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02.12.2021
Rechnungslegung

BFH: Rechnungsabgrenzungsposten bei geringfügigen Beträgen

Aktive Rechnungsabgrenzungsposten sind auch bei geringfügigen Beträgen zu bilden. Weder dem Grundsatz der Wesentlichkeit noch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz lässt sich eine Einschränkung der Pflicht zur Bildung auf wesentliche Fälle entnehmen. Der BFH hält an seiner gegenteiligen im Kostenbeschluss vom 18.03.2010 (X R 20/09) dargelegten Auffassung nicht mehr fest.

Sachverhalt

Die Klägerin erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ermittelte ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. In den Streitjahren leistete sie diverse zeitraumbezogene Aufwendungen für Versicherungen, Werbung und für die KfZ-Steuer. Die Aufwendungen verbuchte die Klägerin als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben.

Das Finanzamt hielt für die Aufwendungen dagegen den Ansatz eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens für erforderlich. Dem trat das FG entgegen und entschied – unter Hinweis auf die Behandlung geringwertiger Wirtschaftsgüter gemäß § 6 Abs. 2 EStG –, dass für die Aufwendungen aufgrund deren geringer Bedeutung aktive Rechnungsabgrenzungsposten nicht gebildet werden mussten.  

Entscheidung

Der BFH schließt sich nun der Auffassung des Finanzamtes an und hält den Ansatz von aktiven Rechnungsabgrenzungsposten für erforderlich.

Gesetzliche Grundlage

Die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten dient dazu, Einnahmen und Ausgaben periodengerecht in dem Jahr auszuweisen, dem sie wirtschaftlich zuzuordnen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 18.03.2010, X R 20/09 sowie BFH-Urteil vom 24.06.2009, IV R 26/06). Die Voraussetzungen für die Bildung von aktiven Rechnungsabgrenzungsposten ergeben sich aus § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG. Erforderlich sind Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, die Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.

Aktivierungsgebot für Rechnungsabgrenzungsposten

Der BFH stellt klar, dass schon nach dem Gesetzeswortlaut des § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG kein Wahlrecht zur Aktivierung eines Rechnungsabgrenzungspostens besteht. § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG statuiere mit der Definition aktiver Rechnungsabgrenzungsposten für die Steuerbilanz ein (abschließendes) Aktivierungsgebot für Ausgaben, die der Definition entsprechen (vgl. BFH-Beschluss vom 18.03.2010, X R 20/09 sowie BFH-Urteile vom 19.01.1978, IV R 153/72 und vom 26.04.1995, I R 92/94). Darüber hinaus entspreche eine Aktivierungspflicht auch dem Sinn und Zweck der steuerrechtlichen Gewinnermittlung, wonach der volle Gewinn des Steuerpflichtigen zu erfassen ist. Demnach kann sich ein Kaufmann nicht nach Belieben, durch Nichtaktivierung von Wirtschaftsgütern, die handelsrechtlich aktiviert werden dürfen, oder durch Ansatz eines Passivpostens, der handelsrechtlich nicht geboten ist, ärmer machen, als er ist (vgl. BFH-Beschluss vom 03.02.1969, GrS 2/68).

Kein Wahlrecht nach dem Grundsatz der Wesentlichkeit

Entgegen der Rechtsauffassung im Kostenbeschluss vom 18.03.2010 (X R 20/09), kann nach dem BFH dem Grundsatz der Wesentlichkeit kein Wahlrecht zur Bildung von aktiven Rechnungsabgrenzungsposten in Fällen von geringer Bedeutung entnommen werden. Zwar stehe die Existenz des Grundsatzes der Wesentlichkeit außer Frage, doch hätte es nach dem BFH für ein Wahlrecht im Rahmen des § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG einer gesetzlichen Regelung bedurft, wonach es dem Steuerpflichtigen erlaubt ist, in Fällen von geringer Bedeutung auf eine periodengerechte Abgrenzung zu verzichten.

Nach dem BFH kann der Gedanke des § 6 Abs. 2 EStG zur Behandlung geringwertiger Wirtschaftsgüter nicht auf die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten übertragen werden. Zum einen sind diese nicht als Wirtschaftsgut zu qualifizieren. Zum anderen wird mit der Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter (neben der Vereinfachung) auch der weitere Zweck der Verbesserung der Selbstfinanzierung der Unternehmen verfolgt. Dieser Förderzweck des § 6 Abs. 2 EStG wurde vom Gesetzgeber in § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht aufgenommen.

Keine Einschränkung durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf wesentliche Fälle

Laut BFH wird durch den Ansatz eines Rechnungsabgrenzungspostens – auch in Fällen von geringfügigen Beträgen – keine unverhältnismäßige Rechtsfolge herbeigeführt. Der Ansatz eines Rechnungsabgrenzungsposten bewirkt lediglich, dass sich der Gewinn in genau der Größenordnung des gebildeten Postens erhöht. 

Darüber hinaus kann der BFH nicht erkennen, dass bei der Rechnungsabgrenzung in Fällen von geringer Bedeutung ein Aufwand erforderlich wäre, der in keinem Verhältnis zur Verbesserung des Einblicks in die Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens stünde bzw. der zu der Annahme führt, die periodengerechte Ermittlung des Aufwands würde übertrieben werden und dem Interesse einer Vereinfachung der Buchführung zuwiderlaufen. Stehen die Werte der Rechnungsabgrenzungsposten eindeutig fest, sind sie nach dem BFH auch in die Bilanz aufzunehmen, selbst wenn sie einen verhältnismäßig geringen Betrag aufweisen. Im Übrigen könne es bei einer Vielzahl nicht berücksichtigter, geringfügiger aktiver Rechnungsabgrenzungsposten insgesamt zu einer bedeutenden Verzerrung der Vermögens- und Ertragslage kommen.

Betroffene Normen

​§ 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG

Streitjahr ​2015, 2016 und 2017 

Anmerkungen

BFH-Kostenbeschluss vom 18.03.2020 (X R 20/09)

Mit der Besprechungsentscheidung verneint der BFH ein Wahlrecht zur Bildung von aktiven Rechnungsabgrenzungsposten in Fällen geringer Bedeutung. Damit weicht der BFH von seinem Kostenbeschluss vom 18.03.2020 (X R 20/09) ab, in welchem er noch ein entsprechendes Wahlrecht bejahte. Durch einen Kostenbeschluss veröffentlicht der BFH den Inhalt eines Gerichtsbescheids, der nach Beantragung einer mündlichen Verhandlung durch Abhilfe der Finanzverwaltung gegenstandslos geworden ist. Dem Steuerpflichtigen wird per Kostenbeschluss die inhaltliche Beurteilung seines Sachverhalts durch den BFH kundgetan. Ein Kostenbeschluss stellt kein formales und ggf. im Bundessteuerblatt mit Bindungswirkung für nachgeordnete Behörden veröffentlichtes Judikat dar. Formal betrachtet stellt daher die Abkehr des BFH von seiner in dem Kostenbeschluss vertretenen Rechtsauffassung eher keine Änderung der Rechtsprechung dar.

Praxishinweis

Aufgrund des BFH-Urteils ist der Steuerpflichtige nun selbst bei kleinstem Aufwand gezwungen, eine exakte Aufwandsabgrenzung vorzunehmen. Es dürfte davon auszugehen sein, dass das was für aktive RAP gilt, entsprechend auf der Seite der passiven RAP zu beachten ist. Insoweit hat die Thematik hinsichtlich ihrer Steuerwirkungen zwei Seiten. 

In der handelsbilanziellen Praxis wird es wohl bei der Anwendung von Wesentlichkeitsüberlegungen bleiben. Folglich ist zu erwarten, dass Handels- und Steuerbilanz zukünftig auseinanderlaufen. 

Vorinstanz

​Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 08.11.2019, 5 K 1626/19

Fundstelle

BFH, Urteil vom 16.03.2021, X R 34/19, BStBl. II 2021, S.844

Weitere Fundstellen

​BFH, Beschluss vom 18.03.2010, X R 20/09, BFH/NV 2010, S. 1796.

BFH, Urteil vom 24.06.2009, IV R 26/06, BStBl. II 2009, S. 781.

BFH, Urteil vom 19.01.1978, IV R 153/72, BFHE 124, S. 320.

BFH, Urteil vom 26.04.1995, I R 92/94, BStBl. II 1995, S. 594.

BFH, Beschluss vom 03.02.1969, GrS 2/68, BStBl. II 1969, S. 291. 

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