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26.06.2018
Indirekte Steuern/Zoll

BMF: Aussetzung der Vollziehung wegen verfassungsrechtlicher Zweifel an der Höhe der Nachzahlungszinsen

Mittlerweile gewährt die Finanzverwaltung AdV für Verzinsungszeiträume ab 01.04.2012
BMF, Schreiben vom 14.12.2018
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BMF-Schreiben vom 14.06.2018:
Gewährung der Aussetzung der Vollziehung für Verzinsungszeiträume ab dem 01.04.2015

Hintergrund

Während die Verfassungsmäßigkeit der Nachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume bis Dezember 2011 nicht in Frage stand und der dritte Senat des BFH das auch noch für das Jahr 2013 bejahte, äußerte der elfte Senat für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 schwerwiegenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Nachzahlungszinsen (siehe Deloitte Tax-News).  Die Begründung für die Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe, wonach nicht nur auf die Anlagezinssätze, sondern auch auf die Finanzierungszinssätze mit einer Bandbreite von 0,15% bis 14,70% abzustellen ist, lehnte der BFH in seinem Beschluss für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 ab. Es handelt sich um Sonderfaktoren, die nicht als Referenzwerte für ein realitätsgerechtes Bild geeignet sind.

BMF-Schreiben

In Reaktion auf den Beschluss des BFH, die bisherige Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung wurden die Finanzämter im Hinblick auf die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung mit Schreiben vom 14. Juni 2018 angewiesen, zwischen folgenden Verzinsungszeiträumen zu unterscheiden:

Verzinsungszeiträume ab dem 1. April 2015

Nach dem BMF-Schreiben ist die Aussetzung der Vollziehung der Zinsfestsetzung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. April 2015 auf Antrag des Zinsschuldners in allen Fällen zu gewähren, in denen der Steuerpflichtige gegen den Zinsbescheid Einspruch eingelegt hat. Das gilt für alle Zinsfestsetzungen, in denen der Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO in Höhe von 6% pro Jahr zu Grunde gelegt wurde. Es ist unerheblich, zu welcher Steuerart und für welchen Besteuerungszeitraum die Zinsen festgesetzt wurden. Voraussetzung für die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist, dass Steuerpflichtige gegen den Zinsbescheid Einspruch eingelegt und die Aussetzung der Vollziehung entsprechend beantragt haben.

Verzinsungszeiträume vor dem 1. April 2015

Etwas Anderes gilt für Verzinsungszeiträume vor dem 1. April 2015. Hier bleibt es dabei, dass die Aussetzung der Vollziehung durch die Finanzämter nur zu gewähren ist, wenn die Vollziehung für den Steuerpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen geboten Härte zur Folge hätte und im Einzelfall ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers zu bejahen ist.

Anmerkung

Steuerpflichtige sollten gegen die Festsetzung von Nachzahlungszinsen, Stundungs- und Hinterziehungszinsen sowie gegen Aussetzungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem 1. April 2015 Einspruch einlegen und gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung beim zuständigen Finanzamt beantragen. Hinsichtlich der Frage, welche Zinszeiträume betroffen sind, ist auf den Beginn des Zinslaufs für die jeweiligen Zinsen abzustellen. So beginnt etwa für Hinterziehungszinsen der Zinslauf grundsätzlich erst mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, während der Zinslauf für Nachzahlungszinsen 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, beginnt.

Zu beachten ist, dass derzeit zwei Verfassungsbeschwerden (1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17) zur Frage anhängig sind, ob der gesetzliche Zinssatz von 6% pro Jahr für Verzinsungszeiträume nach dem 31.12.2009 bzw. nach dem 31.12.2011 verfassungswidrig ist. Vor diesem Hintergrund erscheint sinnvoll, auch Zinsfestsetzungen für den Zeitraum vor dem 1. April 2015 offen zu halten.
Sofern das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit feststellen sollte, müssen Steuerpflichtige damit rechnen, dass das BMF sein jetzigen Schreiben aufheben wird.

Betroffene Norm

§§ 233a, 234, 237, 235 AO

Fundstellen

BMF, Schreiben vom 14.12.2018

BMF, Schreiben vom 14.06.2018, IV A 3 - S 0465/18/10005-01

Weitere Fundstellen

BFH, Beschluss vom 25.04.2018, IX B 21/18
Pressemitteilung Nr. 23 vom 14.05.2018
Oberverwaltungsgericht NRW, Urteil vom 10.07.2014, 14 A 1196/13, BVerfG-anhängig: 1 BvR 2237/14
BFH, Urteil vom 09.11.2017, III R 10/16, BFHE 260, S. 9, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss vom 31.05.2017, I R 77/15, BFH/NV 2017, S. 1409
BFH, Urteil vom 14.04.2015, IX R 5/14, BStBl II 2015, S. 986, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 01.07.2014, IX R 31/13, BStBl II 2014, S. 925

Finanzgericht Münster, Urteil vom 17.08.2017, 10 K 2472/16, III R 25/17 (Zeitraum 2012 bis 2015), siehe Deloitte Tax-News
Finanzgericht Köln, Urteil vom 27.04.2017, 1 K 3648/14, Revision zugelassen (für 2015), siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 14.04.2015, IX R 5/14, siehe Deloitte Tax-News

 

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