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05.10.2023
Rechnungslegung

BFH: Passive Rechnungsabgrenzung erhaltener Zahlungen bei zeitraumbezogenen Leistungen

Eine Schätzung der "bestimmten Zeit" als Voraussetzung für eine passive Rechnungsabgrenzung erhaltener Einnahmen ist zulässig, wenn sie auf "allgemeingültigen Maßstäben" beruht. Daran fehlt es, wenn die angewendeten Maßstäbe auf einer Gestaltungsentscheidung des Steuerpflichtigen beruhen, die geändert werden könnte. Eine Passivierung erhaltener Zahlungen für eine noch ausstehende zeitraumbezogene Leistung ist nicht als erhaltene Anzahlung, sondern nur unter den Voraussetzungen der passiven Rechnungsabgrenzung möglich.

Sachverhalt

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin, einer GmbH & Co. KG, ist die Übernahme von für die Umsetzung geplanter Bauvorhaben erforderlichen Projektentwicklungsmaßnahmen innerhalb der in der Immobilienbranche tätigen A-Unternehmensgruppe. Für ihre Leistungen erhält sie als Regiekosten bzw. Regieerlöse bezeichnete Honorare, die Teil der für das jeweilige Objekt kalkulierten Gesamtinvestitionskosten oder Verkaufspreise sind. Die Regiekosten sind verteilt auf die voraussichtliche Laufzeit des jeweiligen Projekts in regelmäßigen Raten zu zahlen.

Im Streitjahr 2008 war die GmbH & Co. KG an der Entwicklung von zwölf großen Bauprojekten beteiligt. Sie nahm in ihrer Gewinnermittlung eine passive Rechnungsabgrenzung vor. Der Rechnungsabgrenzung lag eine Aufteilung der von der GmbH & Co. KG zu erbringenden Leistungen in fünf Phasen zugrunde, während derer ein in einem Prozentsatz darzustellender Anteil der Gesamtleistung zu erbringen war. Die GmbH & Co. KG ging dabei davon aus, dass die von ihr geschuldeten Leistungen bei jedem Projekt in diesen fünf Phasen zu erbringen waren und der Prozentsatz für die jeweilige Phase bei jedem Projekt gleich war. In einer Leistungsermittlung bestimmte die Klägerin für jedes Projekt, für das sie in dem Streitjahr Regieerlöse erzielte und für das sie einen passiven RAP bildete, den Beginn, die Laufzeit und das Ende jeder Phase und verteilte die Projekterlöse auf die jeweilige Phase ihres Berechnungsschemas.

Finanzamt und FG waren der Auffassung, dass der passive RAP aufzulösen sei, da der erforderliche zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen den in den Projektverträgen zugrunde gelegten Zahlungsplänen und den durch die GmbH & Co. KG zu erbringenden Leistungen fehle. Die Leistungsermittlungen beruhten nur auf Schätzungen der GmbH & Co. KG, deren Grundlagen nicht bekannt seien. Es sei allerdings von einem Erfüllungsrückstand der GmbH & Co. KG zum 31.12.2008 auszugehen, für den eine Rückstellung zu bilden sei.  

Entscheidung

Der BFH schließt sich der Auffassung des FG an, dass die Voraussetzungen für die Bildung eines passiven RAP nicht vorliegen und die begehrte Gewinnminderung auch nicht durch Passivierung der Honorarzahlungen als erhaltene Anzahlungen erreicht werden kann.

Gesetzliche Grundlagen: Passiver Rechnungsabgrenzungsposten

Nach § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG sind als Rechnungsabgrenzungsposten auf der Passivseite der Bilanz Einnahmen vor dem Abschlussstichtag auszuweisen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.

Da das bezogene Entgelt am jeweiligen Bilanzstichtag nur insoweit abzugrenzen ist, als es "Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag" darstellt, muss eine Verpflichtung zu einer nach diesem Bilanzstichtag (zumindest zeitanteilig) noch zu erbringenden Gegenleistung bestehen. Für eine bereits vollzogene Leistung darf eine Rechnungsabgrenzung nicht erfolgen (BFH-Urteile vom 24.06.2009, IV R 26/06; vom 15.02.2017, VI R 96/13 und vom 25.04.2018, VI R 51/16).

Bei Schuldverhältnissen, die zeitraumbezogene Leistungsverpflichtungen begründen, ist wegen der Gewinnrealisierung danach zu unterscheiden, ob die Dauerhaftigkeit der Leistung selbst anhaftet oder nur den zeitlichen Rahmen für einzelne Leistungen bildet. Im letzteren Fall (z.B. Sukzessivlieferverträge) tritt die Realisierung schon bei Erfüllung jeder einzelnen Leistung ein. Schuldverhältnisse, bei denen die geschuldete Leistung selbst zeitraumbezogen ist, führen dagegen zu einer zeitanteiligen Gewinnrealisierung, wenn für den gesamten Zeitraum eine qualitativ gleichbleibende Dauerverpflichtung besteht (BFH, Urteile vom 10.09.1998, IV R 80/96 und vom 14.04.2022, IV R 32/19).

Wegen der für eine Rechnungsabgrenzung erforderlichen zeitlichen Zuordenbarkeit des Entgelts ("bestimmte Zeit") muss die noch ausstehende Gegenleistung zeitbezogen oder periodisch aufteilbar sein. Ist der Zeitraum unbekannt, über den hinweg die geschuldete Leistung erbracht werden muss, steht nicht fest, in welchem Umfang die erhaltene Einnahme zu Ertrag geworden ist. Um einen willkürlichen Gewinnausweis durch nicht nachprüfbare Annahmen zu vermeiden, setzt das Gesetz deshalb voraus, dass die bereits vergütete Leistung für einen bestimmten Zeitraum geschuldet wird. Als Zeitmaßstab kann daher nur eine Größe anerkannt werden, die – wie etwa ein kalendermäßiger Zeitraum – nicht von vornherein Zweifel über Beginn und Ende des Zeitraums aufkommen lässt.

Individuelle Schätzungen der Dauer der Gegenleistung sind daher nicht ausreichend, wohl aber eine Schätzung aufgrund allgemeingültiger Maßstäbe. Unschädlich ist es, wenn die Gegenleistung zunächst in hinreichender Bestimmtheit geschuldet wird, die Dauer der Leistungserbringung dann aber tatsächlich länger oder kürzer ausfällt als ursprünglich bestimmt. Die Auflösung des gebildeten RAP ist dann in der Folgezeit lediglich anzupassen (BFH, Urteil vom 09.12.1993, IV R 130/91).

Voraussetzungen für die Bildung eines passiven RAP im Streitfall nicht erfüllt

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für die Bildung eines passiven RAP im Streitfall nach Ansicht des BFH nicht vor. Die Verträge für die Projekte sehen zwar einen zeitlich genau bestimmten Vertragsbeginn vor, nicht aber ein zeitlich genau bestimmtes Ende. Ferner enthalten die Verträge keine Festlegung zu Phasen und auf diese entfallende Prozentsätze des Wertes der von der GmbH & Co. KG zu erbringenden Leistungen und sie lassen auch weder erkennen, in welchen Zeitabschnitten die Leistungen zu erbringen sind, noch, welche Vergütungsanteile darauf entfallen.

Wie das FG festgestellt hat, beruht die Verteilung der Gesamtvergütung auf Phasen sowie deren zeitliche Festlegung und die Gewichtung bezüglich der Wertschöpfung allein auf Schätzungen der GmbH & Co. KG , denen keine "allgemeingültigen Maßstäbe" zugrunde lägen. Gleiches gilt für die zeitliche Verteilung in den Leistungsermittlungen. Hierbei sei es widersprüchlich, wenn die GmbH & Co. KG einerseits einräume, dass ihre ursprünglichen Laufzeitannahmen für die Projekte sich aufgrund von Verzögerungen und Terminüberschreitungen als unzutreffend herausgestellt haben, gleichzeitig aber auf Erfahrungen mit Projekten gleicher Art und Größe verweist, die es für die laufenden Projekte zuließen, Laufzeiten festzulegen, die nicht auf unkontrollierbaren Schätzungen beruhten. Zwar stehe es der Annahme einer "bestimmten Zeit" i.S.v. § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG nicht in jedem Fall entgegen, wenn die Dauer der Leistungserbringung tatsächlich länger ausfällt als ursprünglich bestimmt. Für die Zulässigkeit der Bildung eines passiven RAP sei eine solche Verlängerung des Gegenleistungszeitraums jedoch nur dann unschädlich, wenn der Zeitraum ursprünglich hinreichend bestimmt festgelegt wurde, woran es im Streitfall gerade fehle.

Keine Passivierung als erhaltene Anzahlungen

Die im Streitjahr erhaltenen Honorare sind in dem von der GmbH & Co. KG begehrten Umfang nicht als erhaltene Anzahlungen zu passivieren. Eine Passivierung erhaltener Anzahlungen auf Bestellungen ist dort vorzunehmen, wo Vorleistungen auf eine zu erbringende Lieferung oder Leistung erfolgen. Eine Vorleistung ist dann nicht mehr anzunehmen, wenn der Anspruch, auf den geleistet wird, rechtlich bereits entstanden ist (BFH, Urteil vom 14.10.1999, IV R 12/99).

Das Ziel der Passivierung einer Anzahlung, ein vereinnahmtes Entgelt erst dann erfolgswirksam zu erfassen, wenn es durch Erbringung der dafür noch ausstehenden Gegenleistung realisiert ist, ist zwar mit dem Zweck eines passiven RAP vergleichbar. Anders als ein Entgelt, für das ein passiver RAP gebildet werden kann, ist eine zu passivierende Anzahlung jedoch weder selbst auf einen bestimmten Zeitraum bezogen, noch hängt ihre Bilanzierbarkeit von einer zeitraumbezogenen Gegenleistung ab (BFH, Urteil vom 25.10.1994, VIII R 65/91). Handelt es sich also bei der Leistung, für die die Zahlung erfolgt, um eine zeitraumbezogene und keine zeitpunktbezogene Leistung, kann die Passivierung der Zahlung nur im Wege eines passiven RAP i.S.d. § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG und nicht als Anzahlung i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG passiviert werden.

Das FG hat die von der GmbH & Co. KG nach den einzelnen Projektverträgen zu erbringenden Leistungen als zeitraumbezogene Leistung gewürdigt und ist danach im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass eine Passivierung der erhaltenen Zahlungen nicht als Anzahlung, sondern nur als passiver RAP in Betracht kommt. 

Betroffene Normen

​§ 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG

Streitjahr ​2008

Vorinstanz

​Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.07.2020, 10 K 2970/15 F, EFG 2020, S. 1395 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 26.07.2023, IV R 22/20, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen.

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 14.04.2022, IV R 32/19, BStBl. II 2022, S. 832, siehe Deloitte Tax News 

BFH, Urteil vom 16.12.2021, IV R 1/18

BFH, Urteil vom 25.04.2018, VI R 51/16, BStBl. II 2018, S. 778, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 15.02.2017, VI R 96/13, BStBl. II 2017, S. 884, siehe Deloitte Tax News 

BFH, Urteil vom 24.06.2009, IV R 26/06, BStBl. II 2009, S. 781

BFH, Urteil vom 14.10.1999, IV R 12/99, BStBl. II 2000, S. 25

BFH, Urteil vom 10.09.1998, IV R 80/96, BStBl. II 1999, S. 21

BFH, Urteil vom 25.10.1994, VIII R 65/91, BStBl. II 1995, S. 312

BFH, Urteil vom 09.12.1993, IV R 130/91, BStBl. II 1995, S. 202 

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