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27.03.2024
Indirekte Steuern/Zoll

FG Berlin-Brandenburg: passive Betriebsstätte nur mit eigenem Ausgangsumsatz

Setzt die über eine inländische Betriebsstätte vermittelte Lokalisierung sonstiger Leistungen nach dem Empfängerortprinzip voraus, dass ein inländisches Verbindungsbüro eigene Ausgangsumsätze erbringt? 

Hintergrund

Unternehmer mit Sitz im Ausland unterhalten im Inland häufig Verbindungsbüros oder vergleichbare Einrichtungen. Bei grenzüberschreitenden Leistungen im zwischenunternehmerischen Bereich, die keiner speziellen Ortsvorschrift unterliegen, stellt sich die Frage, ob sich der Leistungsort im Inland über eine passive, inländische Betriebsstätte herleiten lässt. Bezieht ein im Ausland ansässiger Unternehmer ohne inländische Betriebsstätte sonstige Leistungen, für die keine vorrangige Ortsvorschrift einschlägig ist, liegt der Leistungsort im Ausland (§ 3a Abs. 2 Satz 1 UStG; Art. 44 Satz 1 MwStSystRL). Ist in den Eingangsrechnungen dennoch die deutsche Umsatzsteuer ausgewiesen, sind sie unrichtig und berechtigen nicht zum Vorsteuerabzug (§ 14c Abs. 1 UStG). Unterhält ein Unternehmer mit Sitz im Ausland hingegen eine inländische Betriebsstätte, sind die Eingangsleistungen am Ort der Betriebsstätte im Inland steuerbar, wenn sie der Betriebsstätte wirtschaftlich zuzuordnen sind (§ 3a Abs. 2 Satz 2 UStG; Art. 44 Satz 2 MwStSystRL); in diesem Fall eröffnen die Eingangsrechnungen mit ausgewiesener deutscher Umsatzsteuer unter den Voraussetzungen des § 15 UStG das Recht auf Vorsteuerabzug.

Der Begriff der Betriebsstätte ist unionsrechtskonform auszulegen. Maßgeblich ist der in Art. 11 MwSt-DVO definierte Begriff der festen Niederlassung. Danach gilt als feste Niederlassung jede Niederlassung, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen zu erbringen (aktive, leistungserbringende feste Niederlassung) bzw. Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden (passive, leistungsempfangende feste Niederlassung). Auch nach dem Umsatzsteuer-Anwendungserlass kommt es auf dieses Begriffsverständnis an (Abschn. 3a.1 Abs. 3 UStAE).

Die Frage, ob die über eine Betriebsstätte vermittelte Ansässigkeit im Inland nach dem Empfängerortprinzip voraussetzt, dass die inländische Einrichtung eigene Ausgangsumsätze erbringt, ist höchstrichterlich nicht geklärt. In einem aktuellen Streitfall hat sich das FG Berlin-Brandenburg mit dieser Rechtsfrage befasst. Streitig war, ob ein Drittlandsunternehmer, der ein Verbindungsbüro im Inland unterhält, im allgemeinen Besteuerungsverfahren zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wenn er aufgrund der Umkehr der Steuerschuldnerschaft deklarationspflichtig ist und keine Gegenseitigkeitsvereinbarung mit dem Drittland besteht (Streitjahre 2009 bis 2010). Zudem stritten die Beteiligten darüber, ob ein geringfügiger Verkaufsumsatz des inländischen Verbindungsbüros das Recht auf Vorsteuerabzug im Regelbesteuerungsverfahren eröffnet (Streitjahr 2011). 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine in Mauritius ansässige Gesellschaft, die in Drittländern Hotels betreibt. Sie unterhält in Deutschland ein Verbindungsbüro mit eigener Ausstattung und eigenem Personal. Zu den Aufgaben des Verbindungsbüros gehörte u.a. das Aushandeln von Verträgen mit Reiseveranstaltern. Die eigentliche wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin, d.h. der Hotelbetrieb, erfolgte über das mauritische Stammhaus. Das Verbindungsbüro kaufte für die Klägerin Werbeleistungen ein. Im Jahr 2011 verkaufte das inländische Verbindungsbüro Teile seiner Büroausstattung. Die Klägerin machte den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen über die bezogenen Werbeleistungen geltend. Für die Jahre 2009 und 2010 erklärte sie Reverse-Charge-Umsätze aufgrund der von ausländischen Unternehmern bezogenen Leistungen. Für das Jahr 2011 deklarierte sie einen geringfügigen Ausgangsumsatz für die Veräußerung des Büromobiliars.

Entgegen der Ansicht des Finanzamts meinte die Klägerin, das Verbindungsbüro begründe eine passive Betriebsstätte. Die bezogenen Werbeleistungen seien im Inland nach § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG steuerbar und berechtigten sie zur Geltendmachung des Vorsteuerabzugs im Regelbesteuerungsverfahren. 

Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg

Das FG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug hat. Das deutsche Verbindungsbüro stellt keine inländische Betriebsstätte dar, weil es keine eigenen Ausgangsumsätze erbrachte.  

Begründung

Für die Streitjahre 2009 und 2010 hat das FG entschieden, dass der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 4b UStG an der fehlenden Gegenseitigkeit scheiterte, da die Klägerin in Mauritius ansässig ist und mit Mauritius keine Gegenseitigkeit besteht. Dies gilt selbst dann, wenn die Klägerin die von ausländischen Unternehmern bezogenen Werbeleistungen nach § 13b Abs. 5 UStG schuldet. Insofern folgt das FG Berlin-Brandenburg der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach das Gegenseitigkeitserfordernis unionsrechts- und verfassungskonform ist und auch für Drittlandsunternehmer mit Reverse-Charge-Umsätzen im Regelbesteuerungsverfahren gilt (BFH, Urt. v. 22.05.2019, XI R 1/18, BStBl II 2020, 132). Fehlt es an der Gegenseitigkeit ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

Für das Streitjahr 2011 sind die von der Klägerin bezogenen Werbeleistungen nach der Rechtsauffassung des FG keiner inländischen Betriebsstätte zuzuordnen und daher im Inland nicht steuerbar. Das Verbindungsbüro erbrachte keine eigenen, ihm zuzurechnenden Ausgangsumsätze. Die Werbeleistungen kamen allein dem Stammhaus in Mauritius zugute. Der Ort des tatsächlichen Verbrauchs, d.h. der Ort, an dem die Werbeleistungen verwendet wurden, lag damit in Mauritius. Ebenso begründete der Verkaufsumsatz nach dem FG keinen Vorsteueranspruch im Regelbesteuerungsverfahren. Der Umsatz aus der Veräußerung der Büromöbel war nicht einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen. Zudem fehle es an einem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Werbeleistungen und der Veräußerung des Mobiliars. 

Anmerkung

Systematisch ist die Entscheidung nachvollziehbar. Wieso sollte einem Verbindungsbüro eines Drittlandunternehmers aus einem Staat ohne Gegenseitigkeit der volle Vorsteuerabzug gestattet werden, nur weil dieses Büro, sofern man den Umsatz überhaupt dem Verbindungsbüro zuordnen wollte, im Inland einen kleinen steuerbaren Umsatz bewirkt hat? Die Vorsteuerbeträge sind keine Kostenelemente dieses Umsatzes, sondern dienen der Tätigkeit des Gesamtunternehmens. Inwieweit die einzelnen Würdigungen des FG darüber hinaus im Revisionsverfahren (Az. BFH: XI R 27/23) Bestand haben werden und wie der BFH unter Beachtung der aktuellen EuGH-Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 07.04.2022, C-333/20, Berlin Chemie A. Menarini; Urteil vom 07.05.2020, C 547/18, Dong Yang Electronics; Urteil vom 16.10.2014, C-605/12, Welmory) entscheidet, bleibt abzuwarten. Im Zusammenhang mit der „Betriebsstätten-Problematik“ ist auf ein derzeit anhängiges EuGH-Verfahren hinzuweisen, in dem das vorlegende Gericht danach fragt, ob eine beherrschte Gesellschaft bzw. eine Konzerngesellschaft als feste Niederlassung der Muttergesellschaft bzw. einer anderen Konzerngesellschaft zu betrachten ist (vgl. EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 01.02.2024, C-533/22, Adient) 

Betroffene Normen

§ 3a Abs. 2 Satz 2 UStG, § 15 Abs. 4b UStG

Fundstelle

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.06.2023, 2 K 2072/22
Revision anhängig (Az. BFH: XI R 27/23)

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