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02.11.2016
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Verspätete Antragstellung bei der Energiesteuer-Entlastung hat Rechtsverlust zur Folge

BFH äußert sich zur Festsetzungsfrist bei § 51 EnergieStG

Sachverhalt

Die Klägerin beantragte im Jahr 2011 eine Steuerentlastung nach § 51 Absatz 1 EnergieStG für das 2. Quartal 2011. Für diese Mengen meldete der Versorger der Klägerin die Energiesteuer am 30. Mai 2012 an. Im Januar 2013 reichte die Klägerin einen berichtigten Antrag für das 2. Quartal 2011 und einen erstmaligen Antrag für das 3. Quartal 2011. Der Versorger reichte im Juni 2013 insoweit eine korrigierte Steueranmeldung ein. Das beklagte Hauptzollamt lehnte die Steuerentlastungsanträge ab, da bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei.

Hintergrund

Steueransprüche und Steuervergütungsansprüche nach § 37 AO im Energiesteuerrecht sind jeweils als eigenständige Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis anzusehen. Sie folgen materiell-rechtlich als auch verfahrensrechtlich jeweils eigenen Regeln. Dies betrifft sowohl das Entstehen der Ansprüche als auch deren Anmeldung. Die Energiesteuer entsteht in Abhängigkeit des Energieerzeugnisses nach unterschiedlichen Grundsätzen. Bei der Steuerentlastung wird innerhalb eines Entlastungstatbestandes hinsichtlich des Entstehens des Entlastungsanspruches nicht nach der Art des entlastungsfähigen Energieerzeugnisses differenziert. Steuerschuldner und Entlastungsberechtigter können personenidentisch oder auch personenverschieden sein. Noch komplexer wird es, wenn weit nach Ablauf des Kalenderjahres der Verwendung der Energieerzeugnisse und auch nach Ablauf der gesetzlichen Regelantragsfrist zu einer nachträglichen Anmeldung der Steuer, sei es zu einer erstmaligen Anmeldung der Energiesteuer (z.B. als Ergebnis einer Außenprüfung) oder zu einer Mengenkorrektur der Energieerzeugnisse und damit zu einer nachträglichen Berichtigung der bereits eingereichten Energiesteueranmeldung kommt. In diesen Fällen sieht sich der Verwender nicht selten mit energiesteuerlichen Nachbelastungen des Lieferanten gegenüber. Aufgrund der zivilrechtlichen Verjährungsfrist von 3 Jahren stellt sich für den Verwender die Frage, ob der diese Nachbelastung mit Energiesteuer noch im Wege einer Steuerentlastung geltend machen kann oder ob es insoweit für ihn bei einer Definitivbelastung verbleibt.

Der BFH betrachtet nach Ablauf der Antragsfrist, die mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist zusammenfällt, den Anspruch nach § 47 AO als erloschen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Absatz 1 AO kommt nicht in Betracht (BFH, Urteil vom 12.05.2009, VII R 5/08). Auch ein abweichende Steuerfestsetzung § 163 bzw. eine Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 227 AO ist nach Fristablauf nicht mehr möglich (FG Hamburg, Urteil vom 05.02.2016, 4 K 117/14). Vergleichbar komplexe Fragen stellen sich ebenfalls bei der Stromsteuer. Durch die EnergieStV und die StromStV wurde bereits versucht, dieses Problem durch eine verlängerte Antragsfrist zu lösen.

Demzufolge sind Streitigkeiten in diesem Zusammenhang immer wieder Gegenstand von Entscheidungen der Finanzgerichte. Antragsteller und Hauptzollamt streiten sich, ob der Entlastungsberechtigte den Antrag auf Steuerentlastung noch innerhalb der durch die EnergieStV/StromStV vorgesehenen Antragsfristen eingereicht hat bzw. zum Zeitpunkt des Zugangs beim Hauptzollamt der Anspruch erloschen und/oder wegen Ablaufs der ebenfalls einjährigen Festsetzungsfrist bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

Entscheidungserheblich ist der Beginn der jeweiligen einjährigen Antragsfrist und/ oder Festsetzungsfrist. Unterschiedlich wurde in der Vergangenheit beurteilt, ob für den Fristbeginn neben der „Verwendung“ der Energieerzeugnisse auch noch hinzukommen muss, dass diese bereits „nachweislich versteuert“ sind.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat in seiner Entscheidung vom 27.05.2015 (FG Düsseldorf, Urteil vom 27.05.2015 4 K 1961/14 VSt) in dem Merkmal „nachweislich versteuert“ für den Entlastungstatbestand nach § 9b StromStG nur ein Abgrenzungsmerkmal zur steuerfreien Verwendung gesehen. In eine ähnliche Richtung argumentierte das Finanzgericht Hamburg in seiner Entscheidung vom 05.02.2016 (FG Hamburg, Urteil vom 05.02.2016, 4 K 117/14) zu einer Entlastung von Energiesteuer im Billigkeitswege nach § 227 AO im Hinblick auf § 50 EnergieStG. Der Nachweis der Versteuerung kann einem Entlastungsanspruch nicht entgegengehalten werden. Demgegenüber geht das Finanzgericht München als Ausgangsinstanz der BFH-Entscheidung in seinem Urteil vom 04.02.2016 (FG München, Urteil vom 04.02.2016, 14 K 23/14) davon aus, dass für den Fristbeginn des Antrages nach § 51 Absatz 1 EnergieStG die Energieerzeugnisse nicht nur „verwendet“ werden müssen, sondern dass zusätzlich das konkrete Energieerzeugnis „nachweislich versteuert“ sein muss. Dabei reiche die Festsetzung der Vorauszahlungen nicht aus. Das Finanzgericht leitet die aus der verlängerten Antragsfrist nach § 95 Absatz 1 Satz 4 EnergieStG ab.

Entscheidung des BFH vom 20.09.2016 - VII R 7/16 -

Diesem Verständnis folgt der BFH in seiner Entscheidung vom 20.09.2016 nicht und hob das Urteil des FG München auf. Das Merkmal „nachweislich versteuert“ diene insbesondere dazu, Vergütungsansprüche für steuerfrei bezogene Energieerzeugnisse auszuschließen. Da dem EnergieStG insoweit keine Definition zu entnehmen ist, müsse sich die Interpretation des Merkmals der „nachweislichen Versteuerung“ an dem Sinn und Zweck der Entlastungsregelung und – so der BFH an anderer Stelle – den Zielen des Gesetzgebers und den Interessen der Wirtschaftsbeteiligten orientieren. Weder reiche dazu das Entstehen der Steuer aus, noch bedarf es einer Festsetzung der Steuer durch einen Steuerbescheid oder die Abgabe einer Steueranmeldung durch den Lieferer oder gar die Entrichtung der Steuer. Der BFH fordert allerdings das Erfordernis weiterer Umstände, die eine Steuerentstehung verifizieren.

Diese Umstände leitet er aus dem vom Entlastungsberechtigten zu führenden Buchnachweis nach § 95 Absatz 4 EnergieStG ab. Danach hat der Antragsteller einen buchmäßigen Nachweis zu führen, aus dem sich für den Entlastungsabschnitt die Art, die Menge, die Herkunft und der genaue Verwendungszweck der Energieerzeugnisse ergeben müssen. Dies gilt – so der BFH - zumindest dann, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Lieferer bzw. Versorger die gelieferten Mengen auch in seiner eigenen Dokumentation erfasst hat und die – wiederum unterstellt - korrespondierenden Aufzeichnungen beim Lieferer (§ 79 Absatz 2 EnergieStV) ausreichende Gewähr für die Durchsetzung des Steueranspruchs beim Lieferer bieten. Unter diesen Voraussetzungen entsteht der Vergütungsanspruch bereits mit der steuerbegünstigten Verwendung des Energieerzeugnisses. Der Realakt der Verwendung ist für den Beginn der Ausschlussfrist nach § 95 Absatz 1 Satz 3 EnergieStV maßgebend. Die Festsetzungsfrist beginnt dann folglich mit Ablauf des Jahres, in dem die Energieerzeugnisse durch den Entlastungsberechtigten verwendet worden sind.

Im entschiedenen Fall war nach Auffassung des BFH für die beantragte Vergütung bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Die Festsetzungsfrist für den erstmaligen Antrag für das 3. Quartal 2011 endete zum 31.12.2012. Der Änderungsantrag für das 2. Quartal 2011 ist ebenfalls nach Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt worden, da mit Ablauf der Festsetzungsfrist ebenfalls zum 31.12.2012 der Vorbehalt der Nachprüfung entfiel (nach § 164 Absatz 4 Satz 1 AO).

Beiläufig und ohne dass es für den Fall entscheidungserheblich war, hat sich der BFH ferner zum Anwendungsreich der verlängerten Antragsfrist nach § 95 Absatz 1 Satz 4 EnergieStG geäußert. Dieser lautet: „Erfolgt die Festsetzung der Steuer erst, nachdem die Energieerzeugnisse verwendet worden sind, wird abweichend von Satz 3 die Steuerentlastung gewährt, wenn der Antrag spätestens bis zum 31. Dezember des Jahres gestellt wird, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer festgesetzt worden ist.“ Der BFH geht insoweit davon aus, dass über § 95 Absatz 1 Satz 4 EnergieStV keine Verlängerung der Antragsfrist erreicht werden kann, da der Entlastungsanspruch bereits kraft Gesetzes erloschen ist. Der BFH geht folglich von einem restriktiven Verständnis dieser Vorschrift aus, so dass Entlastungsanträge insoweit ins Leere gehen.

Folgen für die Praxis

Der BFH setzt damit seine restriktive Auffassung fort. Für die Praxis bedeutet dies, dass Entlastungsanträge spätestens bis zum 31. Dezember des Jahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Energieerzeugnisse verwendet worden sind, beim Hauptzollamt gestellt werden müssen. Dies gilt auch dann, wenn der Lieferer von Erdgas Mengen nachträglich in Rechnung stellt. Nach Ablauf der o.g. Frist ist der Anspruch erloschen und Festsetzungsverjährung eingetreten. Eine Änderung von Steuerentlastungsanträgen nach § 51 EnergieStG ist damit nicht mehr möglich. Die Energiesteuer wird dann zu einer Definitivbelastung. Obschon dieses Urteil nur zu § 51 Absatz 1 EnergieStG ergangen ist, dürften die Grundsätze auch für die anderen energie- und stromsteuerlichen Entlastungsansprüche anzuwenden sein.

Entlastungsberechtigte, die kurz vor oder nach Ablauf der o.g. Ein-Jahres-Frist Nachbelastungen vom Lieferer erhalten, und eine fristgerechte Antragstellung insoweit nicht mehr möglich ist, sollten sich bewusst sein, dass die nachbelastete Energiesteuer/Stromsteuer zu einer Definitivbelastung werden kann. Insofern sind vor Zahlung der Energiesteuer evtl. Einwendungen oder Gegenansprüche genauestens zu prüfen.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 20.09.2016, VII R 7/16

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