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10.04.2012
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Mehraufwendungen für die Verpflegung bei mehreren Tätigkeitsstätten

Sachverhalt

VI R 36/11
Der als Rettungsassistent tätige Kläger bezog in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger übte seine Tätigkeit in zwei Rettungswachen aus und hielt sich im Rahmen von Einsätzen in Notarzt- bzw. Rettungswagen auf.
Der Kläger begehrte den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen. Dies lehnte der Beklagte (das Finanzamt) mit der Begründung ab, dass die genannten Rettungswachen und der Notarztwagen die jeweiligen regelmäßigen Arbeitsstätten seien, so dass der Kläger keine Einsatzwechseltätigkeit ausgeübt habe. Auch das Finanzgericht wies die Klage aus selben Gründen ab.

VI R 23/11
Der Kläger ist als Feuerwehrmann bei der Stadt beschäftigt und bezieht aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zu seinen dienstlichen Aufgaben gehören auch Bereitschaftsdienste als Fahrer eines Noteinsatzfahrzeugs des Evangelischen Krankenhauses. Der Bereitschaftsdienst dauert regelmäßig 24 Stunden. Für den Bereitschaftsdienst steht dem Kläger im Krankenhaus ein seperates Dienstzimmer zur Verfügung.
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte der Kläger Mehraufwendungen für die Verpflegung für die Zeit der Bereitschaftsdienste als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Dies lehnte sowohl der Beklagte (das Finanzamt) als auch das Finanzgericht ab.

Entscheidung

Ob die Mehraufwendungen für die Verpflegung als Werbungskosten geltend gemacht werden können, ist abhängig davon, ob der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit (regelmäßige Arbeitsstätte) entfernt betrieblich tätig wird oder wenn der Steuerpflichtige bei seiner individuellen beruflichen Tätigkeit typischerweise nur an wechselnden Tätigkeitsstätten oder auf einem Fahrzeug tätig wird.

Regelmäßige Arbeitsstätte ist (nur) der (ortsgebundene) Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen hat. Dies ist im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht (vgl. BFH-Urteil vom 22.09.2010).
Ein größeres, räumlich geschlossenes Gebiet kann zwar als regelmäßige Arbeitsstätte und als Tätigkeitsmittelpunkt in Betracht kommen. Dies gilt allerdings nur, wenn es sich um ein zusammenhängendes Gelände des Arbeitgebers handelt (vgl. BFH-Urteil vom 17.06.2010).

Nach früherer Rechtsprechung des BFH konnte ein Arbeitnehmer auch mehrere regelmäßige Arbeitsstätten nebeneinander innehaben. Diese Rechtsprechung hat der Senat jedoch zwischenzeitlich aufgegeben (vgl. BFH-Urteil vom 09.06.2011). Denn der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers kann nur an einem Ort liegen. Nur insoweit kann sich der Arbeitnehmer auf die immer gleichen Wege einstellen und so (etwa durch Fahrgemeinschaften oder eine zielgerichtete Wohnsitznahme in der Nähe der regelmäßigen Arbeitsstätte) auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken. Übt der Arbeitnehmer hingegen an mehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers seinen Beruf aus, ist es ihm regelmäßig nicht möglich, die anfallenden Wegekosten durch derartige Maßnahmen gering zu halten. Denn die unter Umständen nicht verlässlich vorhersehbare Notwendigkeit, verschiedene Tätigkeitsstätten aufsuchen zu müssen, erlaubt es dem Arbeitnehmer nicht, sich immer auf die gleichen Wege und eine kostengünstige Verpflegungssituation einzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 18.06.2009). In einem solchen Fall lässt sich die Einschränkung der Steuererheblichkeit von Wegekosten durch die Entfernungspauschale nicht rechtfertigen.

Ist der Arbeitnehmer in mehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers tätig, sind deshalb die Umstände des Einzelfalles zu würdigen und der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit zu bestimmen. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, welcher Tätigkeitsstätte der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugeordnet worden ist, welche Tätigkeit er an den verschiedenen Arbeitsstätten im Einzelnen wahrnimmt und welches konkrete Gewicht dieser Tätigkeit zukommt. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer eine Tätigkeitsstätte im zeitlichen Abstand immer wieder aufsucht, reicht für die Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte jedenfalls dann nicht aus, wenn der Steuerpflichtige fortdauernd und immer wieder verschiedene Betriebsstätten seines Arbeitgebers aufsucht. Der regelmäßigen Arbeitsstätte muss vielmehr hinreichend zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsorten zukommen.

VI R 36/11
Die Revision ist begründet, das Verfahren wurde an das Finanzgericht zurückverwiesen. Das Finanzgericht hat nun festzustellen, ob der Kläger in den Streitjahren überhaupt eine regelmäßige Arbeitsstätte innehatte oder ob er nicht insgesamt eine Auswärtstätigkeit ausgeübt hat. Ist das nicht der Fall, wird zu entscheiden sein, in welcher Tätigkeitsstätte der Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit des Klägers lag und welche damit als regelmäßige Arbeitsstätte galt. Dazu hat das Finanzgericht festzustellen, ob und welcher betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers der Kläger zugeordnet war, welche Tätigkeit er an den verschiedenen Arbeitsstätten im Einzelnen wahrnahm und welches Gewicht dieser Tätigkeit jeweils zukam.

VI R 23/11
Die Revision ist begründet, denn der Einsatz des Klägers im Krankenhaus führte schon deshalb nicht zu einer regelmäßigen Arbeitsstätte, weil es sich dabei nicht um eine betriebliche Einrichtung seines Arbeitgebers handelt. Der Kläger befand sich vielmehr dort ebenso wie während der Rettungseinsätze jeweils auf Auswärtstätigkeit. Das Finanzgericht hat im zweiten Rechtsgang festzustellen in welchem Umfang die auswärtigen Beschäftigungen stattgefunden haben.

Betroffene Norm

§ 4 Abs. 5, § 9 Abs. 1, 5

Vorinstanzen

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 24.11.2010, 7 K 1574/10 E, EFG 2011, S. 1516 (zu VI R 23/11)
Finanzgericht Münster, Urteil vom 18.01.2011, 15 K 2392/07 E, EFG 2011, S. 1778 (zu VI R 36/11)

Fundstellen

BFH, Urteil vom 19.01.2012, VI R 23/11
BFH, Urteil vom 19.01.2012, VI R 36/11

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 22.09.2010, VI R 54/09, BStBl II 2011, S. 354, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 17.06.2010, VI R 20/09, BStBl II 2012, S. 32
BFH, Urteil vom 09.06.2011, VI R 36/10, BStBl II 2012, S. 36, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 09.06.2012, VI R 55/10, BStBl II 2012, S. 38, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 18.06.2009, VI R 61/06, BStBl II 2010, S. 564

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