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11.02.2011
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Tank- und Geschenkgutscheine mit Wertangabe können Sachbezug sein

Sachverhalt

In drei Urteilen streiten die Beteiligten über die Abgrenzung zwischen steuerpflichtigem Barlohn und einem bis zur Freigrenze von monatlich 44 Euro (ab 2004, 50 Euro bis 2003) steuerfreiem Sachlohn (Sachbezug).

Ein Arbeitgeber (Kläger) hat seinen Arbeitnehmern das Recht eingeräumt, auf seine Kosten gegen Vorlage einer Tankkarte bei einer bestimmten Tankstelle bis zu einem Höchstbetrag von 44 Euro monatlich zu tanken (VI R 27/09). Ein anderer Arbeitgeber (Kläger) hat seinen Arbeitnehmern Tankgutscheine bei einer Tankstelle ihrer Wahl überlassen (VI R 41/10). Im Urteil VI R 21/09 haben die Arbeitnehmer anlässlich ihres Geburtstages Geschenkgutscheine einer großen Buchhandelskette über 20 Euro von ihrem Arbeitgeber (Kläger) erhalten.

Die Arbeitgeber beurteilten diese Zuwendungen jeweils als Sachlohn und behielten angesichts der Freigrenze keine Lohnsteuer ein. Die Finanzämter gingen auf Grundlage von Verwaltungserlassen von nicht steuerbefreitem Barlohn aus und haben entsprechende Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheide erlassen. Die Finanzgerichte bestätigten die Finanzämter.

Entscheidung

Der BFH hat in sämtlichen Streitfällen Sachlohn angenommen, die Vorentscheidungen aufgehoben und den Klagen stattgegeben.

Zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Dazu rechnen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert (Sachbezüge). Sachbezüge bleiben außer Ansatz, wenn die Vorteile insgesamt 50 Euro (bis 2003) und 44 Euro (ab 2004) im Kalendermonat nicht übersteigen (Freigrenze § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG).

Ob Barlöhne oder Sachbezüge vorliegen, entscheidet sich nach dem Rechtsgrund des Zuflusses. Es ist die Frage zu stellen: Welche Leistung kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen beanspruchen? Sachbezug unterscheidet sich von Barlohn durch die Art des arbeitgeberseitig zugesagten und daher arbeitnehmerseitig zu beanspruchenden Vorteils selbst und nicht durch die Art und Weise der Erfüllung des Anspruchs auf den Vorteil. Kann der Arbeitnehmer lediglich die Sache selbst beanspruchen, liegen daher Sachbezüge vor. Unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer die Sache unmittelbar vom Arbeitgeber bezieht oder ob der Arbeitnehmer die Sache von einem Dritten auf Kosten des Arbeitgebers bezieht.

Hat der Arbeitnehmer dagegen einen Anspruch darauf, dass sein Arbeitgeber ihm anstelle der Sache den Barlohn in Höhe des Werts der Sachbezüge ausbezahlt, liegen auch dann keine Sachbezüge, sondern Barlohn vor, wenn der Arbeitgeber die Sache zuwendet. Dementsprechend hatte der erkennende Senat auch schon Einkaufsgutscheine, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber statt der Barauszahlung des tarifvertraglichen Urlaubsgeldes wahlweise bezogen hatte, nicht als Sachbezug, sondern als Barlohnverwendung qualifiziert (BFH-Urteil vom 06.03.2008).

Ein Sachbezug liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Recht einräumt, einen Anspruch, eine Sach- oder Dienstleistung beziehen zu können. Der Qualifikation als Sachbezug steht nicht entgegen, dass Arbeitnehmer keine konkreten Sachen oder konkreten Dienstleistungen erhalten. Ein Sachbezug liegt auch vor, wenn Arbeitnehmern lediglich Gutscheine überlassen werden, die sie zum Bezug einer von ihnen selbst auszuwählenden Sach- oder Dienstleistung berechtigen und die bei einem Dritten einzulösen oder auf den Kaufpreis anzurechnen sind. Unerheblich ist insoweit, dass solche Gutscheine, je nach Aussteller, im täglichen Leben ähnlich dem Bargeld verwendbar sein mögen.

Von Sachlohn geht der erkennende Senat in Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 27.10.2004) auch aus, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber lediglich die Übernahme der Kosten für einen Sach- oder Dienstleistungsbezug oder dessen Bezuschussung beanspruchen kann (Sachlohnzuwendung im Wege der abgekürzten Leistungserbringung). Somit ist es unerheblich, ob der Arbeitnehmer selbst Vertragspartner des die Leistung erbringenden Dritten - etwa der Tankstelle oder des Buchhändlers - wird, oder ob der Arbeitgeber die Sachleistung beim Dritten bezieht und sie an den Arbeitnehmer weitergibt oder abtritt. Denn lohnsteuerrechtlich ist nicht der zwischen Arbeitnehmer und gegebenenfalls Drittem zustande gekommene Kaufvertrag, sondern der zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestehende Dienstvertrag entscheidend.

Der erkennende Senat folgt nicht der in R 31 Abs. 1 Satz 7 der Lohnsteuer-Richtlinien 2004 ff. niedergelegten Auffassung der Finanzverwaltung, wonach ein bei einem Dritten einzulösender Gutschein dann kein Sachbezug sein soll, wenn neben der Bezeichnung der abzugebenden Ware oder Dienstleistung auch ein anzurechnender Betrag oder ein Höchstbetrag angegeben ist. Nach den vorgenannten Grundsätzen ist auch ein solcher Gutschein keine in Geld bestehende Einnahme i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG. Denn die Zuwendung eines Sachwerts wird nicht dadurch zu einer Geldzuwendung, dass der Zuwendende eine Wertobergrenze für die zu beziehende Sache bestimmt. Die Festlegung der Wertobergrenze in Form einer Währungseinheit folgt vielmehr aus der Notwendigkeit, für steuerliche Zwecke auch eine nicht in Geld bestehende Zuwendung in Geld bewerten zu müssen; dies gilt indessen für alle Formen einer Sachzuwendung.

Betroffene Norm

§ 8 Abs. 2 Sätze 1 und 9 EStG, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG

Streitjahre 2003 bis 2006, 2005 bis 2007, 2003 bis 2005

 

Anmerkungen

Nach der Rechtsprechung des BFH kann man den steuerpflichtigen Arbeitslohn nunmehr grundlegend in 4 Kategorien einteilen:

 

  1. Barlohn;
  2. Abgekürzter Zahlungsweg: der Arbeitgeber erfüllt Verbindlichkeiten anstelle des Arbeitnehmers, zu behandeln als Barlohn;
  3. Arbeitnehmer kann aussuchen, ob er eine Sachleistung oder Geldleistung bezieht, zu behandeln als Barlohn;
  4. Arbeitnehmer kann nur die Sachleistung beanspruchen, keine Barlohnzahlung, zu behandeln als Sachbezug.

Die Rechtsprechung des BFH und die damit verbundene Behandlung als Sachbezug eröffnet auch hinsichtlich der steuerlichen Behandlung weitergehende Möglichkeiten. Sachbezüge, deren geldwerte Vorteile nicht pauschal versteuert wurden und die nicht unter die Rabattfreibetragsregelung gem. § 8 Abs. 3 EStG fallen, bleiben nämlich bis zu einer Gesamtsumme von 44 € im Kalendermonat außer Ansatz (§ 8 Abs. 2 Satz 9 EStG). Barlohn unterliegt demgegenüber nicht der Freigrenze nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG. Mögliche Auswirkungen können sich damit u.a. auch im Bereich der Pauschalierung nach § 37 b EStG ergeben. Sagt beispielsweise der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer die Gewährung einer Tantieme in Höhe von € 8.000 in Form einer Urlaubsreise (Reisegutschein) zu, so fließt dem Arbeitnehmer entsprechend Sachlohn zu. Die Anwendung des möglicherweise „günstigen“ Pauschalsteuersatzes von 30% könnte in diesen Fällen prinzipiell Anwendung finden. Es bleibt nunmehr abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf diese geänderte Rechtsprechung reagiert.

 

Vorinstanz

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2008, 13 K 2626/07, EFG 2009, S. 1373, siehe Zusammenfassung in Deloitte Tax-News
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.11.2009, 2 K 1432/09, EFG 2011, S. 42
Finanzgericht München, Urteil vom 03.03.2009, 8 K 3213/07, EFG 2009, S.1011

Fundstelle

BFH, Urteil vom 11.11.2010, VI R 27/09, BStBl II 2011, S. 386

BFH, Urteil vom 11.11.2010, VI R 41/10, BStBl II 2011, S. 389BFH, Urteil vom 11.11.2010, VI R 21/09, BStBl II 2011, S. 383

 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 06.03.2008, VI R 6/05, BStBl II 2008, S. 530
BFH, Urteil vom 27.10.2004, VI R 51/03, BStBl II 2005, S. 137

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