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16.09.2021
Internationales Steuerrecht

BFH: Typenvergleich zur Qualifizierung von Ausschüttungen einer ausländischen Gesellschaft

Ob Ausschüttungen einer ausländischen Gesellschaft gemäß § 8b Abs. 1 S. 1 KStG i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG außer Ansatz bleiben, richtet sich nach dem sog. Typenvergleich. Für einen solchen Vergleich hinsichtlich einer konkreten Beteiligungsform mit Aktien kommt es grundsätzlich darauf an, ob die jeweilige Beteiligungsform als mitgliedschaftliche Beteiligung anzusehen ist, die dem Anteilseigner Vermögens- und Mitverwaltungsrechte einräumt. Dies setzt aber nicht voraus, dass sämtliche Einzelheiten der ausländischen Beteiligungsform auch für inländische Aktien umsetzbar wären. Weiter hält der BFH es für nicht entscheidend, ob die im Rahmen des Typenvergleichs berücksichtigten Vermögensrechte ausreichen, um auch die Voraussetzungen der Beteiligung am Gewinn und Liquiditätserlös (sog. Genussrechtstest) gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG in vollem Umfang zu erfüllen.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, ist eine 100%-ige Tochtergesellschaft der im EU-Ausland ansässigen Y-AB. Die nach dem Recht des US-Bundesstaats Delaware gegründete X-Inc. gehört ebenfalls zum Konzern der Y-AB und ist eine Schwestergesellschaft der GmbH (Klägerin). Am 26.11.2001 gab die X-Inc. Vorzugsaktien an die GmbH aus. Zum 31.12.2001 entsprach dies einer Beteiligung an den insgesamt ausgegebenen Anteilen von 30%.

Im Jahr 2001 erhielt die GmbH auf die Vorzugsaktien Ausschüttungen, die sie als steuerfreie Beteiligungserträge i. S. des § 8b Abs. 1 KStG (a.F.) i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG behandelte. Die US-Steuerbehörden gingen dagegen von steuerlich abzugsfähigem Zinsaufwand der X-Inc. und entsprechenden Zinseinkünften der Klägerin aus, die abkommensrechtlich in den USA von der Besteuerung freigestellt werden (Art. 11 DBA-USA 1989).

Finanzamt und FG waren der Auffassung, dass es sich bei den Ausschüttungen auf die Vorzugsaktien um steuerpflichtige Zinserträge i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG handelt.

Entscheidung

Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die von der GmbH bezogenen Ausschüttungen aufdie Vorzugsaktien die Vorzugsaktien Beteiligungserträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellen, die nach § 8b Abs. 1 S. 1 KStG (a.F.) steuerfrei sind.

Steuerfreie Bezüge des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG

Nach § 8b Abs. 1 S. 1 KStG bleiben bei der Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG außer Ansatz. Hierzu gehören u.a. "Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien, Genussrechten, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist". Nach der Rechtsprechung erfasst § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch Bezüge aus der Beteiligung an ausländischen Rechtsgebilden, die ihrer Struktur nach einer nach deutschem Recht errichteten AG oder GmbH im Wesentlichen entsprechen (vgl. BFH-Urteile vom 20.10.2010, I R 117/08 und vom 11.10.2017, I R 42/15).

Qualifizierung der Ausschüttung einer ausländischen Gesellschaft

Voraussetzung für eine solche Entsprechung ist nach Ansicht des BFH ein sog. Typenvergleich. Danach müssendie Vorzugsaktien sowohl das ausländische Rechtsgebilde als auch die konkrete Beteiligungsform des Steuerpflichtigen vom Typ her den Gesellschafts- und Beteiligungsformen gleichen, die in § 8b Abs. 1 S. 1 KStG (a.F.) i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannt werden. Dabei ist eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft sowie deren konkrete Ausformung in ihrer Satzung entscheidend (vgl. BFH-Urteil vom 20.08.2008, I R 34/08). 

Einordnung der Gesellschaftsform der X Inc.

Im vorliegenden Streitfall war die Einordnung der Gesellschaftsform der X-Inc. unstrittig. Eine nach US-amerikanischen Recht gegründete Gesellschaft in der Rechtsform einer „Inc.“ (Incorporated) ist vom Typ her mit einer inländischen Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer AG vergleichbar (vgl. BMF-Schreiben vom 24.12.1999, IV B 4 - S 1300 - 111/99).

Bestimmung der konkreten Beteiligungsform

Wenn bei dem ausländischen Rechtsgebilde – wie bei der X Inc. – unterschiedliche Anteilsklassen zur Verfügung stehen, ist nach Auffassung des BFH ein Typenvergleich der konkreten Beteiligungsform vorzunehmen. Für den Vergleich mit Aktien komme es in solchen Fällen grundsätzlich darauf an, ob die jeweilige Beteiligungsform als mitgliedschaftliche Beteiligung anzusehen ist, die dem Anteilseigner Vermögens- und Mitverwaltungsrechte einräumt. 

Allerdings sei zu berücksichtigen, dass Vermögens- und Mitverwaltungsrechte auch für inländische Aktien eingeschränkt werden können, ohne die Qualifizierung als Aktie entfallen zu lassen (z.B. bei stimmrechtslosen Vorzugsaktien oder Satzungsbestimmungen zum Dividendenbezug oder zur Beteiligung am Liquidationserlös). Entsprechendes müsse auch im Rahmen einer Gesamtwürdigung für die konkrete Beteiligung an einem ausländischen Rechtsgebilde gelten. Der Typenvergleich setze nicht voraus, dass sämtliche Einzelheiten der ausländischen Beteiligungsform auch für inländische Aktien umsetzbar wären (vgl. BFH-Urteil vom 06.06.2012, I R 6, 8/11).

Beteiligung mit Vorzugsaktien

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind nach Auffassung des BFH die von der GmbH gehaltenen Vorzugsaktien (Preferred Shares) mit inländischen Aktien vergleichbar. Die mitgliedschaftliche Beteiligung der GmbH an der X Inc. ergibt sich nach dem BFH bereits dadurch, dass die Vorzugsaktien einen Kapitalanteil mit den gleichen Stimmrechten verkörpern wie die Stammaktien (Common Shares). Das Stimmrecht der GmbH werde auch nicht dadurch relativiert, dass die X-Inc. eine Schwestergesellschaft der GmbH ist und damit die gemeinsame Konzernspitze die Möglichkeit hat, alle relevanten Entscheidungen zu beeinflussen. Dies ändere zum einen nichts an der Möglichkeit der Ausübung der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der X-Inc. Zum anderen kann der Typenvergleich mit einer inländischen Aktie nicht davon abhängen, wer der aktuelle Anteilsinhaber ist. 

Fremdkapitalähnliche Elemente können unschädlich sein

Unter diesen Umständen schaden nach Ansicht des BFH auch fremdkapitalähnliche Elemente der mit den Vorzugsaktien verbundenen Vermögensrechte (hier z.B. die feste Verzinsung des Ausgabepreises auf Basis der durchschnittlichen monatlichen Zinssätze für langfristige Anleihen) der Qualifizierung als Aktien grundsätzlich nicht (vgl. auch Linn in Wassermeyer, USA Art. 10 Rz 90 - zur abkommensrechtlichen Abgrenzung von Aktien und Genussrechten).

Kein Genussrechtstest i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG

Dem BFH kommt es zudem nicht drauf an, ob die im Rahmen des Typenvergleichs berücksichtigten Vermögensrechte ausreichen, um auch die Voraussetzungen der Beteiligung am Gewinn und Liquiditätserlös (sog. Genussrechtstest) gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG in vollem Umfang zu erfüllen. Diese Voraussetzungen gelten grundsätzlich nur für die Prüfung des beteiligungsähnlichen Charakters von Genussrechten, d.h. weder für inländische Aktien noch für entsprechende mitgliedschaftliche Beteiligungsformen an ausländischen Kapitalgesellschaften. 

Steuerfreie Beteiligungserträge

Schließlich sei die Qualifizierung der Ausschüttungen aus den Vorzugsaktien als steuerfreie Beteiligungserträge i.S. des § 8b Abs. 1 KStG i. V. m. § 20 Abs. 1 S. 1 EStG nicht dadurch ausgeschlossen, dass die USA nach ihrem nationalen Recht bei der X-Inc. von abzugsfähigen Zinsen ausging und dies im Streitfall zu einem doppelten steuerlichen Vorteil führte (vgl. BFH-Urteil vom 06.06.2012, I R 6/11, I R 8/11). Darüber hinaus stelle der Zinsabzug bei der X-Inc. in den USA auch keine für § 42 AO relevante Steuerminderung dar (vgl. dazu BFH-Urteil vom 14.08.2019, I R 44/17). 

Betroffene Normen

​§ 8b Abs. 1 S. 1 KStG (a.F.); § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG

Streitjahr ​2001

Anmerkungen

Gesetzliche Neuregelung in § 8b Abs. 1 S. 2 KStG

Mit dem hier besprochenen Urteil hat der BFH Gestaltungen mit hybriden Finanzierungsformen innerhalb eines Konzerns, mit denen offensichtlich unversteuerte (sog. „weiße“) Einkünfte geschaffen werden sollen, zumindest für die Vergangenheit (bis zur Neuregelung in § 8b Abs. 1 S. 2 KStG) als zulässig anerkannt. Zur Vermeidung solcher Gestaltungen (Zinsabzug im Quellenstaat und steuerfreie Dividenden im Empfängerstaat) ist im Rahmen des Amtshilfe-Richtlinien-Umsetzungsgesetzes vom 26.06.2013 (BGBL. I 2013, S. 1809) ab 2014 ein Korrespondenzprinzip eingeführt worden. Danach gilt gemäß § 8b Abs. 1 S. 2 KStG n.F. die Steuerfreistellung von Bezügen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a EStG nur, soweit die Bezüge das Einkommen der leistenden Körperschaft nicht gemindert haben. Gestaltungen wie im oben dargestellten Streitfall führen damit nicht mehr zu einem doppelten steuerlichen Vorteil.  

Vorinstanz

​Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 30.01.2018, 1 K 655/16

Fundstelle

BFH, Urteil vom 18.05.2021, I R 12/18, BStBl. II 2021, S. 875  

Weitere Fundstellen

BFH-Urteil vom 20.10.2010, I R 117/08, BFHE 232, S. 15

BFH-Urteil vom 11.10.2017, I R 42/15, BFH/NV 2018, S. 616​

​BFH-Urteil vom 20.08.2008, I R 34/08, BStBl. II 2009, S. 263

BFH-Urteil vom 06.06.2012, I R 6/11, I R 6/11, BStBl. II 2013, S. 111

BMF-Schreiben vom 24.12.1999, IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, S. 1076

BFH-Urteil vom 14.08.2019, I R 44/17, BFHE 267, S. 1, siehe Deloitte Tax-New​s

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