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21.09.2016
Indirekte Steuern/Zoll

EuGH: Rechnungsberichtigung mit Wirkung für die Vergangenheit; Anforderungen an die Leistungsbeschreibung und das Leistungsdatum in Rechnungen

Aktuell: BFH hat die Grundsätze des Urteils in aktuellem Urteil vom 20.10.2016, V R 26/15 aufgegriffen, siehe Deloitte Tax-News

Trotz formell fehlerhafter Eingangsrechnung sind Unternehmer künftig nicht mehr am sofortigen Vorsteuerabzug gehindert. Nach den Ausführungen des EuGH in der Entscheidung Senatex C-518/14 wirkt eine Ergänzung der Rechnung um die in der Ursprungsrechnung nicht enthaltenen Angaben ex tunc. Damit müssen Unternehmer auch künftig keine Nachzahlungszinsen mehr entrichten. Auch aus der EuGH Entscheidung Barlis 06 C-516/14 folgt, dass der Vorsteuerabzug nicht allein deshalb versagt werden darf, weil eine Rechnung nicht ordnungsgemäß ist.

Hintergrund

Das vorliegende Grundsatzurteil Senatex, C-518/14, ist in Zusammenhang mit der EuGH Rechtsprechung im Fall Terra Baubedarf, Pannon Gep und Petroma Transports zu betrachten. In dem Urteil Terra Baubedarf, C-152/02, entschied der EuGH, dass die erstmalige Vorlage einer Rechnung keinen rückwirkenden Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs begründet. Darüber hinaus folgte aus den Entscheidungen Pannon Gep, C-368/09, und Petroma Transports, C-271/12, dass eine Rechnungsberichtigung möglich ist. Offen war bislang, bis zu welchem Zeitpunkt diese Rechnungsberichtigung wirkt.

Entscheidung des EuGH

Mit dem vorliegenden Urteil stellt der EuGH klar, dass eine rückwirkende Rechnungsberichtigung im Fall der späteren Ergänzung der Rechnung um die in der Ursprungsrechnung nicht enthaltende Steuernummer oder USt-ID Nr. möglich ist. Zur Frage, bis wann die berichtigten Rechnungen vorgelegt werden müssen und ob es ggfls. sogar ausreichend ist, wenn dies im Rahmen eines Einspruchs erfolgt, äußerte sich der EuGH dabei nicht. Denn im vorliegenden Fall reichte Senatex die berichtigten Rechnungen noch im Rahmen der Betriebsprüfung und mithin vor Erlass eines geänderten Umsatzsteuerbescheids ein. Die Frage, ob eine Verspätung vorlag, stellte sich somit nicht. Lediglich aus dem Schlussantrag des Generalanwalts Bot folgt, dass selbst wenn eine Berichtigung der Rechnung erst nach Erlass des Änderungsbescheids erfolgt, eine vollständige Versagung des Vorsteuerabzugs mit Gemeinschaftsrecht wohl nicht vereinbar ist.

Im Hinblick auf die Rechnungsberichtigung mit Wirkung für die Vergangenheit steht das Urteil Senatex im Widerspruch zur bisherigen Praxis in Deutschland.

Im Einzelnen:

Nach deutschem Recht ist binnen sechs Monate nach Leistungserbringung eine ordnungsgemäße Rechnung auszustellen, die zum Vorsteuerabzug berechtigt. Dabei muss eine ordnungsgemäße Rechnung unter anderem die Steuernummer oder USt-Id. Nr. und eine korrekte Leistungsbeschreibung enthalten und viele weitere Voraussetzungen erfüllen. Findet das Finanzamt, wie es im vorliegenden Fall Senatex im Rahmen einer Betriebsprüfung der Fall war, fehlerhafte Eingangsrechnungen, so wird der Vorsteuerabzug gekürzt und ein geänderter Umsatzsteuerbescheid nach Abschluss der BP erlassen. Das Recht auf Vorsteuerabzug darf erst im Jahr der Rechnungsberichtigung ausgeübt werden, was nach deutschem Verständnis eine Sanktion darstellt. Darüber hinaus führt die von der Finanzverwaltung vertretene Ansicht, dass eine Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung (ex tunc) gerade nicht möglich ist, zu einem Zinsgewinn des Fiskus, da der betroffene Unternehmer Nachzahlungszinsen entrichten muss.

Das EuGH Urteil führt in der Praxis nunmehr dazu, dass der Unternehmer trotz formell fehlerhafter Eingangsrechnung nicht am sofortigen Vorsteuerabzug gehindert ist, die Ergänzung der Rechnung um die in der Ursprungsrechnung nicht enthaltenen Angaben ex tunc wirken und damit auch die Zahlung der Zinsen künftig entfällt. Der EuGH stellt klar, dass es sich bei der Rechnung um eine formelle Voraussetzung für das Recht auf Vorsteuerabzug handelt. Um die Nichtbefolgung formeller Anforderungen für die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts zu ahnden, kommen nach dem EuGH andere Sanktionen als die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts für das Jahr der Rechnungsausstellung in Betracht, etwa die Auferlegung einer Geldbuße, die in angemessenem Verhältnis zur Schwere des Verstoßes steht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2015, Salomie und Oltean, C‑183/14).
Während es im Fall Senatex um die fehlende Angabe von Steuernummern bzw. USt-ID-Nr. in den Rechnungen ging, beschäftigte sich der EuGH im Fall Barlis 06 mit der notwendig konkreten Leistungsbeschreibung und des Leistungsdatums. Auch aus der Entscheidung Barlis 06 folgt, dass der Vorsteuerabzug nicht allein deshalb verweigert werden darf, weil eine Rechnung nicht ordnungsgemäß ist. Der EuGH betont, dass sich die Finanzverwaltung gerade nicht auf die Prüfung der Rechnung selbst beschränken darf, sondern auch zusätzliche Daten die der Steuerpflichtige vorlegt zu berücksichtigen hat, um die Berechtigung des Vorsteuerabzugs zu prüfen. Die MwStSystRl hindert die Mitgliedstaaten mithin daran den Vorsteuerabzug allein deshalb zu verweigern, weil die Rechnung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
Nach diesen klaren Ausführungen des EuGH wird der BFH sein bisheriges Verständnis, nach dem die Rechnung grundsätzlich eine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug darstellt, zu überdenken haben.

Anmerkung

Offen und Anlass für weitere Rechtsprechung werden auch nach den vorliegenden EuGH Urteilen die Fragen nach den zeitlichen Grenzen für die Korrektur sein (Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung? Oder Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz? Oder Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung? Keinerlei zeitlichen Grenzen entsprechend dem Schlussantrag des Generalanwalts Bots?) und welche Mindestanforderungen an eine Rechnung überhaupt vorliegen müssen, damit eine korrekturfähige Rechnung vorliegt. Denn es dürfte davon auszugehen sein, dass das Fehlen von wesentlichen Angaben in der Rechnung, wie etwa die korrekte Angabe des Leistungsempfängers, wohl nicht rückwirkend über die Rechnungsberichtigung geheilt werden kann.

Unternehmen die in der Vergangenheit in ähnlich gelagerten Fällen Zinsen entrichtet haben, sollten prüfen, ob ein Anspruch auf Erstattung der Zinsen besteht, bzw. ob die Zinsfestsetzungen noch änderbar sind. Betroffene Unternehmen, die aufgrund formell fehlerhafter Eingangsrechnungen der Vorsteuerabzug versagt und die mit einer Zinsfestsetzung belastet sind und gegen diese Einspruch eingelegt haben, können sich nunmehr direkt auf das Urteil berufen. Für die Zukunft sollte trotz der unternehmerfreundlichen Sicht des EuGH darauf geachtet werden, möglichst rasch fehlerhafte Eingangsrechnungen berichtigen zu lassen, da wie oben dargestellt nicht entschieden wurde, wie lange eine rückwirkende Berichtigung zeitlich zulässig ist. Sofern es sich um eine laufende Betriebsprüfung handelt, sollten der Finanzverwaltung die berichtigten Rechnungen bestenfalls noch vor Abschluss der Betriebsprüfung und damit vor Erlass des Änderungsbescheids vorgelegt werden.

Betroffene Norm
Art. 167, 178a, 179, 219, 226(3), 273 MwStSystRL; Art. 36(5)b Código do IVA; Art. 19(2)a und (6) CIVA; § 15(1) Nr. 1, § 14 Abs. 4 Nrn. 1-9, § 14c (1) (2), § 17(1) UStG; § 31(5) UStDV;

 

Vorinstanz
Niedersächsisches FG, Urteil vom 03.07.2014, 5 K 40/14  - zu C-518/14:

Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa - CAAD) (Portugal) 17.11.2014 ABl EU 2015, Nr C 34, 11 – zu C-516/14
 

Fundstelle
EuGH, Urteil vom 15-09-2016, C‑518/14 (Senatex)
EuGH, Urteil vom 15-09-2016, C‑516/14 (Barlis 06)

Weitere Beiträge
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