Der BFH hat mit Urteil vom 16.11.2016 entschieden, dass ein Kreditinstitut, das gegen Entgelt für andere Kreditinstitute im Rahmen der Abwicklung deren „beleghaften“ Zahlungs- und Überweisungsverkehrs Schecks, Überweisungen sowie Lastschriften im Wesentlichen lediglich technisch bearbeitet, keine steuerfreien Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr ausführt.
Die Beteiligten stritten darüber, ob Leistungen eines Kreditinstituts im Rahmen der Abwicklung des Zahlungsverkehrs für andere Kreditinstitute gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG als „Umsätze ... im Zahlungs- und Überweisungsverkehr“ von der Umsatzsteuer befreit sind.
Die Klägerin ist als Kreditinstitut tätig. Im Rahmen ihrer Tätigkeit erbrachte sie in den Streitjahren 2000 bis 2003 gegenüber anderen Kreditinstituten Leistungen, die der Abwicklung des beleghaften Zahlungs- und Überweisungsverkehrs dieser Kreditinstitute dienen. Die vertraglich übernommenen Arbeiten umfassten dabei die Bearbeitung von Schecks, Überweisungen einschließlich Sammelüberweisungen und Lastschriften. Der beleglose Zahlungsverkehr (über Homebanking und SB-Terminal) war vom Leistungsumfang nicht erfasst.
Nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG sind „die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze im Einlagengeschäft, im Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr und das Inkasso von Handelspapieren“ steuerfrei.
Diese Vorschrift beruhte in den Streitjahren auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG und ist deshalb richtlinienkonform auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 13.7.2016, V R 57/04).
Nach Art. 13 Teil B der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 131, 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL) befreiten die Mitgliedstaaten in den Streitjahren „die Umsätze, einschließlich der Vermittlung, im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen, ...“ von der Steuer.
Für die Auslegung der genannten Vorschrift und Bestimmungen sind nach der Rechtsprechung des EuGH u.a. folgende Grundsätze zu beachten:
Nach der zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Rechtsprechung des EuGH können auch Leistungen, die ein Dritter gegenüber einer Bank erbringt, steuerfrei sein. Die Bestimmung weist keine personenbezogenen Elemente auf, sodass sich die Steuerfreiheit nicht auf die von Banken gegenüber ihren Bankkunden unmittelbar erbrachten Leistungen beschränkt (EuGH v. 5.6.1997 – C-2/95, SDC). Eine von dieser Vorschrift erfasste Leistung kann darüber hinaus in verschiedene einzelne Leistungen zerfallen, die dann ihrerseits steuerfrei sein können.
Zu den Anforderungen, die an die einzelne Leistung im Hinblick auf die Steuerfreiheit zu stellen sind, führt der EuGH in dem zur Auslagerung in ein Rechenzentrum ergangenen Urteil SDC u.a. aus, dass die ausgelagerten Dienstleistungen ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sein müssen, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer begünstigten Leistung erfüllt. Bezüglich eines „Umsatzes im Überweisungsverkehr“ müssen die erbrachten Dienstleistungen daher eine Übertragung von Geldern bewirken und zu rechtlichen und finanziellen Änderungen führen.
Die befreite Leistung i.S.d. Richtlinie ist von der Erbringung einer rein materiellen oder technischen Leistung, z.B. der zur Verfügung Stellung eines EDV-Systems, zu unterscheiden. Zu diesem Zweck muss das nationale Gericht insbesondere den Umfang der Verantwortung des Dienstleisters gegenüber den Banken untersuchen, namentlich die Frage, ob dessen Verantwortung auf technische Aspekte beschränkt ist oder sich auf spezifische und wesentliche Elemente der Umsätze erstreckt.
Der Gerichtshof hat entschieden, dass unter Beachtung dieser Grundsätze die Leistungen des klagenden Kreditinstituts nicht gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG steuerfrei sind und begründet diesen Rechtsstandpunkt wie folgt:
Anmerkung
Die Entscheidung fügt sich in eine Reihe von Urteilen des EuGH und des BFH, in denen steuerbefreite Finanzdienstleistungsumsätze von regelbesteuerten rein technischen Dienstleistungen abgegrenzt werden. Das Urteil erläutert vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen konsequent, unter welchen Voraussetzungen eine Dienstleistung als „spezifisch“ und „wesentlich“ im Hinblick auf den von der Steuerbefreiung umfassten Tatbestand anzusehen ist oder – wie im zu entscheidenden Fall – nicht.
Betroffene Normen
UStG § 4 Nr. 8 Buchst. d; Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3
Vorinstanz
FG Sachsen, Urt. v. 25.6.2014 – 1 K 1222/12
Fundstelle
BFH, Urteil vom 16.11.2016, XI R 35/14, BStBl II 2017 Seite 327
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