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13.04.2016
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Steuerfreie Lieferung eines Miteigentumsanteils

Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung geht der erkennende Senat davon aus, dass der Miteigentumsanteil an einer Sache, im Streitfall ein Buch, Gegenstand einer Lieferung sein kann. Diese Lieferung ist trotz fehlenden Buchnachweises steuerfrei, wenn objektiv feststeht, dass der veräußerte Gegenstand unmittelbar nach der Veräußerung in einen anderen Mitgliedstaat gebracht wurde.

Sachverhalt

Ein Kunsthändler (Kläger) ersteigerte im Juli 2008 ein Buch und im selben Monat verkaufte er einen Anteil von 50% an eine in London ansässige Galerie. Der Galerist (Käufer) hatte das Buch in München abgeholt und es im Handgepäck nach London transportiert. Dort wurde das Buch begutachtet und ausgestellt. Im März 2010 verkaufte es die Galerie an eine amerikanische Sammlung. Im Mai 2010 verkaufte der Kläger die restliche Beteiligung am Buch an die Galerie. Das Finanzamt ging zunächst davon aus, dass in 2008 nicht nur ein Anteil am Werk veräußert, sondern Verfügungsmacht am gesamten Werk eingeräumt wurde, da das Buch zur Verwertung überlassen worden sei. Es verneinte die Steuerfreiheit, weil der notwendige Belegnachweis vom Kläger (nachweislich) nicht geführt wurde. Im Zuge des Klageverfahrens revidierte die Behörde ihre Sicht der Dinge und war fortan der Auffassung, dass es sich bei der Veräußerung der Miteigentumsanteile nicht um Lieferungen, sondern um sonstige Leistungen handele.

Entscheidung

Die Ansicht des Finanzamts fand vor den Gerichten keine Bestätigung. Wie schon zuvor das Finanzgericht, sah auch der Bundesfinanzhof (BFH) in der Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Buch eine Lieferung. Eine Beurteilung der Übertragung des Miteigentumsanteils als sonstige Leistung wäre nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Danach können sowohl die Einräumung eines Besitzrechts an einem bebauten Grundstück als auch die eng damit verbundene Übertragung des Resteigentums an einen anderen Erwerber jeweils als Lieferung beurteilt werden (EuGH-Urteil vom 15. Dezember 2005 C-63/04, Centralan Property Ltd.). Miteigentum nach Bruchteilen ist seinem Wesen nach dem Alleineigentum gleichartig, so dass der Miteigentümer dieselbe Rechtsposition hat wie ein Eigentümer. Insofern, so der BFH weiter, handele es sich um eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Hinsichtlich des buch- und belegmäßigen Nachweises stand das Vorliegen der Voraussetzungen für den BFH objektiv und unbestreitbar fest: Die Nachweispflichten seien keine materiellen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung. Das Buch wurde ausweislich der Exportbestätigung vom Käufer im Handgepäck nach London gebracht, dort von einem Papierexperten begutachtet, in der Galerie von Februar bis Mai 2010 ausgestellt und schließlich von dort aus an eine amerikanische Sammlung verkauft. Da auch die Unternehmereigenschaft der Galerie und die Erwerbsbesteuerung in Großbritannien feststehen, liegen die Voraussetzungen der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung vor.

Aktueller Hinweis

Mit Schreiben vom 23.05.2019 kündigt das BMF die Veröffentlichung des BFH-Urteils im BStBl und die Anwendung der geänderten Grundsätze in allen offenen Fällen an. Bei vor dem Tag der Veröffentlichung des Urteils im BStBl ausgeführten Leistungen soll es jedoch nicht beanstandet werden, wenn – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs – zwischen den Beteiligten entsprechend der bisherigen Verwaltungsauffassung übereinstimmend von sonstigen Leistungen ausgegangen wird.

Fundstelle

BFH, Urt. v. 18.02.2016 – V R 53/14

BMF, Schreiben vom 23.05.2019, III C 2 - S 7100/19/10002 :002

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