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25.04.2019
Rechnungslegung

BFH: Teilwertabschreibung auf Anteile an offenen Immobilienfonds

Der Teilwert von Anteilen an offenen Immobilienfonds, deren Ausgabe und Rücknahme endgültig eingestellt ist, ist der Börsenkurs im Handel mit den Anteilen im Freiverkehr. Von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung dieser Anteile ist dann auszugehen, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 % der Anschaffungskosten bei Erwerb überschreitet. 

Sachverhalt

Eine Bank hielt in ihrem Betriebsvermögen Anteile an in Liquidation befindlichen offenen Immobilienfonds, bei denen die Ausgabe und Rücknahme von Anteilen endgültig eingestellt war. Die Bank nahm dies zum Anlass, die Anteile vom bisher angesetzten Rücknahmepreis auf den sog. Zweitmarktwert (Börsenkurs der Anteile im Handel im Freiverkehr) abzuschreiben. Da die Anteilsrücknahme endgültig ausgesetzt war, war der Handel am Zweitmarkt an der Börse die einzige Möglichkeit, Anteile der betroffenen Fonds zu veräußern oder zu erwerben. Finanzamt und FG erkannten die Teilwertabschreibungen auf den Zweitmarktwert nicht an. 

Entscheidung

Demgegenüber kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass die vorgenommene Teilwertabschreibung zulässig ist.

Gesetzliche Grundlagen

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG kann bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens an Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Teilwert angesetzt werden, wenn er aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist. Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG).

Teilwertbestimmung bei Anteilen an offenen Immobilienfonds

Der Teilwert von im Umlaufvermögen gehaltenen Anteilen an offenen Immobilienfonds ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich der Rücknahmepreis. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Fondsanteile zum Ausgabepreis (als Wiederbeschaffungskosten) von der Fondsgesellschaft erworben bzw. zum Rücknahmepreis (als Einzelveräußerungspreis) an die Fondsgesellschaft zurückgegeben (veräußert) werden können.

Ist hingegen die Ausgabe und Rücknahme von Anteilen durch die Fondsgesellschaft endgültig ausgesetzt, können nach Ansicht des BFH weder die Wiederbeschaffungskosten mit dem Ausgabepreis noch der Veräußerungserlös, den der Steuerpflichtige hätte erzielen können, wenn er das Wirtschaftsgut am Stichtag einzeln ohne Rücksicht auf die Betriebszugehörigkeit veräußert hätte, mit dem Rücknahmepreis gleichgesetzt werden. Folglich seien die Wiederbeschaffungskosten bzw. Einzelveräußerungspreise anhand der objektiv zur Verfügung stehenden Erwerbs- bzw. Veräußerungsmöglichkeiten zu bestimmen. Im Streitfall sind dies, so der BFH, der Erwerb und die Veräußerung an der Börse (Zweitmarkt). Demnach handele es sich bei dem Teilwert von Anteilen an von der Ausgabe und Rücknahme ausgesetzten offenen Immobilienfonds um den Börsenkurs der Anteile im Handel im Freiverkehr.

Bisherige Rechtsprechung zu Teilwertabschreibung bei Wertpapieren

Die für eine Teilwertabschreibung erforderliche Voraussetzung der „voraussichtlich dauernden Wertminderung“ bezeichnet im Grundsatz eine Minderung des Teilwerts, die einerseits nicht endgültig sein muss, andererseits aber nicht nur vorübergehend sein darf. Bei Umlaufvermögen geht die Finanzverwaltung davon aus, dass zusätzliche wertaufhellende Erkenntnisse grundsätzlich in die Beurteilung einer voraussichtlich dauernden Wertminderung der Wirtschaftsgüter zum Bilanzstichtag einzubeziehen sind (vgl. BMF-Schreiben vom 02.09.2016, Tz. 16).

Nach der Rechtsprechung des BFH ist:

  • bei börsennotierten Aktien von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im Zeitpunkt des Aktienerwerbs gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 % der Notierung bei Erwerb überschreitet (vgl. BFH-Urteile vom 21.09.2011, I R 89/10 und vom 21.09.2016, X R 58/14). Dies gilt auch für Investmentanteile, wenn das Vermögen des Investmentfonds überwiegend aus Aktien besteht, die an Börsen gehandelt werden (vgl. BFH, Urteil vom 21.09.2011, I R 89/10). Was für Wertveränderungen aufgrund des Börsenkurses gilt, gilt dabei auch für Wertveränderungen aufgrund des Währungswechselkurses (vgl. BFH-Urteil vom 21.09.2016, I R 63/15). Ob eine "dauernde Wertminderung" für Investmentanteile im Umlaufvermögen, die regelmäßig für Veräußerungszwecke gehalten werden, gegeben sein kann, wurde dabei ausdrücklich offen gelassen (vgl. BFH-Urteil vom 29.03.2017, I R 73/15).
  • bei festverzinslichen Wertpapieren eine Teilwertabschreibung auf einen Wert unter den Nennwert allein wegen gesunkener Kurse nicht zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 08.06.2011, I R 98/10 und vom 18.04.2018, I R 37/16).
  • bei nicht notierten Aktien für eine voraussichtlich dauernde Wertminderung erforderlich, dass der innere Wert der Beteiligung im Nachhinein gesunken ist (vgl. BFH-Urteil vom 07.05.2014, X R 19/11). Auch Wechselkursschwankungen berechtigen grundsätzlich nicht zur Teilwertabschreibung (vgl. BFH-Urteil vom 04.02.2014, I R 53/12).

Teilwertabschreibung auf Anteile an von der Ausgabe und Rücknahme ausgesetzten offenen Immobilienfonds

Unter Beachtung dieser Grundsätze nimmt der BFH auch bei Anteilen an offenen Immobilienfonds, deren Ausgabe und Rücknahme endgültig eingestellt ist, eine voraussichtlich dauernde Wertminderung an, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 % der Anschaffungskosten bei Erwerb überschreitet. Denn ein Anteilseigner könne aufgrund der endgültigen Aussetzung der Anteilsrücknahme nicht erwarten, dass der Fonds wieder geöffnet wird und er seine Anteile zum Rücknahmepreis zurückgeben kann. Ebenso wenig könne er erwarten, dass eine Verwertung des Sondervermögens zu den ermittelten Verkehrswerten erfolgen kann.

Betroffene Norm

§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 i.V.m. Nr. 1 S. 3 EStG

Streitjahr 2012

Vorinstanz

Finanzgericht Münster, Urteil vom 28.10.2016, 9 K 2392/14, EFG 2017, S. 379 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 13.02.2019, XI R 41/17

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 18.04.2018, I R 37/16, BStBl II 2019, S. 73, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 29.03.2017, I R 73/15, BStBl II 2017, S. 1065

BFH, Urteil vom 21.09.2016, X R 58/14, BFH/NV 2017, S. 275, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 21.09.2016, I R 63/15, BStBl II 2017, S. 357

BFH, Urteil vom 07.05.2014, X R 19/11, BFH/NV 2014, S. 1736

BFH, Urteil vom 04.02.2014, I R 53/12, BFH/NV 2014, S. 1016

BFH, Urteil vom 21.09.2011, I R 89/10, BStBl II 2014, S. 612, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 08.06.2011, I R 98/10, BStBl II 2012, 716, siehe Deloitte Tax-News 

BMF, Schreiben vom 02.09.2016, IV C 6-S 2171-b/09/10002:002, BStBl I 2016, S. 995, siehe Deloitte Tax-News 

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