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03.06.2022
Indirekte Steuern/Zoll

Nutzung von Vermögensgegenständen einer ehelichen Gütergemeinschaft

Verlieren in Gütergemeinschaft lebende Ehegatten, deren Vermögensgegenstände sich klar trennen lassen, den Status eines Pauschallandwirts, wenn ein Ehegatte sich entscheidet, seine Tätigkeit nach den allgemeinen Steuerregeln besteuern zu lassen, während der andere den Status als Pauschallandwirt behalten möchte?

​Hintergrund

Die Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger ist in Art. 295 ff. MwStSystRL geregelt. Während Art. 295 Abs. 1 MwStSystRL die für die Anwendung dieser Regelung relevanten Begriffe definiert, folgt aus Art. 296 Abs. 1 MwStSystRL, dass die Mitgliedstaaten auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Regelung auf Schwierigkeiten stoßen würde, eine Pauschalregelung „anwenden können“. Nach Art. 296 Abs. 2 MwStSystRL kann jeder Mitgliedstaat u.a. diejenigen landwirtschaftlichen Erzeuger von der Pauschalregelung ausnehmen, bei denen die Anwendung der normalen Steuerregelung keine verwaltungstechnischen Schwierigkeiten mit sich bringt. Darüber hinaus hat der Gerichtshof entschieden, dass die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger eine abweichende Regelung ist, die eine Ausnahme von der normalen Mehrwertsteuerregelung darstellt und daher nur insoweit angewandt werden darf, als dies zur Erreichung ihres Ziels erforderlich ist. Zu den beiden Zielen dieser Regelung gehört jenes, dem Vereinfachungserfordernis zu entsprechen, das mit dem Ziel eines Ausgleichs der Mehrwertsteuer-Vorbelastung für die Landwirte in Einklang gebracht werden muss (vgl. EuGH, Urt. v. 12.10.2016, C-340/15).

Aus den Bestimmungen lässt sich jedoch nicht ableiten, ob im Fall von in Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten, deren Vermögensgegenstände sich klar voneinander trennen lassen, den Status eines Pauschallandwirts verlieren, wenn ein Ehegatte sich entscheidet, seine Tätigkeit nach den allgemeinen Steuerregeln besteuern zu lassen, während der andere Ehegatte unter der Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger verbleiben will.

Ob die Entscheidung des einen Ehegatten, für die von ihm ausgeübte Tätigkeit auf die Anwendung der Pauschalbesteuerung zu verzichten, zur Folge hat, dass auch der andere Ehegatte automatisch den Status des Pauschallandwirts verliert, war Gegenstand der EuGH Entscheidung in der von Polen vorgelegten Rechtssache.

Sachverhalt

Ein Ehepaar, das in ehelicher Gütergemeinschaft lebt und deren Vermögensgegenstände sich klar voneinander trennen lassen, besitzt einen landwirtschaftlichen Betrieb. Dieser Betrieb besteht u.a. aus sechs Hühnerställen, von denen die Klägerin zwei Ställe bewirtschaftet und ihr Ehemann vier. Beide Ehegatten besaßen zunächst den Status als Pauschallandwirt. Einzig die Klägerin beantragte später die Registrierung für Zwecke der Mehrwertsteuer.

Die polnische Finanzbehörde war der Auffassung, dass der Registrierungsantrag der Klägerin Wirkung für ihren Ehegatten entfaltet, da die landwirtschaftliche Tätigkeit im Rahmen des zum gemeinsamen Ehevermögen gehörenden landwirtschaftlichen Betriebs ausgeübt wird.

Die daraufhin erhobene Klage wurde mit der Begründung abgewiesen, dass bei Ehegatten, die in Gütergemeinschaft leben und die im Rahmen eines gemeinsamen landwirtschaftlichen Betriebs eine gleichartige landwirtschaftliche Tätigkeit ausüben, nur einer der Ehegatten Mehrwertsteuerpflichtiger sein kann. Dass Ehegatten innerhalb eines landwirtschaftlichen Betriebs unterschiedliche Hühnerställe betreiben, sei unerheblich. Die hiergegen erhobene Beschwerde führte dazu, dass das oberste Gericht das Verfahren aussetzte und dem EuGH vorlegte.

Entscheidung

Ehegatten, die eine selbständige Tätigkeit unter Verwendung von Vermögensgegenständen ausüben, die zum Gesamtgut ihrer ehelichen Gütergemeinschaft gehören, sind als getrennte Steuerpflichtige anzusehen. Die Versagung der Möglichkeit der unterschiedlichen Behandlung allein mit der Begründung des Betriebs in ehelicher Gütergemeinschaft, ist nach Ansicht des EuGH nicht mit dem Unionsrecht vereinbar.

Anmerkung

Die Entscheidung des einen Ehegatten, für die von ihm ausgeübte Tätigkeit auf die Anwendung der Pauschalbesteuerung zu verzichten, hat vorliegend nicht zur Folge, dass auch der andere Ehegatte den Status als Pauschallandwirt verliert. Die Gefahr eines Missbrauchs oder verwaltungstechnische Schwierigkeiten bestanden im Fall nicht, da die Ehegatten die landwirtschaftliche Tätigkeit selbständig im Rahmen von eigenständig zu beurteilenden Unternehmen ausüben. Damit ist gleichzeitig auf die Besonderheit des vorliegenden Sachverhalts hingewiesen. Die Betriebe der Ehegatten waren in wirtschaftlicher, finanzieller und organisatorischer Hinsicht getrennt. Allein deswegen ist der Umstand, dass sie ihre Tätigkeiten im Rahmen desselben landwirtschaftlichen Betriebs ausüben, für die umsatzsteuerliche Beurteilung ohne Belang. Bei den Ehegatten handelt es sich jeweils um zwei eigenständig zu beurteilende Steuerpflichtige.

Im deutschen UStG ist die Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger in § 24 UStG geregelt. Danach kann die Option nur einheitlich von dem Unternehmer für alle seine land- und forstwirtschaftlichen Betriebe erklärt werden (eine betriebsbezogene Einzeloption ist nicht möglich). Selbst wenn ein Landwirt seinen bisherigen Betrieb einstellt oder veräußert und im gleichen Jahr einen neuen Betrieb erwirbt, kann er die Option zur Regelbesteuerung nur einheitlich für beide Betriebe ausüben, da trotz zeitlicher Unterbrechung beide Betriebe ein einheitliches Unternehmen bilden. Ein dem EuGH Fall entsprechender Sachverhalt, indem es sich um zwei Steuerpflichtige handelte, die ein und denselben Betrieb bewirtschaften, ist bislang nicht Gegenstand der BFH Rechtsprechung gewesen.

Betroffene Normen

Art. 9, Art. 295 ff MwStSystRL; § 24 UStG

Fundstelle

 EuGH, Urteil vom 24.03.2022, C-697/20

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