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23.07.2013
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: 1%-Regelung nur bei tatsächlich zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagen

Die Anwendung der 1%-Regelung setzt voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat. Kann nicht festgestellt werden, ob eine Überlassung zur privaten Nutzung vorliegt, so kann dies nicht durch den Beweis des ersten Anscheins ersetzt werden. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass Fahrzeuge aus dem Fuhrpark des Arbeitgebers stets einem oder mehreren Arbeitnehmern zur privaten Nutzung zur Verfügung stehen und auch privat genutzt werden.

Sachverhalt

Der Kläger beschäftigt etwa 80 Mitarbeiter, darunter auch seinen Sohn S. Im Betriebsvermögen befanden sich mehrere Kraftfahrzeuge, die für betriebliche Fahrten zur Verfügung standen. Arbeitsvertraglich war es verboten, die betrieblichen Fahrzeuge privat zu nutzen. Fahrtenbücher wurden nicht geführt. Das Finanzamt ging davon aus, dass eins der betrieblichen Kraftfahrzeuge von S auch privat genutzt wurde. Es beurteilte dies als einkommensteuerpflichtigen Sachbezug, den es nach der sogenannten 1%-Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bewertete. Streitig ist vor diesem Hintergrund, ob ein geldwerter Vorteil für die Überlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Zwecken anzusetzen ist.

Entscheidung

Überlässt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, begründet das einen zu erfassenden Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers. Wird kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt und steht daher der tatsächliche Umfang der privaten Nutzung des Dienstwagens durch den Arbeitnehmer nicht fest, spricht nach der bisherigen Rechtsprechung aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis) für eine auch private Nutzung des überlassenen Dienstwagens. Allerdings kann der Anscheinsbeweis durch den Gegenbeweis entkräftet werden. Der Anscheinsbeweis ist schon dann entkräftet, wenn ein Sachverhalt substantiiert dargelegt wird, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt. Die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen, das betriebliche Fahrzeug nicht für Privatfahrten genutzt oder Privatfahrten ausschließlich mit anderen Fahrzeugen durchgeführt zu haben, genügt allerdings nicht, um die Anwendung der 1%-Regelung auszuschließen.

Steht nicht fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat, kann auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen. Denn der Anscheinsbeweis streitet nur dafür, dass ein vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassener Dienstwagen auch tatsächlich privat genutzt wird. Der Anscheinsbeweis streitet aber weder dafür, dass dem Arbeitnehmer überhaupt ein Dienstwagen aus dem vom Arbeitgeber vorgehaltenen Fuhrpark zur Verfügung steht, noch dafür, dass er einen solchen (unbefugt) auch privat nutzt. Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist zwar typischerweise davon auszugehen, dass ein dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung überlassener Dienstwagen von ihm tatsächlich auch privat genutzt wird. Weiter reicht dieser allgemeine Erfahrungssatz aber nicht. Es gibt insbesondere keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Fahrzeuge aus dem Fuhrpark des Arbeitgebers stets einem oder mehreren Arbeitnehmern zur privaten Nutzung zur Verfügung stehen und auch privat genutzt werden.

Nach den bisher getroffenen Feststellungen steht im Streitfall lediglich fest, dass die Kraftfahrzeuge zu dem für Betriebszwecke vom Kläger als Arbeitgeber vorgehaltenen Fuhrpark gehörten und in diesem Rahmen naturgemäß von einigen der 80 Arbeitnehmer und unter anderem auch von S genutzt wurden. Es steht indessen nicht fest, dass eines dieser Fahrzeuge dem Sohn des Klägers als Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen war. Für eine solche Überlassung eines Dienstwagens genügt es insbesondere nicht, dass nur feststeht, dass Arbeitnehmer Kraftfahrzeuge aus dem Fuhrpark des Arbeitgebers für betriebliche Zwecke nutzen. Stehen Kraftfahrzeuge lediglich als Poolfahrzeuge zur Verfügung und sind diese auch nicht einem oder mehreren Arbeitnehmern konkret zugeordnet und ihnen (anteilig) auch zur privaten Nutzung überlassen, so kann ein geldwerter Vorteil nicht auf § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG gestützt werden.

Das Finanzgericht wird nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsgrundsätze den Sachverhalt insbesondere dahingehend weiter aufzuklären haben, ob und welches Fahrzeug dem Sohn des Klägers auch zur privaten Nutzung arbeitsvertraglich oder doch mindestens auf Grundlage einer konkludent getroffenen Nutzungsvereinbarung tatsächlich überlassen war.

Anmerkung

Mit Urteil vom 21.03.2013 hat der BFH in Abkehr zu seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die unentgeltliche oder vergünstigte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer zu dessen Privatnutzung auch dann zu einem steuerpflichtigen Vorteil führt, wenn der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich nicht privat nutzt. Eine Widerlegung der angenommenen Privatnutzung durch den Steuerpflichtigen ist zukünftig nicht mehr möglich (Änderung der Rechtsprechung).
BFH, Urteil vom 21.03.2013, VI R 31/10, siehe Deloitte Tax-News 
Pressemitteilung

Vorinstanz

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 23.04.2007, 11 K 379/06

Fundstelle

BFH, Urteil vom 21.04.2010, VI R 46/08, BStBl II 2010, S. 848

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