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27.06.2016
Indirekte Steuern/Zoll

Energiesteuer: Streckengeschäfte im Mineralölhandel. Ist die Besteuerung teilweise europarechtswidrig?

EuGH-Urteil zur Steuerentstehung bei Entnahme von Energieerzeugnissen aus einem Steuerlager mit anschließender steuerfreier Verwendung

Hintergrund

Im Mineralölhandel sind Streckengeschäfte geübte Praxis. Diese liegen vor, wenn Energieerzeugnisse über mehrere Vertragsparteien verkauft, aber logistisch vom ersten Lieferanten direkt zum letzten Abnehmer transportiert, ohne dass einer oder mehrere Zwischenerwerber physisch mit der Ware in Kontakt kommen. Diese sind umsatzsteuerlich mit den sogenannten Reihengeschäften vergleichbar. Die Transportverantwortlichkeit kann dabei unterschiedlich ausgestaltet sein. In Abhängigkeit davon sowie der energiesteuerlichen Qualifikation und Reichweite der Erlaubnis des Steuerlagerinhabers, des oder der Zwischenerwerber(s) oder des Spediteurs, der die Waren von einem Steuerlager direkt zum steuerbefreiten Verwender versendet, können unterschiedliche energiesteuerliche Besteuerungsfolgen eintreten.

Regelmäßig setzen die Hauptzollämter die Energiesteuer nach § 8 EnergieStG oder § 30 EnergieStG fest, wenn zumindest einer der Zwischenerwerber keine Erlaubnis als Verteiler hat, die von ihm beauftragte Transportperson befördert die Waren nicht in einem Steueraussetzungsverfahren (z.B. das Tankschiff ist als Steuerlager zugelassen) oder in einem Steuerbefreiungsverfahren (ist nicht Inhaber einer Verteilererlaubnis) und die Energieerzeugnisse wurden nicht im Wege des sogenannten Geheißerwerbs an den zur steuerbefreiten Verwendung berechtigten Endabnehmer geliefert. Dies betrifft insbesondere die Fälle, in denen der Zwischenerwerber ohne Verteilererlaubnis zumindest mittelbaren Besitz an den Energieerzeugnissen erlangt hat. Denn dann erfolgt eine Abgabe an einen Nichtberechtigten.

Möglicherweise muss diese Sichtweise durch ein jüngst ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofes neu interpretiert werden.

EuGH-Urteil vom 2. Juni 2016

Der EuGH entschied mit Urteil vom 2. Juni 2016 in einem Vorabentscheidungsersuchen (C-355/14, „Polihim-SS EOOD”) über die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a) der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (Richtlinie 2008/118/EG) und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Richtlinie 2003/96/EG).

Das Vorabentscheidungsersuchen betraf ein Bußgeldverfahren der bulgarischen Zollbehörden gegen einen zugelassenen Lagerinhaber (A). Dieser war Inhaber einer Erlaubnis im Verfahren der Steueraussetzung Energieerzeugnisse herzustellen und zu lagern. Aufgrund eines trilateralen Vertrages zwischen A, einem Zwischenerwerber (B) und einem Endverbraucher (C) über schweres Heizöl (KN-Code: 2710 19 64) verkaufte A das schwere Heizöl zunächst an B, der dieses weiter an C verkaufte. Das schwere Heizöl lieferte A physisch unmittelbar C. Letzterer verwendete das schwere Heizöl zur Stromerzeugung. Die Verwendung zur Stromerzeugung ist nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) der Richtlinie 2003/96/EG steuerbefreit.

Die bulgarischen Zollbehörden stellten bei einer Außenprüfung bei A fest, dass A in den für bestimmte Zeiträume eingereichten Verbrauchsteuererklärungen erklärt hatte, er habe acht Überführungen von schwerem Heizöl des KN-Codes 2710 19 64 in den steuerrechtlich freien Verkehr zugunsten von B vorgenommen. Dabei gab A an, dass B insoweit nicht verbrauchsteuerpflichtig sei, da diese Waren nach bulgarischem Verbrauchsteuergesetz zur Verwendung bei der Stromerzeugung bestimmt seien.

Die bulgarischen Steuerbehörden gingen davon aus, dass B, den A als Empfänger der Waren angegeben hatte, nicht die Stellung eines von der Verbrauchsteuer befreiten Endverbrauchers im Sinne der inländischen Rechtsvorschriften habe. Folglich löse die Entnahme der Waren aus dem Steuerlager eine Steuerschuld aus. Die bulgarischen Zollbehörden stellten daher eine verwaltungsrechtliche Zuwiderhandlung fest.

A wandte sich gegen diese Feststellung, zunächst an das Zollamt. A argumentierte, die betreffenden Waren seien nach Entnahme aus ihrem Steuerlager von ihr unmittelbar an C geliefert worden. C erzeuge damit elektrischen Strom und habe daher die Stellung eines von der Verbrauchsteuer befreiten Endverbrauchers.

Das Zollamt wies die Einwände zurück und verhängte ein Bußgeld gegen A. Dagegen legte A Klage ein. Das Gericht bestätigte vom Grundsatz her die Zuwiderhandlung, da A die Verbrauchsteuern nicht entrichtet habe. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass die Waren unmittelbar an C geliefert wurden. Gleichwohl ermäßigte das Gericht die Bußgelder gegenüber A.

A verfolgte sein Begehren weiter und legte Kassationsbeschwerde gegen das Urteil ein. Das Kassationsgericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH entscheidungserhebliche Rechtsfragen vor.

Fraglich war für das bulgarische Kassationsgericht,

  • ob der Verkauf einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware in einem Steuerlager, ohne dass diese Ware das Steuerlager dabei physisch verlassen hat, eine Überführung dieser Ware in den steuerrechtlich freien Verkehr darstellt und
  • ob nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96/EG in Verbindung mit Art. 7 der Richtlinie 2008/118/EG eine Verbrauchsteuerbefreiung in dem Fall, wenn
  1. Energieerzeugnisse von einem zugelassenen Lagerinhaber (A) an einen Zwischenerwerber (B) verkauft wurden, von diesem Zwischenerwerber an einen Endverbraucher (C), der sämtliche Anforderungen des nationalen Rechts erfüllt, um in den Genuss einer Verbrauchsteuerbefreiung für diese Waren zu gelangen, weiterverkauft werden
  2. diese Waren von dem zugelassenen Lagerinhaber aus dessen Steuerlager unmittelbar geliefert werden,

allein deshalb versagt werden kann, weil der vom Lagerinhaber (A) als Empfänger dieser Waren ausgewiesene Zwischenerwerber (B) diese Anforderungen nicht erfüllt.

1. Entstehen des Steueranspruches

Der EuGH stellte zunächst fest, dass der Begriff der Entnahme i.S.v. Art. 7 der Richtlinie 2008/118/EG nicht im Sinne eines Verkaufs, sondern im Sinne einer physischen Entnahme der Waren aus dem Steuerlager zu verstehen ist. Ferner ist der Zeitpunkt der Entstehung des Verbrauchssteueranspruchs dergestalt zu interpretieren, dass dieser möglichst nah beim Verbraucher liegt. Folglich kann von einem Verbrauch noch nicht die Rede sein, solange die betreffenden Waren daher im Steuerlager des zugelassenen Lagerinhabers verbleiben. Dies gilt auch dann, wenn diese Waren innerhalb des Steuerlagers von diesem an einen Dritten verkauft worden sind. Folglich entsteht der Anspruch auf die Verbrauchsteuer solange nicht, wie die betreffenden Energieerzeugnisse im Besitz des zugelassenen Lagerinhabers in dessen Steuerlager sind.

Der EuGH begründet seine Rechtsauffassung damit, dass in diesem Fall noch nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Waren aus einem Verfahren der Steueraussetzung entnommen wurden. Folgerichtig sei, so der EuGH, eine Überführung in den steuerrechtlichen Verkehr – und damit auch das Entstehen des Verbrauchssteueranspruches - erst dann anzunehmen, wenn die Ware physisch das Steuerlager verlässt.

Da die Ware das Steuerlager des A verlassen hatte, stellte sich die Frage, ob dem grundsätzlichen Entstehen des Steueranspruches durch die physische Entnahme (Transport zu C) die Anwendung eines Steuerbefreiungsverfahrens entgegenstand. Die Anwendung eines Steuerbefreiungsverfahrens hindert das Entstehen von Verbrauchsteuer. Dies wäre kein Problem gewesen, wenn der Vertrag nur zwischen A und C abgeschlossen worden wäre und A das Heizöl ebenfalls direkt von A an C transportiert hätte.

Im vorliegenden Fall war jedoch B als nichtberechtigter Zwischenerwerber zwischengeschaltet und von A als Empfänger der Waren angegeben. Folglich stellte sich die Frage, ob die Anwendung eines Steuerbefreiungsverfahrens allein deshalb versagt werden kann, dass B, der in den die Lieferungen begleitenden Steuerdokumenten als Empfänger angegeben wurde, nicht die im nationalen Recht vorgeschriebenen Anforderungen für die Inanspruchnahme dieser Befreiung erfüllt.

Letztlich ging es um die Frage, welche Befugnisse die Mitgliedsstaaten haben und welche Grundsätze sie befolgen müssen, wenn Zwischenerwerber, die grundsätzlich nicht die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Befreiung erfüllen, dennoch aber feststeht, dass die Energieerzeugnisse aus einem Steuerlager direkt zu einen Empfänger gelangt sind, der diese Voraussetzungen erfüllt.

2. Reichweite der Befugnisse der Mitgliedsstaaten

Richtungsweisend sind daher die Ausführungen des EuGH zu den Befugnissen der Mitgliedsstaaten bei der Regelung der Nachweisführung im Rahmen der steuerfreien Verwendung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a) der Richtlinie 2003/96/EG.

Der EuGH wies zunächst darauf hin, dass Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) der Richtlinie 2003/96/EG nicht die Frage regele, auf welche Weise der Nachweis zu führen ist, dass die Energieerzeugnisse zu steuerfreien Zwecken verwendet werden. Vielmehr sehe Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2003/96/EG vor, dass es Aufgabe der Mitgliedsstaaten sei, die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit festzulegen, um die korrekte und einfache Handhabung solcher Befreiungen sicherzustellen und Steuerhinterziehung und –vermeidung oder –missbrauch zu verhindern.

Zwar sei, so der EuGH, eine Regelung des nationalen Rechts, die eine Befreiung von der Energiesteuer davon abhängig macht, dass in den Steuerdokumenten ein Empfänger ausgewiesen wird, der nach nationalem Recht zum Empfang verbrauchsteuerbefreiter Energieerzeugnisse berechtigt ist, geeignet, dass in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96 genannte Ziel, die Kontrolle von Verbrauchsteuerbefreiungen zu erleichtern und die Risiken einer steuerbefreiten Verwendung zu verringern.

3. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Die Geeignetheit einer Maßnahme reiche jedoch, so der EuGH ausdrücklich, allein nicht aus. Vielmehr haben die Mitgliedsstaaten bei der Festlegung der Voraussetzungen für die Befreiung nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96/EG u.a. auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.

In dem entschiedenen Fall kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht hinreichend beachtet wurde. Zum einen stand fest, dass der physische Empfänger der Energieerzeugnisse, diese zur Stromerzeugung und damit nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) der Energiesteuerrichtlinie 2003/96/EG steuerfrei verwendete. Zum anderen wurden Anhaltspunkte wonach die Einschaltung eines Zwischenerwerbers (B) mit dem Ziel vorgenommen wurde, in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise die Begünstigung einer Steuerbefreiung zu erlangen, nicht vorgetragen.

Der EuGH entschied daher, dass alleine die Berufung darauf, dass der vom Steuerlagerinhaber (A) als Empfänger ausgewiesene Zwischenerwerber (B) nicht die Eigenschaft eines Endverbrauchers hat, der nach nationalem Recht zum Empfang verbrauchsteuerbefreiter Energieerzeugnisse berechtigt ist, nicht ausreichend sei, wenn nicht gleichzeitig anhand der vorgelegten Beweise geprüft wird, ob im Übrigen die materiellen Voraussetzungen für die Verwendung der gelieferten Energieerzeugnisse zu steuerbefreiten Zwecken vorliegen.

Wird diese Prüfung nicht vorgenommen, so geht dies, so der EuGH, über das hinaus, was für die Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung solcher Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und vermeidung oder Missbrauch erforderlich ist.

Zwar betraf das Urteil grundsätzlich einen Fall der Auslegung bulgarischen Rechts in einem Bußgeldverfahren. Dennoch könnte dieser Fall auch Einfluss auf die deutsche Rechtspraxis haben.

Derzeitige deutsche Rechtspraxis

In der Vergangenheit waren auch deutsche Gerichte und nicht zuletzt der Bundesfinanzhof mit der Rechtsfindung in vergleichbaren Sachverhalten beschäftigt.

Der BFH hatte mit Urteil vom 14. Mai 2013 (VII R 39/11) entschieden, dass bei dem Verkauf an Zwischenerwerber, dem eine Erlaubnis zur steuerfreien Verteilung oder Verwendung nicht vorliege, die Energiesteuer nach § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG entstehe. Der BFH argumentierte in seiner Entscheidung, dass im Zeitpunkt der Abgabe an einen Nichtberechtigten (Person, die keine Erlaubnis zur steuerfreien Verwendung oder Verteilung besitzt) eine zweckwidrige Verwendung des Erzeugnisses nicht zuverlässig ausgeschlossen werden kann. Folglich kann die Steuerentstehung nicht davon abhängig gemacht werden, dass das Energieerzeugnis nach seiner erstmaligen Abgabe zu irgendeinem Zeitpunkt einen zum Bezug steuerfreier Energieerzeugnisse Berechtigten erreiche.

Der BFH stützte das Ergebnis auf die Überlegung, dass - abgesehen von dem Fall des unmittelbaren Besitzes durch den Erwerber - von einer Abgabe auch dann auszugehen sei, wenn dem Erwerber der mittelbare Besitz verschafft wird und so der unmittelbare Besitzer seinen Besitz in Anerkennung eines Herausgabeanspruchs des mittelbaren Besitzers ausübt. Lediglich in den Fällen des sogenannten Geheißerwerbs nach § 929 Satz 2 BGB, also bei einer Lieferung durch den Veräußerer an einen vom Erwerber benannten Dritten, ohne dass dem Erwerber Besitz vermittelt wird, liegt keine Abgabe i.S. des § 30 Abs. 1 EnergieStG vor.

Der BFH führte zur Begründung des mittelbaren Besitzes aus, dass mit dem Abschluss eines Kaufvertrags regelmäßig von der Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses in Bezug auf die erworbenen Energieerzeugnisse auszugehen sei, es sei denn die vertraglichen Absprachen deuten auf eine davon abweichende Regelung hin. In dem entschiedenen Fall kam der BFH zu dem Ergebnis, dass Energiesteuer in der Person des Zwischenerwerbers entstanden ist, da dieser zumindest mittelbaren Besitz erlangt hat.

Demgegenüber hatte die Ausgangsinstanz, das Finanzgericht Hamburg, im Urteil vom 19. Mai 2011 – 4 K 205/10, der Berechtigung des Verwenders der Energieerzeugnisse (einer Betreiberin eines Seeschiffes, die gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG, § 55 EnergieStV i.V.m. Nr. 3 lit. a) der Anlage 1 zur Energiesteuer-Verordnung über eine allgemeine Erlaubnis zur Verwendung von Energieerzeugnissen für die Schifffahrt verfügte), bereits maßgebende Bedeutung beigemessen. Das Finanzgericht kam daher zu dem Ergebnis, dass die Energiesteuer nach § 30 Absatz 1 Satz 1 EnergieStG nicht entstanden sei, da die Energieerzeugnisse an Personen abgegeben worden sind, die zum Bezug von steuerfreien Energieerzeugnissen berechtigt sind (vgl. § 30 Absatz 1 Satz 2 EnergieStG). Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Energieerzeugnisse durchgehend der Steueraufsicht unterliegen. Zudem hatte das FG einen Geheißerwerb angenommen.

Das BMF hat im Nachgang zu dem oben genannten BFH-Urteil mit Erlass vom 14.05.2014, III B 6 – V 8115/11/10002:001 ebenfalls Hinweise zu einzelnen Fallgestaltung unter Beteiligung eines nichtberechtigten Zwischenerwerbers gegeben. Darin sind beispielsweise auch die Fälle geregelt, dass der Steuerlagerinhaber die Energieerzeugnisse direkt übergibt und dieser hinsichtlich des zum Transport eingesetzten Tankschiffs

  • als Steuerlager oder Verteiler (Fall a.) und
  • nicht als Steuerlager bzw. Verteiler (Fall b.)

zugelassen ist (vgl. Punkt 4 des BMF-Erlasses vom 14.05.2014).

Ferner äußert sich der Erlass zu Fallgestaltungen, in denen der Zwischenerwerber ohne Verteilererlaubnis einen Spediteur mit dem Transport vom Steuerlager zum steuerbefreiten Verwender beauftragt und dem Spediteur eine Erlaubnis zum einen als Steuerlager oder Verteiler

  • erteilt (Fall c.) bzw.
  • nicht erteilt (Fall d.)

wurde.

Während in den Fallgestaltungen a. und c. keine Energiesteuer nach § 8 oder § 30 EnergieStG entstehe, könne in den Fallgestaltungen b. und d. eine Steuerentstehung nur dann vermieden werden, wenn die Vertragsparteien die Energieerzeugnisse ausdrücklich im Wege des sogenannten Geheißerwerb an den Erwerber liefern. Zu einer Steuerentstehung kommt es allerdings dann, wenn dem nichtberechtigten Zwischenerwerber der mittelbare Besitz an den Energieerzeugnissen eingeräumt wurde. Dabei hat das BMF den Parteien jedenfalls einen gewissen Gestaltungsspielraum eingeräumt, sachenrechtlich einen sogenannten Geheißerwerb (Energiesteuer entsteht nicht) oder ein Besitzmittlungsverhältnis (Energiesteuer entsteht) zu vereinbaren.

Auswirkung des EuGH-Urteils für die deutsche Rechtspraxis

Mit der vorliegenden Entscheidung setzt der EuGH die Reihe der Entscheidungen – auch in Bezug auf andere Steuerarten – fort, wonach einer zu sehr an formalen Kriterien orientierten Sichtweise eine Absage erteilt wird. Die sehr an der deutschen zivilrechtlichen Besitzdogmatik orientierte formalistische Entscheidung des BFH vom 14. Mai 2013 (VII R 39/11) und der daraufhin ergangene Erlass des BMF vom 14.05.2014 sollte mit dieser Entscheidung des EuGH - zumindest teilweise – überdacht werden. Es bestehen gute Argumente dafür dass, bei vergleichbaren Fallgestaltungen, der EuGH der in dem vorgenannten BFH-Verfahren geäußerten Argumentation des BFH, eine andere Sichtweise entgegensetzen würde.

Möglicherweise sind die bisher zur Beurteilung der Steuerschuld und der Person des Steuerschuldners herangezogenen komplexen deutschen sachenrechtlichen Regelungen vom Besitzmittlungsverhältnis (§ 868 BGB) und dem Geheißerwerb (§ 929 Satz 2 BGB) nicht mit den vom EuGH aufgestellten Grundsätzen vereinbar. Aufgrund des nunmehr vorliegenden Urteils des EuGH besteht Anlass zu der Hoffnung, dass bei Streckengeschäften über einen oder mehrere Zwischenerwerber, die dem Steuerlagerinhaber keine Erlaubnis zur steuerfreien Verteilung und/oder Verwendung vorlegen können, die Energieerzeugnisse jedoch direkt vom Steuerlagerinhaber zum steuerbefreiten Verwender physisch verbracht werden, eine Neubeurteilung der bisherigen Interpretation des BFH zur Steuerschuldentstehung nach § 8 Absatz 1 EnergieStG bzw. 30 Absatz 1 Satz 1 EnergieStG erfolgt, insbesondere in den Fällen des Vorliegen eines Besitzmittlungsverhältnisses.

Zumindest bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die vom BMF vorgenommene Abgrenzung zwischen beiden Rechtsinstituten „erforderlich“ ist, um eine korrekte und einfache Anwendung solcher Befreiungen sicherzustellen und Steuerhinterziehung und vermeidung oder Missbrauch zu verhindern.

Dies zeigt bereits die Tatsache, dass die Vertragsparteien beides vereinbaren können, allerdings nach bisheriger nationaler Rechtslage mit unterschiedlichen Rechtsfolgen. In der Praxis kommt es den Parteien auf Rechtssicherheit an. In die vertraglichen Vereinbarungen fließen neben steuerlichen auch zivilrechtliche und insolvenzrechtliche Gesichtspunkte ein. Auch bei einer vertraglichen Vereinbarung steht nicht immer hinreichend fest, dass Rechtssicherheit erzielt wurde. Diese können unterschiedlich gewürdigt werden, wie die beiden Urteile des FG Hamburg (welches aus den vertraglichen Abreden einen Geheißerwerb abgeleitet hatte) und des BFH (der einen Geheißerwerb nicht sah) zeigen. Nicht zuletzt ist mit der Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses oder eines Geheißerwerbs allein noch keine Entscheidung darüber getroffen, dass – um mit den Worten des EuGH zu sprechen - die vereinbarte Direktlieferung an einen von der Verbrauchsteuer befreiten Empfänger mit dem Ziel vorgenommen wurde, in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise in den Genuss einer Verbrauchsteuerbefreiung zu gelangen.

Betroffener Personenkreis

Betroffen von diesem Urteil sind sowohl Steuerlagerinhaber als auch Zwischenhändler von Energieerzeugnissen, die Energieerzeugnisse direkt aus einem Steueraussetzungsverfahren – ggf. über einen oder mehrere Zwischenerwerber – physisch an Personen liefern, die zur steuerfreien Verwendung, z.B.

  • zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nicht-gewerblichen Luftfahrt
  • zur Verwendung als Kraftstoff für die Schifffahrt in Meeresgewässern der Gemeinschaft (einschließlich des Fischfangs), mit Ausnahme der privaten nicht-gewerblichen Schifffahrt

verwendet werden. Nicht immer steht fest, ob und welcher Zwischenerwerber Nichtberechtigter ist. Auch können zivilrechtliche Folgeansprüche nicht in jeden Fall erfolgreich durchgesetzt werden, sofern im Nachgang Energiesteuer festgesetzt wird. Von daher ist eine entsprechende Argumentation im Steuerfestsetzungsverfahren und gegebenenfalls im Einspruchs- und Klageverfahren sinnvoll.

Fazit

Ob und in welchen Fällen die Berufung auf das Urteil des EuGH Erfolg haben wird und ob und in welcher Person im Streckengeschäft Energiesteuer entstanden ist, muss dennoch im jeweiligen Einzelfall geprüft werden. Betroffen sind daher insbesondere Steuerlagerinhaber und andere am Streckengeschäft beteiligte Zwischenerwerber. Gegebenenfalls sollten diese Personen die entsprechenden Bescheide der Hauptzollämter durch Einsprüche offen halten.

Auf jeden Fall sind alle Beteiligten gut beraten, entsprechende Beweis- und auch Risikovorsorge zu treffen, um zumindest eine zweckwidrige Verwendung des Erzeugnisses zuverlässig auszuschließen. Auch dies im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen.

Gegebenenfalls könnte es von Nutzen sein, die steuerliche Behandlung von Transaktionen auch aus Sicht von anderen Steuerarten zu prüfen. Insbesondere bei der Umsatzsteuer könnte eine Steuerentstehung im Mineralölhandel eventuell vermieden werden.

Haben Sie dazu Fragen? Sprechen Sie uns an. Wir stehen Ihnen mit unserem Energiesteuer-Team zur Verfügung.

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