichtigen sämtliche an seine persönliche und familiäre Situation geknüpften steuerlichen Vergünstigungen zu gewähren; dies entspreche der langjährigen Spruchpraxis des EuGH. Dies gelte entgegen der Auffassung des BMF nicht nur für Kapitaleinkünfte aus EU-Staaten, sondern auch für Kapitaleinkünfte aus Drittstaaten – eine Beschränkung wegen der sog. Stand still-Klausel des Art. 64 Abs. 1 AEUV komme nicht in Betracht.

Die in § 34c Abs. 1 EStG vorgesehene sog. per country limitation sei dagegen weder unions- noch verfassungsrechtlich zu beanstanden. Sie verstoße nicht (in unionsrechtswidriger Weise) gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, da die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den
Mitgliedstaaten, also das Territorialitätsprinzip, die per country limitation rechtfertige. Würde man sie abschaffen, könne dies sogar zu einer vom EuGH verpönten abkommensrechtlichen Meistbegünstigung führen.

Lediglich der Sparer-Freibetrag (§ 20 Abs. 4 EStG a.F.) sei – anders als die abzugsfähigen personenbezogenen und familienbezogenen Positionen – nicht nur im Nenner der Anrechnungsformel, sondern auch im Zähler zu berücksichtigen.

Betroffene Norm

§ 34c Abs. 1 S. 2 EStG
Streitjahr 2007

Vorinstanzen

EuGH, Urteil vom 28.02.2013, C-168/11, DStR 2013,518
BFH, Beschluss vom 09.02.2011, I R 71/10, BStBl II 2011 S. 500, siehe Deloitte Tax-News
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2010, 1 K 332/09, EFG 2010, S. 1689, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 18.12.2013, I R 71/10

Weitere Fundstelle

BMF, Schreiben vom 30.09.2013, IV B 3 - S 2293/09/10005-04

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