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21.01.2011
Erbschaftsteuer

EuGH-Vorlage: Auswirkung der Kapitalverkehrsfreiheit auf die ErbSt

Sachverhalt

Die Klägerin ist die Alleinerbin ihres 2007 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehörte u.a. eine 100%-Beteiligung an einer kanadischen Kapitalgesellschaft. Das Finanzamt setzte Erbschaftsteuer fest, ohne den Freibetrag von 225.000 € und den verminderten Wertansatz von 65% zu berücksichtigen, die für Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland gelten (§ 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 des ErbStG (2007)). Mit der Revision rügt die Klägerin, der Sachverhalt sei am Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit zu prüfen; diese verlange die Gewährung der Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG.

Entscheidung

Der BFH hat den EuGH zur Klärung der Frage angerufen, ob es mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, dass der Erwerb eines im Privatvermögen befindlichen Anteils an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in einem Drittstaat (hier: Kanada) von der Gewährung der Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG ausgeschlossen ist.

Die Klägerin hat zur Zeit der Entstehung der Erbschaftsteuer ihren Wohnsitz im Inland, sodass der gesamte Vermögensanfall einschließlich des Auslandsvermögens der Erbschaftsteuer unterliegt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Der Freibetrag von 225.000 € und der verminderte Wertansatz gelten für Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland, wenn der Erblasser oder Schenker am Nennkapital dieser Gesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar beteiligt war. Im Hinblick auf das EuGH-Urteil vom 17.01.2008 ordnete die Finanzverwaltung an, die Steuervergünstigungen des § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG u.a. auch auf Anteile an nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten anzuwenden (vgl. z.B. Erlass des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 16.07.2008). Durch das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008 gehören nunmehr im Privatvermögen befindliche Anteile an einer Kapitalgesellschaft zum begünstigten Vermögen, wenn sie zur Zeit der Entstehung der Steuer Sitz oder Geschäftsleitung im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums hat und der Erblasser oder Schenker am Nennkapital dieser Gesellschaft zu mehr als 25 v.H. unmittelbar beteiligt war. Der Erwerb von im Privatvermögen befindlichen Anteilen an Kapitalgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung in Drittstaaten ist nach wie vor nicht begünstigt (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG n.F.).

Es sprechen gute Gründe dafür, dass eine Erbschaft auch insoweit in den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit fällt, als sich darin Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft befinden, die es deren Inhaber ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen. Zu den grundsätzlich verbotenen Beschränkungen des Kapitalverkehrs gehören Maßnahmen, die dadurch eine Wertminderung des Nachlasses bewirken, dass die Erbschaftsteuer deshalb höher ist, weil in den Nachlass (auch) ausländisches Vermögen fällt und dafür ungünstigere Regelungen als für inländisches Vermögen gelten. Es stellt danach eine grundsätzlich verbotene Beschränkung des Kapitalverkehrs dar, dass die Steuervergünstigungen des § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG nach dem Gesetzeswortlaut in Verbindung mit den erwähnten Verwaltungsanweisungen nur auf Anteile an Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland und auf Anteile an nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten anzuwenden sind, nicht aber auf Kapitalgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung in einem Drittstaat. Somit ist zu prüfen, ob die Beschränkung des freien Kapitalverkehrs nach den Bestimmungen des Vertrags (Art. 57 und 58 EG) gerechtfertigt werden kann. Nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 17.01.2008) kann nicht angenommen werden, dass es an der objektiven Vergleichbarkeit der Situation schon wegen des unterschiedlichen Orts von Sitz und Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaften fehlt. Entscheidend ist vielmehr, dass in den Nachlass fallende Anteile an Kapitalgesellschaften bei unbeschränkter Steuerpflicht unabhängig davon der Erbschaftsteuer unterliegen, wo die Gesellschaften Sitz und Geschäftsleitung haben; denn die Steuerpflicht bezieht sich nach dieser Vorschrift auf den gesamten Vermögensanfall.

Der BFH ist der Auffassung, dass Art. 56 Abs. 1 EG in gleicher Weise auch für Betriebsvermögen in Drittstaaten gelten müsse. Denn nach Art. 56 Abs. 1 EG sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten. Ob dieser Rechtsstandpunkt zutrifft, kann aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des EuGH nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden und bedarf daher der Klärung durch den EuGH.

Betroffene Norm

§ 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 ErbStG (2007)
Streitjahr 2007

Vorinstanz

Finanzgericht Bremen, Urteil vom 28.10.2009, 3 K 34/09 (1), EFG 2010, S. 66

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 15.12.2010, II R 63/09, BStBl II 2011, S. 221

Weitere Fundstellen

EuGH, Urteil vom 17.01.2008, C 256/06, Jäger, Slg. 2008, I 123, BFH/NV Beilage 2 2008, S. 120
Erlass des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 16.07.2008, 3 - S 3831/4, DStR 2008, S. 1537

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