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10.03.2022
Rechnungslegung

BFH: Teilwertabschreibungen auf Rückübertragungsforderungen aus Wertpapierdarlehen

Trägt bei einem Wertpapierdarlehen der Darlehensnehmer/Entleiher die Kurschancen und -risiken der überlassenen Wertpapiere, so spricht dies für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Wertpapieren auf den Darlehensnehmer/ Entleiher (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 18.08.2015, I R 88/13). Teilwertabschreibungen auf die beim Darlehensgeber/ Verleiher zu aktivierende Rückübertragungsforderung sind nicht gemäß § 8b Abs. 3 S. 3 KStG außerbilanziell zu neutralisieren. 

Sachverhalt (Beschränkung auf den I. Sachverhaltskomplex: Teilwertabschreibungen auf Rückübertragungsforderungen aus Wertpapierdarlehen)

Der Kläger, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, schloss als Darlehensgeber („Verleiher“) mit fünf Banken (Darlehensnehmer bzw. „Entleiher“) jeweils einen Rahmenvertrag über Wertpapierdarlehen. Der Darlehensgeber schuldete die Übertragung des Eigentums an den im Einzelabschluss bestimmten Wertpapieren. Der Darlehensnehmer war zur Zahlung eines Entgelts (Leihgebühr) und zur Rückübertragung von Wertpapieren gleicher Art und Menge verpflichtet. Während der Darlehenslaufzeit auf die Wertpapiere gezahlte Zinsen, Gewinne und sonstige Ausschüttungen waren dem Darlehensgeber in Höhe des Gegenwerts mit Wertstellung zum Tag der tatsächlichen Zahlung zu erstatten (Kompensationszahlung). Die Kündigungsfrist des Darlehensgebers betrug fünf bzw. drei Geschäftstage.
Bei Darlehensbeginn bilanzierte der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit an Stelle der übertragenen Aktien Rückübertragungsforderungen aus den Darlehensverträgen im Wege eines erfolgsneutralen Aktivtauschs. Auf diese Rückübertragungsforderungen nahm der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit auf Basis der Marktwerte der Aktien zum jeweiligen Bilanzstichtag Teilwertabschreibungen vor.

Das Finanzamt erkannte die Teilwertabschreibungen nicht an. Darüber hinaus war das Finanzamt der Auffassung, dass der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit auch nach der Übereignung der Aktien an die Banken wirtschaftlicher Eigentümer die Wertpapiere geblieben ist. Entgegen der Auffassung des Finanzamts hat das FG den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Wertpapieren auf die Banken und auch die Teilwertabschreibungen auf die Rückübertragungsforderungen anerkannt.

Hintergrund

Bei der sog. „Wertpapierleihe“ handelt es sich um ein Sachdarlehen gem. § 607 Abs. 1 BGB, bei dem der Darlehensgeber („Verleiher“) dem Darlehensnehmer („Entleiher“) Wertpapiere auf begrenzte Zeit und gegen Entrichtung einer „Leih“-Gebühr zu vollem Eigentum und zu freier Verfügung mit der Maßgabe überlässt, dass Papiere gleicher Art und Ausstattung zurückzuübereignen sind.

Nach der Rechtsprechung des BFH gelten bei der Wertpapierleihe die allgemeinen Grundsätze zum Übergang des zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums an Kapitalgesellschaftsanteilen. Die Erträge aus den „verliehenen“ Wertpapieren sind regelmäßig dem Entleiher zuzurechnen, da dieser zivilrechtlicher Eigentümer der Wertpapiere wird (vgl. BFH-Urteil vom 17.10.2001).

Mit Urteil vom 18.08.2015 (I R 88/13) hatte der BFH entschieden, dass das wirtschaftliche Eigentum an Aktien, die im Rahmen einer Wertpapierleihe an den Entleiher zivilrechtlich übereignet wurden, ausnahmsweise beim Verleiher verbleiben könne, wenn die Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles ergebe, dass dem Entleiher lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition verschafft werden solle. Im damaligen Streitfall wurden vom Verleiher jeweils Aktien in bestimmter Stückzahl zu einem bestimmten Kurs ausgeliehen und nach 14 Tagen waren Aktien in gleicher Stückzahl und zum gleichen Kurs vom Entleiher zurückzugeben.

Entscheidung (Beschränkung auf den I. Sachverhaltskomplex: Teilwertabschreibungen auf Rückübertragungsforderungen aus Wertpapierdarlehen)

Der BFH schließt sich der Auffassung des FG an und kommt zu dem Ergebnis, dass auch das wirtschaftliche Eigentum an den Wertpapieren auf den Darlehensnehmer (hier: die Banken) übergegangen ist. Darüber hinaus seien die Teilwertabschreibungen auf die Rückübertragungsforderungen aus den Wertpapierdarlehen anzuerkennen und ihrer steuerlichen Berücksichtigung stehen weder § 8b Abs. 3 S. 3 KStG noch § 42 AO entgegen.

Wirtschaftliches Eigentum an den Wertpapieren

Nach der Auffassung des BFH war der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zu den Bilanzstichtagen weder zivilrechtlicher noch wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien. Folglich hatte der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit in seinen Bilanzen nicht die Aktien selbst, sondern die gegen die darlehensnehmenden Banken bestehenden Rückübertragungsforderungen zu aktivieren. Unstrittig war, dass das zivilrechtliche Eigentum an den Wertpapieren auf die darlehensnehmenden Banken übergegangen ist.

Nach dem BFH ist neben dem zivilrechtlichen auch das wirtschaftliche Eigentum an den Wertpapieren auf die Banken übergegangen. Zwar könne bei einem Wertpapierdarlehen das wirtschaftliche Eigentum an den Wertpapieren ausnahmsweise beim Darlehensgeber verbleiben, wenn die Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls ergibt, dass dem Darlehensnehmer lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition verschafft werden sollte (vgl. BFH-Urteil vom 18.08.2015, I R 88/13 und BMF-Schreiben vom 09.07.2021). Ein solcher Ausnahmefall liege im Streitfall allerdings nicht vor, da die mit den Aktien verbundenen Kurschancen und Kursrisiken auf die Darlehensnehmer übergegangen seien. Den Banken sei es möglich gewesen, die Aktien bei steigendem Kurs zu verkaufen, die zur Erfüllung der Rückübertragungspflicht erforderlichen Aktien bei gesunkenem Kurs am Kapitalmarkt zu beschaffen und so Gewinne zu erzielen. Auch die dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zustehende dreitägige Kündigungsfrist habe dem nicht entgegengestanden, weil mit den übertragenen börsennotierten Aktien auch innerhalb von drei Tagen Gewinne bzw. Verluste durch Kursschwankungen hätten erzielt werden können. Die Pflicht seitens der Banken, Kompensationszahlungen zu leisten, und die (fehlende) Möglichkeit bzw. Absicht der Stimmrechtsausübung seitens der Banken führten bei den hier in Rede stehenden Darlehen zu keinem anderen Ergebnis. Eine lediglich "leere Eigentumshülle" beim Darlehensnehmer (hier: den Banken), die gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO eine vom zivilrechtlichen Eigentum abweichende Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums rechtfertige, liege bei einem endgültigen Übergang der Kursrisiken und Kurschancen auf den Darlehensnehmer auch dann nicht vor, wenn keine Stimmrechte ausgeübt würden und Kompensationszahlungen zu leisten seien.

Bilanzierung der Rückübertragungsforderungen

Folglich habe der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit die Rückübertragungsforderungen an Stelle der übertragenen Aktien erfolgsneutral zu aktivieren (vgl. auch BMF-Schreiben vom 09.07.2021, Rz. 11). Im Hinblick auf die Folgebewertung der Rückübertragungsforderungen beruft sich der BFH auf die zu börsennotierten Aktien ergangene Rechtsprechung (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 21.09.2011, I R 89/10). Bei börsennotierten Aktien ist von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung grundsätzlich dann auszugehen, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im Zeitpunkt des Aktienerwerbs gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 % der Notierung bei Erwerb überschreitet. Dies gelte analog für die Rückübertragungsforderungen.

Keine außerbilanzielle Korrektur der Teilwertabschreibungen

Nach dem BFH sind die Teilwertabschreibungen auf die Rückübertragungsforderungen auch nicht gemäß § 8b Abs. 3 S. 3 KStG außerbilanziell zu neutralisieren.

Nach § 8b Abs. 3 S. 3 i.V.m. Abs. 2 S. 1 KStG sind u.a. Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit einem Anteil an einer Körperschaft entstehen, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG gehören, bei der Ermittlung des Einkommens nicht zu berücksichtigen. Das Abzugsverbot erfasst demnach Gewinnminderungen im Zusammenhang mit allen Anteilen, die der Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG unterliegen, z.B. auch Teilwertabschreibungen auf Aktien. Der BFH ist der Auffassung, dass der Tatbestand des § 8b Abs. 3 S. 3 KStG jedoch nur Gewinnminderungen im Zusammenhang mit Anteilen erfasst, die dem Steuerpflichtigen bereits steuerrechtlich zuzurechnen sind.

Teilwertabschreibungen auf Forderungen (hier: Rückübertragungsansprüche aus den Wertpapierdarlehen), die auf die künftige Verschaffung solcher Anteile gerichtet sind, fallen hingegen nicht in den Anwendungsbereich des § 8b Abs. 3 S. 3 KStG (vgl. auch BFH-Urteil vom 09.01.2013, I R 72/11). Entgegen der Auffassung des Finanzamts und des dem Verfahren beigetretenen BMF ergibt sich nach dem BFH für Rückübertragungsforderungen aus Wertpapierdarlehen nichts Gegenteiliges aus dem Umstand, dass solche Forderungen in bilanzieller Hinsicht als Surrogate an die Stelle der übertragenen Anteile treten.

Kein Missbrauch nach § 42 AO

Der Abschluss und die Durchführung der Wertpapierdarlehensverträge sei auch kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 AO. Es läge keine unangemessene Gestaltung vor, da der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit auch beachtliche wirtschaftliche Zwecke, nämlich die Erwirtschaftung von Gewinnen in Form der Leihgebühren verfolgt habe.

Betroffene Normen

§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 8b Abs. 3. S. 3 KStG (a.F.), § 42 AO

Streitjahre 2005-2008

Anmerkungen

Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 18.08.2015 (I R 88/13)

Während der BFH im aktuellen Streitfall das wirtschaftliche Eigentum an den überlassenen Wertpapieren dem Darlehensnehmer/ Entleiher zugerechnet hat, hatte der BFH im Urteil vom 18.08.2015 (I R 88/13) ausnahmsweise den Darlehensgeber/ Verleiher als wirtschaftlichen Eigentümer angesehen. Entscheidend war für den BFH, dass im aktuellen Streitfall die mit den Aktien verbundenen Kurschancen und Kursrisiken auf die Darlehensnehmer/ Entleiher (hier: Banken) übergegangen sind. Hingegen war in dem dem Urteil vom 18.08.2015 zugrundeliegenden Sachverhalt die Möglichkeit der Darlehensnehmer/ Entleiher zur wirtschaftlichen Nutzung von Kursänderungen dadurch beschränkt worden, dass die Wertpapiere zu einem bestimmten Kurs an die Darlehensnehmer ausgegeben wurden und nach Ablauf der Darlehenslaufzeit zum gleichen Kurs zurückzugeben waren.

Der BFH folgt somit auch in der aktuellen Entscheidung dem Grundsatz, dass Kapitalgesellschaftsanteile wirtschaftlich demjenigen zuzurechnen sind, dem auch die Chancen und Risiken aus den Kursänderungen zustehen.

Vorinstanz

Finanzgericht Nürnberg, 13.12.2016, 1 K 1214/14

Fundstelle

 BFH, Urteil vom 29.09.2021, I R 40/17, BStBl II 2023, S. 127

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 18.08.2015, I R 88/13, BStBl. II 2016, S. 961

BMF, Schreiben vom 09.07.2021, siehe Deloitte Tax News 

BFH, Urteil vom 21.09.2011, I R 89/10, BStBl. II 2014, S. 612, siehe Deloitte Tax News 

BFH-Urteil vom 09.01.2013, I R 72/11, BStBl. II 2013, S. 343, siehe Deloitte Tax News

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