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22.03.2022
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Keine Minderung der Bemessungsgrundlage bei grenzüberschreitendem Apothekenrabatt

Ein Unternehmer kann für eine in einem anderen Mitgliedstaat erbrachte steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Inland keinen Anspruch auf Steuerminderung geltend machen.

Hintergrund

In der Sache Firma Z hat der EuGH entschieden, dass eine Berichtigung der Bemessungsgrundlage nicht in Betracht kommt, wenn eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Internetapotheke Arzneimittel an gesetzlich Versicherte versendet und ihnen dabei Rabatte gewährt (EuGH, Urt. v. 11.03.2021, C-802/19, Firma Z, siehe auch Deloitte Tax-News). Da die ausländische Versandapotheke steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen in einem anderen Mitgliedsstaat ausführte, verfügte sie im Inland nicht über eine berichtigungsfähige Bemessungsgrundlage.

Mit seiner Nachfolgeentscheidung schließt sich der BFH dem EuGH an und verneint die Berichtigungsfähigkeit der Bemessungsgrundlage.

Sachverhalt

Eine Internetapotheke mit Sitz in den Niederlanden versendete verschreibungspflichtige Arzneimittel an privat und gesetzlich Versicherte im Inland. Die gesetzlichen Krankenkassen verschafften ihren Versicherten die Medikamente im Rahmen des jeweiligen Versicherungsverhältnisses. Die Versandapotheke sagte ihren Kunden für die Beantwortung von Fragen zu Unverträglichkeiten und Vorerkrankungen („Arzneimittel-Check“) eine Aufwandsentschädigung zu. Diese Entschädigung verrechnete sie mit den von den gesetzlichen Versicherten zu entrichtenden Zuzahlungen für das bestellte Arzneimittel. Streitig war, ob die Versandapotheke ihre Bemessungsgrundlage mindern kann. Der BFH setzte das Verfahren aus und fragte den EuGH nach der Übertragbarkeit der Elida-Gibbs-Grundsätze (EuGH, Urt. v. 24.10.1996, C-317/94, Elida Gibbs) auf grenzüberschreitende Sachverhalte. Der EuGH verneinte die Berichtigungsfähigkeit der Bemessungsgrundlage, da die Versandapotheke steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen ausführte.

Entscheidung

Der BFH urteilte, dass der Unternehmer für eine in einem anderen Mitgliedstaat erbrachte steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Inland keinen Anspruch auf Steuerminderung geltend machen kann.

Gewährt der Unternehmer einem Endverbraucher anlässlich einer ersten Lieferung für eine an ihn erbrachte Leistung eine Aufwandsentschädigung, die der Endverbraucher zum verbilligten Bezug einer Ware vom Unternehmer im Rahmen einer zweiten Lieferung verwendet, setzt sich die Bemessungsgrundlage für die zweite Lieferung nach dem BFH aus der (um die Aufwandsentschädigung verminderten) Zahlung und dem Betrag der Aufwandsentschädigung zusammen.

Anmerkung

Die Minderung der Bemessungsgrundlage setzt einen steuerpflichtigen Umsatz voraus. Daran fehlte es im Streitfall. Im Hinblick auf die Lieferbeziehungen hält der BFH an der im Vorlagebeschluss getroffenen und vom EuGH bestätigten Beurteilung fest (vgl. EuGH, Urt. v. 11.03.2021, C-802/19, Firma Z; hierzu auch Deloitte Tax-News). Die Versandapotheke lieferte aus den Niederlanden an gesetzliche Krankenkassen im Inland und führte damit in den Niederlanden steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen aus. Die Lieferungen der gesetzlichen Krankenversicherung an die gesetzlich versicherten Personen sind mangels Entgeltlichkeit nicht steuerpflichtig.

Der BFH sah sich wegen des für Inlandsapotheken geltenden Rabattverbotes nicht dazu veranlasst, über die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der im EU-Ausland ansässigen Versandapotheke zu entscheiden. Eine Ungleichbehandlung kommt nach dem BFH lediglich bei einer vorschriftswidrigen Rabattgewährung durch Inlandsapotheken in Betracht.

Aufgrund des Rechtsstaatsprinzips kann der Versandapotheke nach Auffassung des BFH ein gesetzlich nicht geregelter Erstattungsanspruch nicht zugesprochen werden. Zur Begründung verweist der BFH auf die EuGH-Rechtsprechung in der Sache Deutsche Bank (EuGH, Urt. v. 19.07.2012, C-44/11, Deutsche Bank), wonach das Neutralitätsprinzip als Auslegungsgrundsatz keine Ausweitung des normativen Geltungsbereichs erlaubt.

Die Versandapotheke war nach dem BFH auch nicht zur Entgeltminderung berechtigt, sofern sie zuzahlungsbefreiten Kassenpatienten Aufwandsentschädigungen zugesagte. Ein Anspruch auf Preisnachlass kann zwar grundsätzlich zu einer Minderung des Entgelts führen. Nach der EuGH-Rechtsprechung zu Preisnachlassgutscheinen kommt es jedoch darauf an, ob der Steuerpflichtige diese kostenlos an seine Kunden für den verbilligten Bezug weiterer Waren bei ihm ausgibt (EuGH, Urt. v. 27.03.1990, C-126/88, Boots Company; EuGH, Urt. v. 15.10.2002, C-427/98, Kommission/Deutschland). Die Versandapotheke räumte den Versicherten die Aufwandsentschädigung hingegen nicht kostenlos ein. Mit der Durchführung des Arzneimittel-Checks und der damit einhergehenden Datenüberlassung ermöglichten die Versicherten der Versandapotheke erst verschreibungspflichtige Arzneimittel abzugeben und räumten ihr damit einen Vorteil ein.

Die Frage, ob die von der Versandapotheke gewährten Aufwandsentschädigungen die gesetzlichen Krankenkassen zu einer Minderung der Erwerbssteuer berechtigten, hatte der BFH nicht zu entscheiden.

Betroffene Norm

​§ 17 Abs. 1 UStG

Fundstelle

​BFH, Urteil vom 18.11.2021, V R 4/21 (V R 41/17)​

Weitere Fundstellen

EuGH, Urteil vom 11.03.2021, C-802/19, Firma Z, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss vom 06.06.2019, V R 41/17
​Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 17.02.2017, 1 K 2164/14 U

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