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04.12.2014
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

BFH: BVerfG-Vorlage zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens

Mit Urteil vom 10.04.2018 hat das BVerfG die Einheitsbewertung für Zwecke der Grundsteuer für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt und den Gesetzgeber bis zum 31.12.2019 zu einer Neuregelung aufgefordert.

BVerfG, Urteil vom 10.04.2018, 1 BvR 889/12, 1 BvR 639/11, 1 BvL 1/15, 1 BvL 12/14, 1 BvL 11/14, siehe Deloitte Tax-News  
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BFH-Beschluss vom 22.10.2014
Der BFH hält die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens (spätestens) ab dem Bewertungsstichtag 01.01.2009 für verfassungswidrig, weil die Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse am Hauptfeststellungszeitpunkt 01.01.1964 für die Einheitsbewertung zu Folgen führe, die mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs.1 GG) nicht mehr vereinbar seien. Der BFH legt diese Vorschriften daher dem BVerfG zur Prüfung vor.

Sachverhalt

Der Kläger erwarb im Jahr 2008 ein Ladenlokal im ehemaligen Westteil von Berlin. Das Finanzamt führte für den Kläger keine Wertfortschreibung durch, sondern legte fest, dass der gegenüber dem Voreigentümer festgestellte Einheitswert fortgelten solle. Der Kläger ist der Ansicht, dass dieser Einheitswert ihm gegenüber keine Bindungswirkung entfalten könne, weil die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens wegen des lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts 01.01.1964 verfassungswidrig seien. Einspruch und Klage blieben jeweils ohne Erfolg.

Entscheidung

Dem Bundesverfassungsgericht sei die Frage vorzulegen, ob die Vorschriften des BewG über die Einheitsbewertung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstießen, wovon der BFH ausgehe.

Einheitswerte werden für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, für Betriebsgrundstücke, und für andere Grundstücke festgestellt werden. Sie sind neben den Steuermesszahlen und den von den Gemeinden festgelegten Hebesätzen Grundlage für die Bemessung der Grundsteuer. Hauptfeststellungszeitpunkt ist für die alten Bundesländer und West-Berlin der 01.01.1964.

Die in § 27 BewG angeordnete Anknüpfung an die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt solle die Gleichmäßigkeit der Bewertung innerhalb eines Hauptfeststellungszeitraums sichern. Alle auf das Wertniveau abgestellten Bewertungsfaktoren seien daher auf die Wertverhältnisse dieses Hauptfeststellungszeitpunkts zurückzubeziehen. Demgegenüber führe eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach § 22 Abs. 1 und 4 BewG zu einer Wertfortschreibung. Nach § 27 BewG seien auch in diesem Zusammenhang nicht die Wertverhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt, sondern diejenigen im Hauptfeststellungszeitpunkt maßgebend.

Abweichend von § 21 Abs. 1 BewG, wonach die Einheitswerte in Zeitabständen von je sechs Jahren allgemein festgestellt werden (Hauptfeststellung), sei seit 1964 keine Hauptfeststellung mehr durchgeführt worden. Der BFH ist der Ansicht, dass die Maßgeblichkeit dieser veralteten Wertverhältnisse (spätestens) seit dem Feststellungszeitpunkt 01.01.2009 wegen des 45 Jahre zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts nicht mehr mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung des Steuerrechts (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar sei.

Knüpfe die Besteuerung – wie bei der Grundsteuer – an die Werte von Wirtschaftsgütern an, müssten Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbildeten.
Durch den Verzicht auf weitere Hauptfeststellungen sei es aber zu dem Gleichheitssatz widersprechenden Wertverzerrungen bei den Einheitswerten gekommen. Der Gesetzgeber habe damit den aus dem Gleichheitssatz folgenden verfassungsrechtlichen Auftrag verfehlt, die Vermögensgegenstände mit Gegenwartswerten zu erfassen oder vergangenheitsbezogene Werte entwicklungsbegleitend fortzuschreiben, um eine in der Relation der Vermögenswerte realitätsgerechte Bewertung sicherzustellen. Die seit 1964 eingetretene rasante städtebauliche Entwicklung gerade im großstädtischen Bereich, die Fortentwicklung des Bauwesens nach Bauart, Bauweise, Konstruktion und Objektgröße sowie andere tiefgreifende Veränderungen am Immobilienmarkt fänden keinen angemessenen Niederschlag im Einheitswert.

Der BFH vertritt indes nicht die Auffassung, dass das Niveau der Grundsteuer insgesamt zu niedrig sei und angehoben werden müsse. Vielmehr ginge es lediglich darum, dass die einzelnen wirtschaftlichen Einheiten innerhalb der jeweiligen Gemeinde im Verhältnis zueinander realitätsgerecht bewertet werden müssten. Nur eine solche Bewertung könne gewährleisten, dass die Belastung mit Grundsteuer sachgerecht ausgestaltet werde und mit dem Gleichheitssatz vereinbar sei.

Betroffene Normen

§§ 19, 21, 22, 27 BewG, Art. 3 Abs.1 GG
Streitjahr 2009

Vorinstanz

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.02.2013, 3 K 3190/09

Fundstellen

BVerfG, Urteil vom 10.04.2018, 1 BvR 889/12, 1 BvR 639/11, 1 BvL 1/15, 1 BvL 12/14, 1 BvL 11/14, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss vom 22.10.2014, II R 16/13

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