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02.03.2012
Rechnungslegung

BFH: Passivierung angeschaffter Rückstellungen bei steuerlichem Ausweisverbot

Betriebliche Verbindlichkeiten für Jubiläumszuwendungen und für Beiträge an den Pensionssicherungsverein sind aufgrund steuerlicher Rückstellungsverbote in der Steuerbilanz des Veräußerers nicht zu bilanzieren. Bei dem Erwerber des Betriebs, der diese Verbindlichkeiten übernommen hat, sind die Verbindlichkeiten keinem Passivierungsverbot zu unterwerfen, sondern als ungewisse Verbindlichkeiten auszuweisen und von ihm auch an den nachfolgenden Bilanzstichtagen mit ihren Anschaffungskosten oder ihrem höheren Teilwert zu bewerten (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils zu Drohverlustrückstellungen vom 16.12.2009; entgegen BMF-Schreiben vom 24.06.2011).

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, übernahm zum 01.07.1994, dem Streitjahr, den Betrieb einer Tochtergesellschaft im Rahmen eines "asset deal“. Im Rahmen dieses Vorgangs wurden u.a. auch Jubiläumsrückstellungen und Rückstellungen für Verpflichtungen gegenüber dem Pensionssicherungsverein (PSVaG) von der Klägerin übernommen und bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt. Die Klägerin begehrte, diese übernommenen Passiva unbeschadet steuerlicher Ausweisverbote in ihrer Steuerbilanz anzusetzen. Das Finanzamt vertrat demgegenüber die Auffassung, die übernommenen Passiva seien in der steuerlichen Eröffnungsbilanz mit ihren gemeinen Werten anzusetzen; sie seien jedoch in der (ersten) Schlussbilanz zum 31.12.1994 nach steuerlichen Grundsätzen auszuweisen. Das Finanzgericht gab der Klage unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 16.12.2009 statt. Das Finanzamt legte gegen das FG-Urteil Revision ein. Das BMF ist dem Revisionsverfahren beigetreten.

Entscheidung

Das FG hat zutreffend die „angeschafften“ Rückstellungen, die steuerlich nicht anzusetzen sind, als Verbindlichkeiten des Betriebserwerbers behandelt.

Der handelsrechtliche Anschaffungskostenbegriff (§ 255 Abs. 1 S. 1 HGB) ist der steuerbilanziellen Beurteilung zugrunde zu legen. Auch die Übernahme steuerrechtlich zu Recht nicht bilanzierter Verbindlichkeiten ist Teil des vom Erwerber zu entrichtenden Entgelts (vgl. BFH-Urteil vom 17.10.2007) und erhöht mithin dessen Anschaffungskosten. Das hat der BFH in seinem Urteil vom 16.12.2009 für sog. Drohverlustrückstellungen entschieden, welche einem steuerbilanziellen Ansatz- und Ausweisverbot unterfallen (§ 5 Abs. 4a EStG 1997). Nichts anderes gilt für das entsprechende Verbot, wonach Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anlässlich eines Dienstjubiläums nur unter bestimmten - hier unstreitig nicht erfüllten - Anforderungen gebildet werden dürfen (§ 5 Abs. 4 i.V.m. § 52 Abs. 6 EStG 1990). Und gleichermaßen verhält es sich hinsichtlich der "erworbenen" Zahlungspflichten gegenüber dem PSVaG. Für beide Aufwandspositionen ordnet das Gesetz von den handelsbilanziellen Ansätzen abweichende, spezifisch steuerbilanzielle Ansatzverbote an. Für den Fall, dass die in Rede stehende Zuwendungsverpflichtung entgeltlich erworben wird, greifen die Verbote indes nicht. Denn dann ist die Verpflichtung realisiert. Sie ist deswegen vom Erwerber sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz passivisch auszuweisen (vgl. bereits BFH-Urteil vom 16.12.2009). Abzustellen ist dabei auf die jeweilige im Zuge des Betriebserwerbs übernommene Schuldposition.

Dem dagegen gerichteten Einwand des BMF (in dessen Schreiben vom 24.06.2011) und des Finanzamts, der Anschaffungsvorgang sei in der handels- wie steuerrechtlichen Eröffnungsbilanz abschließend abgebildet, fortan - und damit auch in der ersten Schlussbilanz - greife indes wiederum das steuerliche Ausweisverbot, ist nicht beizupflichten. Es geht fehl, den eigentlichen Anschaffungsvorgang von der (nachfolgenden) Bilanzierung auf den Bilanzstichtag und auf diese Weise den erfolgsneutralen Anschaffungsvorgang und den rückstellungsgesperrten Bilanzansatz voneinander zu trennen. Umfang und Höhe der Anschaffungskosten werden durch tatsächliche Gegebenheiten bestimmt. In diesem Umfang und in jener Höhe, in denen sie tatsächlich entstanden sind, gehen sie erfolgsneutral in die (nachfolgende) Bilanzierung ein und darf ihr Bewertungsansatz dabei (nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1990) weder über- noch unterschritten werden. Das betrifft auch "miterworbene" Schulden, die als solche einem steuerlichen Ausweisverbot unterworfen sind. Andernfalls würde genau jener "Erwerbsgewinn" ausgewiesen, der dem Anschaffungskostenbegriff und -verständnis fremd ist. Die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze gehen den spezifisch steuerrechtlichen Ausweisbeschränkungen für die Situation der "angekauften" Verpflichtung nach allem uneingeschränkt vor. Die gegenläufige Verwaltungspraxis (im BMF-Schreiben vom 24.06.2011) ist abzulehnen.

Allerdings betraf das Senatsurteil vom 16.12.2009 (lediglich) die Situation des (internen) Schuldbeitritts. Für diesen Fall ist der Erwerber im Verhältnis zum Veräußerer verpflichtet, diesen von der gegenüber dem Gläubiger der Schuld weiterbestehenden Zahlungspflicht freizustellen. Es blieb in jenem Urteil jedoch unbeantwortet, ob sich ein abweichendes Ergebnis für die im Streitfall in Rede stehende Situation ergeben könnte, wenn der Verpflichtungserwerber durch eine wechselseitige Vereinbarung mit dem Veräußerer einerseits und dem Verpflichtungsgläubiger andererseits eine Vertragsübernahme vereinbart und der Erwerber an Stelle des Veräußerers die Verpflichtung übernimmt. Auch diese Frage ist zu verneinen. Die Verpflichtung beim Veräußerer ist infolge des "Ankaufs" zwischenzeitlich als solche realisiert worden und das Einstehen für die Schuld durch den Erwerber ist fortan nicht mehr (Gegen-)Leistung im Rahmen des schwebenden Vertrages, vielmehr (nur noch) dinglicher Erfüllungsakt. Auf diesem Realisationsakt baut sodann wiederum die nachfolgende handels- wie steuerrechtliche Bilanzierung auf. Dieser Ansatz wird nicht von steuerlichen Ansatz- und Bewertungsbeschränkungen und -verboten verdrängt.

Anmerkung

In Fortführung seiner Urteile vom 16.12.2009 zu Drohverlustrückstellungen und vom 14.12.2011 zu Jubiläumszuwendungen (entgegen BMF-Schreiben vom 24.06.2011) hat der BFH seine diesbezügliche Rechtsprechung auch für den Erwerb von Pensionsverpflichtungen bestätigt. Pensionsverpflichtungen, welche beim Veräußerer steuerlichen Rückstellungsbeschränkungen (§ 6a EStG 1997) unterworfen sind, sind bei dem Erwerber des Betriebs, der die Verbindlichkeit übernommen hat, nicht mit dem besonderen Teilwert nach § 6a Abs. 3 EStG 1997, sondern als ungewisse Verbindlichkeit auszuweisen und mit ihren Anschaffungskosten oder ihrem höheren Teilwert zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997). Dies gilt auch für die nachfolgenden Bilanzstichtage.

BFH, Urteil vom 12.12.2012, I R 69/11, siehe Deloitte Tax-News
BMF, Schreiben vom 24.06.2011, BStBl I 2011, S. 627

Betroffene Norm

§ 5 Abs. 4 EStG 1990, § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1990, § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB
Streitjahr 1994

Vorinstanz

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.06.2010, 6 K 7287/00 K, EFG 2011, S. 34, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 14.12.2011, I R 72/10

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 16.12.2009, I R 102/08, BStBl II 2011, S. 566, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 17.10.2007, I R 61/06, BStBl II 2008, S. 555
BMF, Schreiben vom 24.06.2011, BStBl I 2011, S. 627

Englische Zusammenfassung

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