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11.09.2014
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

BFH: Mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft durch schuldrechtliche Bindungen

Auch schuldrechtliche Bindungen können zur Annahme einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft gem. § 1 Abs. 2a GrEStG führen. Dabei kann – unter Berücksichtigung grunderwerbsteuerlicher Besonderheiten – auf die Grundsätze zum „wirtschaftlichen Eigentum“ (§ 39 Abs. 1 Nr. 2 AO) zurückgegriffen werden.

Sachverhalt

An der Klägerin, einer grundstücksbesitzenden GmbH & Co. KG, waren die Kommanditisten A und B beteiligt. Komplementärin ohne Vermögensbeteiligung war die A-GmbH, deren Gesellschafter ebenfalls A und B waren. 2001 veräußerten die Gesellschafter der Klägerin ihre Kommanditanteile an X, wobei B einen Anteil von 5,6 % zurückbehielt. X war zudem berechtigt, jederzeit die Übertragung des zurückbehaltenen Teilkommanditanteils von B zu verlangen. Wurde diese Kaufoption nicht spätestens bis zum 31.12.2006 ausgeübt, konnte B von X den Erwerb verlangen. Außerdem übertrug B das Gewinnstammrecht des zurückbehaltenen Teilkommanditanteils auf X.

Das Finanzamt sah die Voraussetzungen einer steuerbaren Änderung des Gesellschafterbestandes (unmittelbar 94,4 % und mittelbar 5,6 %) nach § 1 Abs. 2a GrEStG i.V.m. § 42 AO als erfüllt an und setzte Grunderwerbsteuer fest. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg.

Entscheidung

Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht erfüllt sei, da es die Anforderungen an eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes verkannt habe.

Nach § 1 Abs. 2a GrEStG gilt, wenn zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück gehört und sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes grunderwerbsteuerpflichtiges Geschäft. Dies könne in einem Vorgang oder in mehreren Teilakten – innerhalb eines Zeitraumes von 5 Jahren – geschehen (vgl. BFH-Urteile v. 16.05.2013 und v. 18.04.2012).

Eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft liege vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft übergehe (z.B. BFH-Urteile vom 16.01.2013 und vom 24.04.2013). Dabei komme es auf wirtschaftliche Gesichtspunkte nicht an (vgl. BFH-Urteil v. 29.02.2012).

Bei einer mittbaren Änderung scheide eine Anknüpfung an das Zivilrecht aus, da es zivilrechtlich keine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft gebe. Es bleibt nur eine an wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtete Auslegung. Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes könne vorliegen, wenn sich aufgrund schuldrechtlicher Bindungen ergebe, dass der Anteil eines unmittelbar (zivilrechtlich) Beteiligten am Gesellschaftsvermögen einem Dritten (fiktiver Neugesellschafter) zuzurechnen ist.

Obwohl die Grundsätze zum wirtschaftlichen Eigentum (§ 39 Abs. 1 Nr. 2 AO) bei Steuerarten, die – wie vorliegend die Grunderwerbsteuer – an zivilrechtliche Vorgänge anknüpfen, grundsätzlich nicht anwendbar seien, komme nach Sachlage von Einzelfällen eine Ausnahme in Betracht. So komme es beim Merkmal der „mittelbaren Änderung“ nicht auf die zivilrechtlichen, sondern die wirtschaftlichen Gegebenheiten an.

Zwar genüge das Vorliegen einer bloßen Kaufoption oder – wie vorliegend – einer „Doppeloption“ nicht, um (stets) wirtschaftliches Eigentum der Käuferseite anzunehmen. Denn um wirtschaftliches Eigentum annehmen zu können, müsse der Käufer (hier: X) aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben haben, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Zudem müsse er die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte besitzen sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sein.

Dies sei vorliegend der Fall, da die Option X eine Erwerbsmöglichkeit gegeben habe, die ihm nicht mehr gegen seinen Willen hätte entzogen werden können. Da zudem der Kaufpreis bereits festgelegt worden war, habe X auch die wirtschaftlichen Chancen einer Wertsteigerung des Anteils und Risiken einer Wertminderung getragen.

Schließlich habe X aufgrund der Vereinbarung zur Übertragung des Gewinnstammrechts die mit dem Teilkommanditanteil verbundenen wesentlichen Rechte erhalten. Daran ändere weder die mögliche zivilrechtliche Nichtigkeit der Übertragung noch die nicht erfolgte Übertragung des Stimmrechts etwas, da letzteres für X aufgrund der Vereinbarung mit B wirtschaftlich weitgehend an Bedeutung verloren hätte.

Anmerkung

Ländererlasse vom 12.11.2018

Das BFH-Urteil ist für den Bereich des Grunderwerbsteuerrechts auch insoweit anwendbar, als der BFH für die Zurechnungsentscheidung einen Rückgriff auf das wirtschaftliche Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO vornimmt. 

Betroffene Norm

§ 1 Abs. 2a GrEStG
Streitjahr 2001

Vorinstanz

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27.07.2011, 2 K 364/08, EFG 2013, S. 395, siehe Deloitte Tax-News 

Fundstellen

BFH, Urteil vom 09.07.2014, II R 49/12  

Pressemitteilung Nr. 63 vom 10.09.2014

Ländererlasse vom 12.11.2018

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 16.05.2013, II R 3/11, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 24.04.2013, II R 17/10, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 16.01.2013, II R 66/11, BFH/NV 2013, S. 653, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 18.04.2012, II R 51/11, BFHE 236, S. 569, siehe Deloitte Tax-News  

BFH, Urteil vom 29.02.2012, II R 57/09, BStBl II 2012, S. 917, siehe Deloitte Tax-News  
 

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