Zurück zur Übersicht
URL: http://mobile.deloitte-tax-news.de/steuern/indirekte-steuern-zoll/bfh-finanzierungsvermittlung-zum-grundstueckserwerb-als-eigenstaendige-nicht-grundstuecksbezogene-leistung.html
03.07.2023
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Finanzierungsvermittlung zum Grundstückserwerb als eigenständige, nicht grundstücksbezogene Leistung

Eine Finanzierungsvermittlung durch Drittlandsunternehmer zugunsten eines im Ausland ansässigen Leistungsempfängers kann eine eigenständige sonstige Leistung sein, die nicht der Ortsvorschrift für grundstücksbezogene Leistungen unterliegt.

Hintergrund

Bezieht ein im Ausland ansässiger Unternehmer, der im Inland Immobilien vermietet, Eingangsleistungen von Drittlandsunternehmern, kann die Bestimmung des zutreffenden Leistungsorts im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten. Handelt es sich bei den Eingangsleistungen um grundstücksbezogene Leistungen, liegt der Leistungsort am Belegenheitsort des Grundstücks im Inland (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG). In der Folge schuldet der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer für die im Inland steuerbare und steuerpflichtige Leistung aufgrund der Steuerschuldumkehr (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG).

Ist hingegen die allgemeine Ortsvorschrift für sonstige B2B-Leistungen einschlägig, liegt der Leistungsort nach dem Empfängerortprinzip grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat des Leistungsempfängers (§ 3a Abs. 2 Satz 1 UStG). Etwas anderes gilt, wenn die Leistung an eine Betriebsstätte des Unternehmers im Inland ausgeführt wird. In diesem Fall ist der Leistungsort der Ort der Betriebstätte (§ 3a Abs. 2 Satz 2 UStG).

Im vorliegenden Sachverhalt, der Vermittlungsleistungen im Zusammenhang mit einem Grundstückserwerb und einer Immobilienfinanzierung betrifft, hat sich der BFH mit diesen Rechtsfragen auseinandergesetzt. Zudem war streitig, ob die Vermietung eines im Inland belegenen Grundstücks durch einen im Ausland ansässigen Vermieter eine inländische Betriebsstätte begründen kann.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine im Drittland ansässige KG. Sie hat einen Gebäudekomplex im Inland erworben und die Flächen teilweise steuerfrei und teilweise steuerpflichtig vermietet. Die Klägerin beschäftigt im Inland kein Personal. Im Zusammenhang mit dem Kauf und der Verwertung der Immobilie bezog die Klägerin Leistungen von Drittlandsunternehmern. Bei diesen Eingangsleistungen handelte es sich u.a. um Vermittlungsleistungen im Zusammenhang mit der Finanzierung des Immobilienerwerbs. Darüber hinaus bezog die Klägerin von einem Drittlandsunternehmer Leistungen im Zusammenhang mit der Immobilienverwertung, u.a. die Koordinierung der Vermietung und die Erstellung von Finanzanalysen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ging das Finanzamt von einer einheitlichen, grundstücksbezogenen Leistung aus. Dagegen wandte sich die Klägerin erfolgreich vor dem FG Berlin-Brandenburg. Nach dem FG lag keine einheitliche, grundstücksbezogene Leistung vor. Das FG nahm jedoch angesichts der Vermietung des Gebäudekomplexes im Inland eine Betriebstätte der Klägerin im Inland an. Der Leistungsbezug war nach Ansicht des FG jedoch nicht der Betriebsstätte, sondern der Unternehmensleitung der Klägerin im Drittland zuzuordnen. Das Finanzamt legte Revision ein. 

Entscheidung

Die Finanzierungsvermittlung kann eine von der Grundstücksvermittlung abgrenzbare und damit eigenständige sonstige Leistung sein, die nicht der Ortsbestimmung für grundstücksbezogene Leistungen unterliegt.

Betroffene Normen

§ 3a Abs. 2 UStG, § 3a Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 UStG, § 13b Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 UStG, Art. 31a MwStVO

Anmerkung

Der Ansicht des FG Berlin-Brandenburg folgend, nahm der BFH mehrere eigenständige Leistungen an. Das Wesensmerkmal der Finanzierungsvermittlung liegt nach dem BFH in der Verschaffung von Liquidität. Die Finanzierungsvermittlung war gegenüber der Grundstücksvermittlung als eigenständig anzusehen. Denn die Klägerin bezog die Vermittlungsleistungen zum Abschluss von Verträgen, die sie mit unterschiedlichen Vertragspartnern, d.h. dem Verkäufer und einem nicht personenidentischen Kreditgeber, abschließen sollte. Die Finanzierungsvermittlung ist daher weder Nebenleistung noch Teil einer einheitlich komplexen Leistung. Ebenso weisen die in der Hausverwaltung, der Abwicklung gesellschaftsrechtlicher Angelegenheiten und der Erarbeitung marktstrategischer Überlegung bestehenden Leistungen einen eigenständigen Charakter auf, so dass eine einheitliche Leistung ausscheidet.

Die bezogenen Leistungen waren nicht als grundstücksbezogene Leistungen einzuordnen. Die Finanzierungsvermittlung wird zwar durch den Grundstückserwerb ausgelöst, sie steht aber nur in einem mittelbaren Zusammenhang mit dem Grundstück. Bei der Finanzierungsvermittlung, die unmittelbar der Geldbeschaffung dient, fehlt es an dem für die Annahme einer grundstücksbezogenen Leistung erforderlichen, hinreichenden Unmittelbarkeitszusammenhang.

Die Entscheidung bestätigt Abschn. 3a.3 Abs. 10 Nr. 6 UStAE, wonach die Finanzierung und Finanzierungsberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks und dessen Bebauung nicht im engen Zusammenhang mit einem Grundstück steht. Grundstücksbezogen ist gemäß Art. 31a Abs. 2 Buchst. o MwStVO die Eigentumsverwaltung, die sich auf den Betrieb von Immobilien durch oder für den Grundstückseigentümer bezieht. Davon erfasst sind Leistungen zur Instandhaltung und Nutzung von Gebäuden (vgl. Erläuterungen zu den 2017 in Kraft tretenden EU MwSt-Bestimmungen zum Ort der Dienstleistung im Zusammenhang mit Grundstücken (DVO (EU) Nr.1042/2013), Rz. 227). Die Portfolioverwaltung im Zusammenhang mit Eigentumsanteilen an Grundstücken ist hingegen nicht grundstücksbezogen (Art. 31a Abs. 2 Buchst. o., Abs. 3 Buchst. g MwStVO, Abschn. 3a.3 Abs. 3 Satz 3 UStAE), da es sich dabei um eine Finanzdienstleistung handelt (EuGH, Urt. v. 19.07.2012, C-44/11, Rz. 54; Erläuterungen zu den 2017 in Kraft tretenden EU MwSt-Bestimmungen zum Ort der Dienstleistung im Zusammenhang mit Grundstücken, Rz. 231 ff.).

Das Bestehen einer Betriebsstätte im Inland hat der BFH offengelassen. Zwar verwies der BFH auf die vom EuGH in der Rechtssache Titanium (EuGH, Urt. v. 03.06.2021, C-931/19, Titanium, Rz. 41) formulierten Grundsätze, wonach eine in einem Mitgliedstaat vermietete Immobilie keine feste Niederlassung begründet, wenn der Immobilieneigentümer nicht über eigenes Personal für die Leistungsbewirkung im Zusammenhang mit der Vermietung verfügt. Selbst beim unterstellten Vorliegen einer Betriebsstätte sind nach dem BFH die Eingangsleistungen der Klägerin nicht der Betriebstätte, sondern der Unternehmensleitung der Klägerin zuzurechnen. Die sich aus der EuGH-Rechtsprechung in der Sache Titanium für ausländische Grundstücksgesellschaften ergebenden offenen Rechtsfragen sind damit weiterhin ungeklärt (vgl. Deloitte Tax News). Bislang geht die Finanzverwaltung bei der steuerpflichtigen Vermietung von Immobilien durch im Ausland ansässige Unternehmer davon aus, dass der Vermieter als im Inland ansässig zu behandeln und der Steuerschuldner ist (Abschn. 13b.11 Abs. 2 Satz 2 UStAE, Abschn. 18.10 Abs. 1 Satz 4 UStAE). Unklar ist, ob die Finanzverwaltung weiterhin an der Ansässigkeitsfiktion festhalten wird. 

Vorinstanz

​Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.03.2021, 7 K 7103/19​

BFH, Urteil vom 16.03.2023, V R 17/21

www.deloitte-tax-news.de Diese Mandanteninformation enthält ausschließlich allgemeine Informationen, die nicht geeignet sind, den besonderen Umständen eines Einzelfalles gerecht zu werden. Sie hat nicht den Sinn, Grundlage für wirtschaftliche oder sonstige Entscheidungen jedweder Art zu sein. Sie stellt keine Beratung, Auskunft oder ein rechtsverbindliches Angebot dar und ist auch nicht geeignet, eine persönliche Beratung zu ersetzen. Sollte jemand Entscheidungen jedweder Art auf Inhalte dieser Mandanteninformation oder Teile davon stützen, handelt dieser ausschließlich auf eigenes Risiko. Deloitte GmbH übernimmt keinerlei Garantie oder Gewährleistung noch haftet sie in irgendeiner anderen Weise für den Inhalt dieser Mandanteninformation. Aus diesem Grunde empfehlen wir stets, eine persönliche Beratung einzuholen.

This client information exclusively contains general information not suitable for addressing the particular circumstances of any individual case. Its purpose is not to be used as a basis for commercial decisions or decisions of any other kind. This client information does neither constitute any advice nor any legally binding information or offer and shall not be deemed suitable for substituting personal advice under any circumstances. Should you base decisions of any kind on the contents of this client information or extracts therefrom, you act solely at your own risk. Deloitte GmbH will not assume any guarantee nor warranty and will not be liable in any other form for the content of this client information. Therefore, we always recommend to obtain personal advice.