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30.04.2021
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BMF: Steuerliche Anerkennung von Arbeitgeberleistungen zur Prävention und Gesundheitsförderung

Mit BMF-Schreiben vom 20.04.2021 hat die Finanzverwaltung eine Umsetzungshilfe zur steuerlichen Anerkennung von arbeitgebergeförderten Präventions-und betrieblichen Gesundheitsförderungsleistungen nach § 3 Nr. 34 EStG veröffentlicht.

Hintergrund

Nach § 3 Nr. 34 EStG sind zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken und zur Förderung der Gesundheit in Betrieben, die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung, Zielgerichtetheit und Zertifizierung den Anforderungen der §§ 20 und 20b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) genügen, soweit sie 600 Euro je Kalenderjahr und Arbeitnehmer nicht übersteigen, steuerfrei.

Nach der Gesetzesbegründung fallen unter diese Steuerbefreiung Maßnahmen zur individuellen verhaltensbezogenen Prävention, die nach § 20 Abs. 2 S. 2 SGB V zertifiziert sind sowie gesundheitsförderliche Maßnahmen in Betrieben (betriebliche Gesundheitsförderung), die den vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) nach § 20 Abs. 2 S. 1 und § 20b Abs. 1 SGB V festgelegten Kriterien entsprechen.

Verwaltungsanweisung

 Die Umsetzungshilfe befasst sich mit der für die Praxis bedeutsamen Frage, welche konkreten Leistungen des Arbeitgebers von der Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 34 EStG erfasst sind. Diesbezüglich weist die Umsetzungshilfe zunächst auf die unterschiedlichen Anforderungen der §§ 20 und 20b SGB V hin.

Potentiell nach Maßgabe des § 3 Nr. 34 EStG steuerfreie Leistungen sollen sein:

Individuelle verhaltensbezogene Prävention (zertifizierte Präventionskurse)

Leistungen zur individuellen verhaltensbezogenen Prävention werden grundsätzlich in Form von Präventionskursen erbracht und sollen den Einzelnen motivieren und befähigen, Möglichkeiten einer gesunden, Störungen und Erkrankungen vorbeugenden Lebensführung auszuschöpfen.

  • Zertifizierte Präventionskurse der KrankenkassenDie zertifizierten Präventionskurse der Krankenkassen finden in der Regel außerhalb des Betriebsgeländes statt und werden durch den Arbeitgeber bezuschusst. Leistet der Arbeitgeber einen Zuschuss an die Krankenkasse, ist der auf den teilnehmenden Arbeitnehmer entfallende Zuschuss steuerfrei. Sofern der Arbeitnehmer selbst in finanzielle Vorleistung getreten ist, kann er bei seinem Arbeitgeber unter Vorlage der Teilnahmebescheinigung eine Arbeitgeberförderung beantragen. Der Arbeitgeberzuschuss kann höchstens bis zu der beim Arbeitnehmer nach Abzug des Krankenkassenzuschusses verbliebenen Vorleistung steuerfrei sein.
  • Zertifizierte Präventionskurse auf Veranlassung des Arbeitgebers
    Für Leistungen, die der Arbeitgeber zur individuellen verhaltensbezogenen Prävention gewährt, kommt die Steuerbefreiung in Betracht, wenn die Leistungen durch eine Krankenkasse oder in ihrem Namen durch einen mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe beauftragten Dritten zertifiziert sind.

Nicht zertifizierte Präventionskurse des Arbeitgebers

Für im Auftrag des Arbeitgebers allein für dessen Beschäftigte erbrachte Präventionskurse besteht mangels Beteiligung der gesetzlichen Krankenkassen keine Zertifizierungsmöglichkeit.

Nicht zertifizierte Präventionskurse des Arbeitsgebers können jedoch unter folgenden Voraussetzungen steuerfrei sein:

  • die Leistungen sind Bestandteil eines betrieblichen Gesundheitsförderungsprozesses, der nach § 20b SGB V bezuschusst wurde, beziehungsweise wird, oder
  • die nicht zertifizierten Präventionskurse genügen hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen des § 20 SGB V und werden im Auftrag eines Arbeitgebers allein für dessen Beschäftigte durchgeführt sowie vom Leistungsanbieter nicht mit demselben Konzept auch für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung angeboten.

Leistungen betrieblicher Gesundheitsförderung im Handlungsfeld „gesundheitsförderlicher Arbeits- und Lebensstil“

Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung des Arbeitgebers werden von der Steuerbefreiung erfasst, wenn die Leistungen Bestandteil eines betrieblichen Gesundheitsförderungsprozesses sind und im Handlungsfeld „gesundheitsförderlicher Arbeits-und Lebensstil“ erbracht werden. Für Präventionskurse nach § 20 SGB V sind die o.g. Voraussetzungen zu beachten, auch wenn sie im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung erbracht werden.

Die Leistungen müssen im Rahmen eines strukturierten innerbetrieblichen Prozesses (zum Beispiel gesteuert durch ein internes betriebliches Gremium) mit Analyse des Bedarfs (zum Beispiel durch Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Analyse des Krankenstandes, partizipative Methoden wie Gesundheitszirkel oder Zukunftswerkstätten) und unter Einbindung der Beschäftigten beziehungsweise ihrer Vertretungen sowie – sofern vorhanden – der für Sicherheit und Gesundheit verantwortlichen Fachkräfte im Betrieb (zum Beispiel Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte) erbracht werden.

Die Steuerfreiheit gilt u.a. für im Schreiben beispielhaft aufgeführte Leistungen im Handlungsfeld „Gesundheitsförderlicher Arbeits- und Lebensstil“ mit den Präventionsprinzipien „Stressbewältigung und Ressourcenstärkung“, „Bewegungsförderliches Arbeiten und körperlich aktive Beschäftigte“, „Gesundheitsgerechte Ernährung im Arbeitsalltag“ sowie „Verhaltensbezogene Suchtprävention im Betrieb“.

Bewertung der Leistungen und Zufluss

Die Leistungen des Arbeitgebers sind grundsätzlich mit den um übliche Preisnachlässe geminderten Endpreisen am Abgabeort anzusetzen (§ 8 Abs. 2 S. 1 EStG). Zuzahlungen des Arbeitnehmers sind auf den Endpreis anzurechnen. Der Umsetzungshilfe zufolge bestehen grundsätzlich keine Bedenken, wenn die Leistungen des Arbeitgebers aus Vereinfachungsgründen mit den tatsächlichen Aufwendungen des Arbeitgebers bewertet werden. Die Aufwendungen sind zu gleichen Teilen auf alle am Präventionskurs teilnehmenden oder beim Vortrag anwesenden Arbeitnehmer aufzuteilen.

Die Leistungen des Arbeitgebers fließen dem Arbeitnehmer mit Beginn des Präventionskurses oder Vortrags zu.

Leistungen, die nicht nach § 3 Nummer 34 EStG steuerfrei sind

Nicht unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG fallen dem BMF zufolge insbesondere:

  • Mitgliedsbeiträge in Sportvereinen, Fitness-Studios und ähnlichen Einrichtungen,
  • Maßnahmen ausschließlich zum Erlernen einer Sportart,
  • Trainingsprogramme mit einseitigen körperlichen Belastungen (zum Beispiel Spinning als Training nur der unteren Extremitäten),
  • physiotherapeutische Behandlungen, Massagen,
  • Screenings (Gesundheitsuntersuchungen, Vorsorgeuntersuchungen) ohne Verknüpfung mit Interventionen aus den Handlungsfeldern der betrieblichen Gesundheitsförderung der Krankenkassen,
  • Maßnahmen von Anbietern, die ein wirtschaftliches Interesse am Verkauf von Begleitprodukten (zum Beispiel Diäten, Nahrungsergänzungsmitteln) haben,
  • Maßnahmen, bei denen der Einsatz von Medikamenten zur Gewichtsabnahme, Formula-Diäten (Nahrungsersatz- oder -ergänzungsmittel) sowie extrem kalorienreduzierter Kost propagiert wird,
  • Aufwendungen für Arbeitsmittel, Sport- und Übungsgeräte, Einrichtungsgegenstände und bauliche Maßnahmen,
  • Zuschüsse zur Kantinenverpflegung,
  • mit den Präventionsleistungen im Zusammenhang stehende Neben-oder Zusatzleistungen (zum Beispiel Verpflegungs-, Reise- und Unterkunftskosten),
  • Eintrittsgelder in Schwimmbäder, Saunen, Teilnahme an Tanzschulen,
  • Gestellung/Bezuschussung von Bildschirmarbeitsplatzbrillen bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen der R 19.3 Absatz 2 Nummer 2 Lohnsteuer-Richtlinien,
  • Leistungen des Arbeitgebers für nicht zertifizierte Präventionskurse (abgesehen von den o.g. Ausnahmen).

Im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse liegende Arbeitgeber-Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung

Losgelöst von der Regelung des § 3 Nr. 34 EStG sind Leistungen des Arbeitgebers zur betrieblichen Gesundheitsförderung kein Arbeitslohn, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse (vgl. dazu vergleiche BFH-Urteil vom 09.05.2019, VI R 28/17) erbracht werden. Die Umsetzungshilfe enthält einen umfangreichen Katalog solcher Leistungen, die nach Auffassung der Finanzverwaltung im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen sollen.

An dieser Stelle seien beispielhaft nur die folgenden Leistungen genannt, die nach Ansicht des BMF im ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse erfolgen und daher keinen Arbeitslohn darstellen:

  • Leistungen zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen (zum Beispiel Bereitstellung von Aufenthalts- und Erholungsräumen, Duschanlagen),
  • Aufwendungen für Sport- und Übungsgeräte, Einrichtungsgegenstände und bauliche Maßnahmen (zum Beispiel im betriebseigenen Fitnessraum),
  • Leistungen zur Förderung von Mannschaftssportarten durch Zuschüsse, auch an Betriebssportgemeinschaften oder Bereitstellung einer Sporthalle/eines Sportplatzes ohne Individualsportarten (zum Beispiel Tennis, Squash und Golf),
  • Arbeitsplatzausstattung (zum Beispiel höhenverstellbarer Schreibtisch),
  • Schutzimpfungen entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO),
  • Aufwendungen für Gesundheits-Check-Ups und Vorsorgeuntersuchungen, höchstens bis zu dem Betrag, den die gesetzlichen Krankenkassen für diese Leistungen erstatten würden.

Betroffene Norm

 § 3 Nr. 34 EStG

Praxishinweis

 Die Sinnhaftigkeit einzelner Regelungen und Aussagen der Umsetzungshilfe ist allerdings nicht immer zu erkennen. Während die Übernahme von Mitgliedsbeiträgen in Sportvereinen und Fitness-Studios zu den nicht von der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG begünstigten Leistungen zählen soll, soll die Zurverfügungstellung eines betriebseigenen Fitnessraums im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse sein und damit kein Arbeitslohn vorliegen. Hier ist sicherlich zu bedenken, dass für die ganz überwiegende Mehrzahl der Arbeitgeber gar nicht die bauliche Möglichkeit besteht, einen betriebseigenen Fitnessraum einzurichten. Auch die Übernahme von nach Annahme des BMF einseitigen körperlichen Belastungen, wie z. B. Spinning sowie Aufwendungen für Sport- und Übungsgeräte, Eintrittsgelder in Schwimmbäder, soll nicht der Regelung des § 3 Nr. 34 EStG unterfallen. Dagegen sollen Leistungen zur Förderung von Mannschaftssportarten durch Zuschüsse, auch an Betriebssportgemeinschaften oder die Bereitstellung einer Sporthalle oder eines Sportplatzes ohne Individualsportarten aufgrund des hier vom BMF angenommenen überwiegend eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers insofern steuerbegünstigt sein, dass erst gar kein Arbeitslohn vorliegt. Welchen Maßstab und welche Logik die Finanzverwaltung hier anlegt, erschließt sich einem jedenfalls nicht ohne weiteres.

Warum soll Mannschaftssport für die Gesundheit förderlicher sein als der Individualsport? Mit dem § 3 Nr. 34 EStG sowie der Rechtsprechung zum ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse stehen unterschiedlich Konzepte nebeneinander, die in der Gesamtschau zu fragwürdigen Ergebnissen führen.

Fundstelle

 BMF, Schreiben vom 20.04.2021, IV C 5 - S 2342/20/10003 :003

Weitere Fundstellen

 BFH, Urteil vom 09.05.2019, VI R 28/17, BStBl II S. 785, siehe Deloitte Tax-News 

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