Seit Anfang Juli ist der Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Novellierung des Grunderwerbsteuergesetzes, welchen das BMF zur Abstimmung an die Länder vorgelegt hat, verfügbar (Bearbeitungsstand: 15.06.2023).
Zu beachten ist, dass es sich hierbei noch nicht um einen finalen Referentenentwurf, sondern um einen in Abstimmung befindlichen Entwurf handelt – die Länder haben dem Diskussionsentwurf somit noch nicht zugestimmt.
Laut dem Entwurf sind umfangreiche Änderungen bei der Grunderwerbsteuer geplant. Im Wesentlichen lassen sich diese wie folgt zusammenfassen:
- Die bisherigen (Grund-)Tatbestände § 1 Abs. 1 GrEStG (u.a. Grundstückskauf/-einbringung, Verschmelzung, Anwachsung) und § 1 Abs. 2 GrEStG (Verwertungsbefugnis am Grundstück) bleiben.
- Zur Förderung des Erwerbs von selbstgenutzten Wohneigentum erhalten die Länder die Befugnis, für Rechtsvorgänge im Sinne des § 1 Absatz 1 GrEStG einen ermäßigten Steuersatz (auch 0%) einzuführen, bei denen der Erwerber des Grundstücks eine natürliche Person ist und das Grundstück nach dem Erwerb eigenen Wohnzwecken dienen soll. Die Länder sind befugt, die Förderung auf den Ersterwerb oder einen bestimmten (Frei-)Betrag der Bemessungsgrundlage zu beschränken.
- Vollständige Reform der Ergänzungstatbestände für sogenannte „Share Deals“.
- Die Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 2a bis 3a und Abs. 4 GrEStG werden aufgehoben. An den bisherigen Anteilsquoten von mind. 90% und an den Zehnjahresfristen wird nicht mehr festgehalten.
- Stattdessen Einführung einer Neuregelung § 1a GrEStG für Share Deals.
- Hierdurch sollen die besteuerungswürdigen Share Deals insgesamt unterbunden werden.
- Steuerbar sind unmittelbare/mittelbare Anteilserwerbe an einer Grundstücksgesellschaft bei Vereinigung der Gesamtheit der Anteile (100%) in der Hand eines Erwerbers oder in der Hand einer Erwerbergruppe.
- Grundstücksgesellschaft ist eine Gesellschaft, der ein inländisches Grundstück aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 GrEStG zuzurechnen ist oder wenn sie die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück nach § 1 Abs. 2 GrEStG innehat.
- Ein Anteil an einer Grundstücksgesellschaft (oder an einer vermittelnden Gesellschaft) bestimmt sich bei Kapitalgesellschaften anhand der prozentualen Beteiligung am Kapital und bei Personengesellschaften anhand der prozentualen Beteiligung am Vermögen.
- Der Umfang einer prozentualen Beteiligung an einer Grundstücksgesellschaft bestimmt sich bei mehreren Beteiligungsstufen durch Multiplikation der prozentualen Beteiligungen auf jeder Stufe („Durchrechnen“).
- Als Anteil an einer Grundstücksgesellschaft (oder an einer vermittelnden Gesellschaft) gelten daneben auch Rechtspositionen, die es einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, einen Anteil an einer Grundstücksgesellschaft (oder an einer vermittelnden Gesellschaft) auf eigene Rechnung zu verwerten (d.h. Einführung einer Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG auch für Anteile).
- Mehrere Anteilserwerber werden als Erwerbergruppe besteuert, wenn sie ihre Erwerbe miteinander abgestimmt haben und gemeinsam die Gesamtheit der Anteile an einer Grundstücksgesellschaft unmittelbar oder mittelbar erwerben (z.B. sogenannte Co-Investor-Fälle).
- Anteile, die im „dienenden Interesse“ der Erwerber gehalten oder erworben werden, werden nicht gezählt bzw. den anderen Erwerbern zugerechnet.
- Damit soll eine Besteuerung in Fällen sichergestellt werden, in denen ein Erwerber oder eine Erwerbergruppe weniger als 100% der Anteile vereinigt, die anderen Anteile allerdings in ihrem Interesse gehalten werden, sodass sie wirtschaftlich eine ähnliche Position haben, als ob sie die Gesamtheit der Anteile vereinigt hätten.
- Ein dienendes Interesse einer Person liegt regelmäßig vor, wenn
- der gemeine Wert der von der Person gehaltenen Anteile geringer als die Grunderwerbsteuer ist, die bei einer Vereinigung der Anteile in der Hand eines Erwerbers oder einer Erwerbergruppe entstehen würde,
- die Gesellschafterrechte der Person beschränkt sind oder nachträglich beschränkt werden,
- die Person aufgrund ihrer Gesellschafterstellung – anders als die anderen Gesellschafter – nur eine Fest- oder Mindestvergütung erhält (Ausnahme: GAV) oder
- auf die Person ein „mitbestimmender Einfluss“ ausgeübt werden kann durch den Erwerber, ein Mitglied der Erwerbergruppe, einen von diesen Beauftragten oder eine Person, die auch auf den Erwerber oder ein Mitglied der Erwerbergruppe einen mitbestimmenden Einfluss ausüben kann. - Sondervermögen von offenen Immobilienfonds werden in die Besteuerung einbezogen:
- Grundstücksgesellschaft (bzw. vermittelnde Gesellschaft) ist auch ein Sondervermögen i.S. des § 1 Abs. 10 KAGB oder ein vergleichbares Investmentvermögen in Vertragsform nach ausländischem Recht, wenn dem Sondervermögen ein Grundstück (bzw. Anteile an einer Grundstücksgesellschaft) zuzurechnen sind.
- Als Anteile gelten die Anteilsscheine an einem Sondervermögen. Entsprechendes gilt für Berechtigungen an einem vergleichbaren ausländischem Investmentvermögen in Vertragsform oder Berechtigungen an einem Teilfonds.
- Ein Grundstück ist auch dann einem Sondervermögen zuzurechnen, wenn das Grundstück von der Kapitalverwaltungsgesellschaft vermögensrechtlich für das Sondervermögen gehalten wird und das Grundstück der Kapitalverwaltungsgesellschaft grunderwerbsteuerlich zugerechnet wird. D.h. also eine zweifache Zurechnung von Grundstücken zum zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentümer.
- Die bisherigen Steuerbefreiungen in §§ 5, 6 GrEStG für Personengesellschaften und die Konzernklausel § 6a GrEStG werden in einen neuen § 5 GrEStG überführt.
- Die bisherigen Steuerbefreiungen in §§ 5, 6 GrEStG für Personengesellschaften gelten aufgrund der Neuregelung in § 5 GrEStG nun auch für Kapitalgesellschaften.
- Die Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern wird auf alle Erwerbsvorgänge erweitert (also auch auf Grundstücksübertragungen), wenn sich der bestimmende Einfluss über das Grundstück dadurch nicht verändert oder soweit vor oder nach einem Erwerbsvorgang eine Person an einem Grundstück beteiligt bleibt.
- D.h. soweit sich die Beherrschung eines Grundstücks nicht ändert, fehlt es im Ergebnis an einem besteuerungswürdigen Rechtsträgerwechsel.
- Steuerschuldner beim neuen Ergänzungstatbestand § 1a GrEStG sind der Erwerber bzw. die Mitglieder einer Erwerbergruppe und die vermittelnden Gesellschaften.
- Es wird eine persönliche Haftung der Grundstücksgesellschaft und eine dingliche Haftung des Grundstücks für die Grunderwerbsteuer eingeführt.
- Die Grundstücksgesellschaft haftet für die Grunderwerbsteuer, wenn die Steuerschuldner den Erwerbsvorgang nach § 1a GrEStG nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt haben.
- Verlängerung der Anzeigefrist in § 19 GrEStG von zwei Wochen auf einen Monat.
- Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung von Grunderwerbsteueranzeigen nach § 19 GrEStG nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz.
- Inkrafttreten der Neuregelungen am 01.01.2024.
- Inkrafttreten des MoPeG (Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (BGBl. I S. 3436)) mit Wirkung ab 01.01.2024 (Wegfall der gesamthänderischen Vermögensbindung) führt nicht zur rückwirkenden Versagung von Steuerbefreiungen nach § 5 Abs. 1 und 2 und § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG. D.h. keine Verletzung der in §§ 5, 6 GrEStG normierten Nachbehaltensfristen. § 5 Abs. 3 Satz 1 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG sind bis zum Ablauf der dort genannten Fristen weiter anzuwenden.
- Nachbehaltensfristen für Steuerbefreiungen nach § 6a GrEStG laufen unverändert weiter.
In einer ersten Einschätzung des Entwurfs lassen sich die Pros und Cons der möglichen Neuregelungen wie folgt zusammenfassen:
Pro:
- Regelungen der Grunderwerbsteuer werden rechtsformneutral ausgestaltet, d.h. keine Differenzierung zwischen Kapital- und Personengesellschaften mehr
- Keine Berücksichtigung von mehreren, parallel geltenden Erwerbstatbeständen
- Beseitigung von Umstrukturierungshürden im Konzern
- Anteils- und Grundstücksverschiebungen innerhalb des Konzerns sind nicht steuerbar, vorausgesetzt die Gesamtheit der Anteile einer Grundstücksgesellschaft und die Grundstücke werden im Konzern gehalten
- Geringerer Überwachungsaufwand
- Gesetzliche Regelung für die Zurechnung von Grundstücken (Berücksichtigung der neueren BFH-Rechtsprechung im Gesetz)
- Keine grunderwerbsteuerliche Organschaft mehr
Contra:
- Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe („Erwerbergruppe“, „dienendes Interesse“, „mitbestimmender Einfluss“)
- Doppelzurechnung von Anteilen durch Einführung einer Verwertungsbefugnis auch für Gesellschaftsanteile
- Doppelzurechnung von Grundstücken sowohl den Kapitalverwaltungsgesellschaften als auch dem Sondervermögen