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01.08.2022
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Zeitnahe Dokumentation der Zuordnung gemischt-genutzter Gegenstände zum Unternehmensvermögen

Für die Dokumentation der Zuordnung ist keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzbehörde erforderlich. Liegen innerhalb der Dokumentationsfrist nach außen hin objektiv erkennbare Anhaltspunkte für eine Zuordnung vor, können diese der Finanzbehörde auch noch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden.

Hintergrund

Bei der Anschaffung oder Herstellung von Gegenständen, die sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwendet werden, setzt der Vorsteuerabzug voraus, dass der Unternehmer beim Leistungsbezug eine Zuordnungsentscheidung trifft. Bei einer teilunternehmerischen Mindestnutzung von 10 % besteht ein Zuordnungswahlrecht. In diesen Fällen kann der Unternehmer den gemischt genutzten Gegenstand insgesamt seinem Unternehmen zuordnen, ihn in seinem nichtunternehmerischen Bereich belassen oder ihn im Umfang der tatsächlichen unternehmerischen Verwendung seinem Unternehmensvermögen zuordnen. Soweit es um das Erfordernis der Dokumentation der Zuordnung gemischt-genutzter Gegenstände zum Unternehmensvermögen geht, betont der BFH in den Nachfolgeentscheidungen zum EuGH Urt. v. 14.10.2021, C-45/20, C-46/20 (siehe dazu Deloitte Tax-News), dass der Unternehmer die Entscheidung, ob er einen gemischt genutzten Gegenstand ganz, teilweise oder gar nicht dem Unternehmen zuordnet, zeitnah treffen muss. In diesem Zusammenhang bedeutet zeitnah, bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuererklärung. Darüber hinaus äußert sich der BFH zu Fragen der konkludenten Zuordnung, den Begriffen „Zuordnung zum Unternehmen“ und „Handeln als Steuerpflichtiger“ und stellt klar, dass § 15 Abs. 1b UStG auf Photovoltaikanlagen, die auf dem Dach eines Hauses montiert sind, keine Anwendung findet.

Sachverhalte

Im ersten Fall ließ ein Gerüstbauunternehmer ein Einfamilienhaus errichten, in dem ein Arbeitszimmer vorgesehen war, das er unternehmerisch nutzen wollte (BFH XI R 3/19; Fortsetzung des Revisionsverfahrens unter BFH XI R 28/21) und in den Planungsunterlagen mit dem Begriff „Arbeiten“ gekennzeichnet war. Den Vorsteuerabzug machte er erstmals in der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2015 geltend, die er im September 2016 abgab.

Im zweiten Fall ließ der Kläger im Jahr 2014 auf seinem Wohnhaus eine Photovoltaikanlage installieren (BFH XI R 7/19; Fortsetzung des Revisionsverfahrens unter BFH XI R 29/21). Den Strom verbrauchte er teilweise selbst, teilweise verkaufte er ihn an Energieversorger. Ende Februar 2016 reichte er die Jahreserklärung für 2104 beim Finanzamt ein. Darin machte er erstmalig die Abzüge geltend, die im Wesentlichen die Vorsteuer über die Lieferung und Installation der Photovoltaikanlage betrafen.

In beiden Fällen versagte das Finanzamt den jeweiligen Vorsteuerabzug mit der Begründung, dass die Zuordnungsentscheidung nach dem Ablauf der Zuordnungsfrist gegenüber dem Finanzamt erklärt wurde. Die Einspruchs- und Klageverfahren in erster Instanz blieben ohne Erfolg. Daraufhin legten die Kläger Revision ein.

Der BFH zweifelte daran, ob die nationale Zuordnungsfrist mit dem Unionsrecht in Einklang steht und legte dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Dieser bestätigte grundsätzlich die Vereinbarkeit der nationalen Ausschlussfrist für die Zuordnungsentscheidung mit dem Unionsrecht.

Nachfolge-Entscheidungen des BFH

Erster Leitsatz der Entscheidungen BFH XI R 28/21 und XI R 29/21:

Für die Dokumentation der Zuordnung (grundlegend BFH-Urteil v. 7.7.2011, V R 42/09, BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76) ist keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzbehörde erforderlich. Liegen innerhalb der Dokumentationsfrist nach außen hin objektiv erkennbare Anhaltspunkte für eine Zuordnung vor, können diese der Finanzbehörde auch noch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden.

Zweiter Leitsatz der BFH XI R 28/21 (Arbeitszimmer):

Für eine Zuordnung zum Unternehmen kann bei Gebäuden die Bezeichnung eines Zimmers als Arbeitszimmer in Bauantragsunterlagen jedenfalls dann sprechen, wenn dies durch weitere objektive Anhaltspunkte untermauert wird. So ist es z.B. dann, wenn der Unternehmer für seinen Gerüstbaubetrieb einen Büroraum benötigt, er bereits in der Vergangenheit kein externes Büro, sondern einen Raum seiner Wohnung für sein Unternehmen verwendet hat, und er beabsichtigt, dies in dem von ihm neu errichteten Gebäude so beizubehalten.

Zweiter Leitsatz der BFH XI R 29/21 (Photovoltaikanlage):

Die Tatsache, dass im Lauf des Jahres, in dem eine Photovoltaikanlage erworben wurde, ein Vertrag mit dem Recht zum Weiterverkauf des gesamten von der Anlage erzeugten Stroms zuzüglich Umsatzsteuer abgeschlossen wurde, ist ein Indiz dafür, dass der Steuerpflichtige die Photovoltaikanlage dem Unternehmen voll zugeordnet hat.

Betroffene Normen

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG; Art. 167, Art. 168 Buchst. a, Art. 168a MwStSystRL; FGO § 105 Abs. 3 S. 2

Anmerkung

Der BFH weist ausdrücklich darauf hin, dass nur die Zuordnung selbst innerhalb der Frist erfolgen muss; die Mitteilung an die Finanzverwaltung kann auch nach Ablauf der Zuordnungsfrist erfolgen.

Die Begriffe „Zuordnung zum Unternehmen“ und Handeln als Steuerpflichtiger“ werden vom BFH synonym verwendet. Der BFH führt aus, dass es beim Erwerb eines gemischt genutzten Gegenstandes von der Wahl des Steuerpflichtigen abhängt, in dieser Eigenschaft zu handeln; die Zuordnung zum Unternehmen kommt dadurch zum Ausdruck, dass der Steuerpflichtige beim Erwerb des Gegenstandes ganz oder teilweise als solcher handelt. Innerhalb der Frist kann der Steuerpflichtige den Gegenstand daher ausdrücklich oder konkludent dem Unternehmen zuordnen. Letzteres setzt voraus, dass eindeutige, nach außen dokumentierbare Anhaltspunkte für eine Zuordnung zum Unternehmen vorliegen. Im Einzelfall und zur Vermeidung von Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung sollten Steuerpflichtige jedoch von einer konkludenten Zuordnung absehen und den jeweiligen Gegenstand ausdrücklich dem Unternehmen zuordnen. Steuerpflichtige mit Photovoltaikanlagen, die auf dem Dach eines Hauses montiert sind, dürfen sich außerdem über die klaren Aussagen des BFH zur Nichtanwendbarkeit des § 15 Abs. 1b UStG freuen (vgl. Abschn. 15.6a Abs. 3 S. 3 UStAE).

Fundstellen

BFH, Urteil vom 04.05.2022, XI R 29/21

BFH, Uteil vom 04.05.2022, XI R 28/21

Weitere Fundstellen

EuGH, Urteil vom 14.10.2021, C 45/20 und C 46/20

BFH, Beschluss vom 18.09.2019, XI R 3/19 und XI R 7/19

Finanzgericht Sachsen, Urteil vom 19.03.2018, 5 K 249/18

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12.09.2018, 14 K 1538/17

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