Zurück zur Übersicht
URL: http://mobile.deloitte-tax-news.de/steuern/indirekte-steuern-zoll/finanzgericht-berlin-brandenburg-ermoeglicht-rueckwirkenden-vorsteuerabzug-aus-sachgerechtigkeitsgruenden.html
12.07.2022
Indirekte Steuern/Zoll

Finanzgericht Berlin Brandenburg ermöglicht rückwirkenden Vorsteuerabzug aus Sachgerechtigkeitsgründen

Das Finanzgericht gewährt einen rückwirkenden Vorsteuerabzug auch ohne ordnungsgemäße Rechnung, da andernfalls der Vorsteuerabzug endgültig
zu versagen gewesen wäre.

Hintergrund

Das Finanzgericht hat sich mit diesem Fall nun schon zum zweiten Mal beschäftigen müssen.

Die Klägerin, eine in Singapur ansässige Gesellschaft, erwarb im September 2018 in Deutschland befindliches Liquefied Petroleum Gas (LPG) und verkaufte es umgehend weiter. Weitere Inlandsumsätze erzielte sie weder in 2018 noch in 2019. Die Eingangsrechnung ging der Klägerin im Dezember 2018 zu, wies aber keine Umsatzsteuer aus. Im Januar 2019 ging ihr die korrigierte Eingangsrechnung zu. Die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs waren unstreitig erfüllt. Die Finanzverwaltung lehnte den Vorsteuerabzug – sowohl in 2018 als auch in 2019 – aus formellen Gründen ab.

Die Klägerin begehrte zunächst mit einer ersten Klage den Vorsteuerabzug im Regelbesteuerungsverfahren für 2019. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg entschied hierzu mit Urteil vom 30.8.2021 (2 K 2107/20), dass die Voraussetzungen des besonderen Vorsteuervergütungsverfahrens vorlägen und somit das Regelbesteuerungsverfahren verdrängt werde. Die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BFH anhängig (Az. XI R 86/21). Der Fall wirft die Rechtsfrage auf, ob die Abziehbarkeit von Vorsteuerbeträgen, die mit außerhalb des Vergütungszeitraums erbrachten, im Inland steuerbaren Umsätzen im Zusammenhang stehen, im Regelbesteuerungsverfahren geltend gemacht werden können. Dieser Rechtsfrage könnte grundsätzliche Bedeutung zukommen.

Parallel zu der ersten Klage begehrte die Klägerin den Vorsteuerabzug im Regelbesteuerungsverfahren für 2018. Diese Klage gab das Finanzgericht mit Urteil vom 4.5.2022 nunmehr statt. Der Anspruch auf den Vorsteuerabzug setze zwar grundsätzlich den Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung voraus. Der Vorsteuerabzug sei aber ausnahmsweise ohne ordnungsgemäße Rechnung möglich, wenn es dem Finanzamt möglich sei, die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs zu prüfen. Zudem könnten die zunächst fehlerhaften Rechnungen aus Sachgerechtigkeitsgründen durch berichtigte Rechnungen mit Rückwirkung geheilt werden, auch wenn die ursprünglichen Rechnungen keine Umsatzsteuer auswiesen.

Entscheidung

Die Entscheidung des Finanzgerichts Berlin Brandenburg vom 4.5.2022 (2 K 2193/21) betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Vorsteuerabzug bei Vorliegen einer fehlerhaften Rechnung in Betracht kommt. Das Finanzgericht bejaht einen rückwirkenden Vorsteuerabzug auch ohne ordnungsgemäße Rechnung, wenn es dem Finanzamt möglich sei, die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs zu prüfen.

Folgen

Damit hat das Finanzgericht die Auffassung des BMF, wonach ein bisher in einem Dokument fälschlicherweise nicht ausgewiesener Steuerbetrag nicht mit Rückwirkung berichtigt werden könne, nicht bestätigt (BMF v. 18.9.2020, III C 2 - S 7286-a/19/10001 :001). Auch steht die Entscheidung in Konflikt mit dem Urteil des BFH vom 12.3.2020 (V R 48/17), wonach eine berichtigungsfähige Rechnung u.a. Angaben zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthalten müsse.

Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen, weil die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen ein Vorsteuerabzug auch bei Vorliegen einer fehlerhaften Rechnungen in Betracht kommt, höchstrichterlich nicht abschließend geklärt ist und grundsätzliche Bedeutung hat. Das beklagte Finanzamt hat gegen diese Entscheidung Revision beim BFH eingelegt (Az. XI R 17/22). Die Entscheidung des BFH sowohl in den Verfahren XI R 86/21 als auch XI R 17/22 dürften mit Spannung zu erwarten sein. 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 12.03.2020, V R 48/17

www.deloitte-tax-news.de Diese Mandanteninformation enthält ausschließlich allgemeine Informationen, die nicht geeignet sind, den besonderen Umständen eines Einzelfalles gerecht zu werden. Sie hat nicht den Sinn, Grundlage für wirtschaftliche oder sonstige Entscheidungen jedweder Art zu sein. Sie stellt keine Beratung, Auskunft oder ein rechtsverbindliches Angebot dar und ist auch nicht geeignet, eine persönliche Beratung zu ersetzen. Sollte jemand Entscheidungen jedweder Art auf Inhalte dieser Mandanteninformation oder Teile davon stützen, handelt dieser ausschließlich auf eigenes Risiko. Deloitte GmbH übernimmt keinerlei Garantie oder Gewährleistung noch haftet sie in irgendeiner anderen Weise für den Inhalt dieser Mandanteninformation. Aus diesem Grunde empfehlen wir stets, eine persönliche Beratung einzuholen.

This client information exclusively contains general information not suitable for addressing the particular circumstances of any individual case. Its purpose is not to be used as a basis for commercial decisions or decisions of any other kind. This client information does neither constitute any advice nor any legally binding information or offer and shall not be deemed suitable for substituting personal advice under any circumstances. Should you base decisions of any kind on the contents of this client information or extracts therefrom, you act solely at your own risk. Deloitte GmbH will not assume any guarantee nor warranty and will not be liable in any other form for the content of this client information. Therefore, we always recommend to obtain personal advice.