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10.02.2012
Erbschaftsteuer

Hessisches FG: Verzicht auf Ausgleichsanspruch führt zur Schenkung

Sachverhalt

Die Klägerin lebt mit ihrem Ehemann in Gütertrennung und wird steuerlich mit ihm zusammenveranlagt. Steuererstattungen der Eheleute wurden entsprechend dem Wunsch der Eheleute in vollem Umfang auf ein Konto der Klägerin überwiesen. Das Finanzamt sah darin schenkungsteuerpflichtige Vorgänge. Der Ehemann hatte seiner Ehefrau über fünf Jahre hinweg mehrere Darlehen gewährt, ohne hierfür Vereinbarungen über Laufzeit, Tilgung und Verzinsung zu treffen. Der Zinsvorteil aus dem unverzinslichen Darlehen wurde von dem Finanzamt ebenfalls der Schenkungsteuer unterworfen. Gegen die Festsetzung der Schenkungsteuer wurde Klage erhoben.

Entscheidung

Das Finanzamt hat den Verzicht auf den Ausgleich von Steuerguthaben zugunsten eines in Gütertrennung lebenden Ehegatten und die Gewährung zinsloser Darlehen zutreffend als schenkungsteuerpflichtig behandelt.

Eine freigebige Zuwendung setzt voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich ist (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Eine Bereicherung ist gegeben, wenn eine Vermögensverschiebung den Gesamtvermögensbestand und -wert des Empfängers erhöht hat. Dies erfordert, dass der Empfänger über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Entscheidend hierfür ist die geltende Zivilrechtslage.

Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin mit Überweisung der Steuererstattungsbeträge auf ihr Konto durch den Verzicht ihres Ehemannes auf seine bestehenden Ausgleichsansprüche für den jeweiligen Veranlagungszeitraum endgültig objektiv bereichert wurde. Die Klägerin hatte weder einen Rechtsanspruch auf diese Leistung noch war die Zuwendung ihres Ehemannes mit einer Gegenleistung der Klägerin verknüpft. Wählen Ehegatten den Güterstand der Gütertrennung, so sind sie Inhaber getrennter Vermögensmassen, ein steuerfreier Ausgleich entstandener Vermögensdisparitäten ist nicht möglich (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.10.2001).Gegenseitige Ausgleichsleistungen unterliegen als sogenannte unbenannte oder ehebedingte Zuwendungen selbst dann der Schenkungsteuer, wenn sie lediglich darauf abzielen, den Empfänger angemessen an den Früchten des ehelichen Zusammenwirkens zu beteiligen (BFH-Urteil vom 02.03.1994). Nichts Anderes kann gelten, wenn ein Ehegatte auf seinen Anteil der gemeinsamen Steuererstattung endgültig verzichtet.

Die freigebige Zuwendung des Ehemannes der Klägerin erfüllt auch den subjektiven Tatbestand. Der (einseitige) "Wille zur Unentgeltlichkeit" liegt vor, wenn sich der Zuwendende der Unentgeltlichkeit der Zuwendung derart bewusst ist, dass er seine Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung erbringt. Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass dem Ehemann der Klägerin bereits aufgrund seines kaufmännischen Verständnisses klar gewesen sein musste, dass der überwiegende Teil der überwiesenen Steuererstattungen auf seine wirtschaftliche Tätigkeit entfällt und dass der weitestgehende Teil dieser Erstattungen ihm zustand und bei einer Überweisung auf ein Konto der Klägerin entsprechend auszugleichen war.

Die Ermittlung des Wertes der einzelnen Schenkungen hat sich an der geltenden Zivilrechtslage zu orientieren. Der BGH vertritt die Ansicht, dass die Aufteilung der Steuerschuld und der sich hieraus ergebenden Erstattungs- und Nachzahlungsansprüche anhand fiktiver getrennter Veranlagungen der Ehegatten zu ermitteln ist. Nur diese (aufwendigere) Vorgehensweise berücksichtige die konkrete steuerliche Situation der Ehegatten und führe dadurch zu einem "einkommensteuerkonformen" Ergebnis (BGH-Urteil vom 31.05.2006). Dementsprechend werden zur Ermittlung des Wertes der jeweiligen freigebigen Zuwendung fiktive getrennte Veranlagungen der Ehegatten durchzuführen sein.

Die Gewährung zinsloser Darlehen stellt hinsichtlich der damit verbundenen Nutzungsmöglichkeit des Kapitals regelmäßig eine freigebige Zuwendung dar, durch die der Bedachte bereichert wird (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 12.07.1979). Die Zuwendung der Nutzungsvorteile erfolgte objektiv unentgeltlich und erfüllte auch den subjektiven Tatbestand, da der Senat überzeugt ist, dass der Ehemann der Klägerin in dem Bewusstsein und mit dem Willen der (objektiven) Unentgeltlichkeit seiner Zuwendung handelte. Der Wert der Bereicherung wurde zutreffend dadurch bestimmt, dass der Jahreswert des Zinsvorteils mit 5,5 % zugrunde gelegt und im Hinblick auf die unbestimmte Laufzeit des Darlehens mit dem Vervielfältiger von 9 multipliziert wurde (§ 13 Abs. 2 BewG iVm § 15 Abs. 1 BewG, vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 29.06.2005). Der Zinsverzicht kann auch nicht als ein (steuerfreies) übliches Gelegenheitsgeschenk angesehen werden (§ 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG). Gegen das Urteil wurde beim BFH Revision eingelegt: II R 64/11.

Betroffene Norm

§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, § 10 Abs. 1 ErbStG
Streitjahre 1987 bis 1997

Fundstelle

Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 29.08.2011, 1 K 3381/03, BFH-anhängig: II R 64/11

Weitere Fundstellen

BGH, Urteil vom 31.05.2006, XII ZR 111/03, HFR 2006, S. 1037
BFH, Urteil vom 12.07.1979, II R 26/78, BStBl II 1979, S. 631
BFH, Urteil vom 29.06.2005, II R 52/03, BStBl II 2005, S. 800
BFH, Urteil vom 02.03.1994, II R 59/92, BStBl II 1994, S. 366
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.10.2001, 4 K 1832/00, EFG 2002, S. 209

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