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22.02.2018
Rechnungslegung

BFH: Beachtung des Internationalen Privatrechts auch im Steuerrecht

Gerichte dürfen Verträge, die ausländischem Recht unterliegen, nicht nach deutschem Recht auslegen. Sie müssen daher nicht nur die ausländischen Rechtsnormen, sondern auch deren Anwendung in der Rechtspraxis ermitteln und haben hierfür ggf. einen Sachverständigen hinzuzuziehen.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine deutsche Fondsgesellschaft, hatte einen Spielfilm produziert. Sie räumte die Rechte zur Verwertung des Films einem ausländischen (kalifornischen) Vertriebsunternehmen ein. Die Verträge waren im Wesentlichen kalifornischem Recht unterstellt. Strittig war, ob und ggf. in welcher Höhe eine am Schluss der Vertragslaufzeit vom Vertriebsunternehmen (im Fall der Nichtausübung einer Kaufoption) zu leistende Zahlung in der Bilanz des Fonds bereits während der Laufzeit des Vertrags gewinnerhöhend auszuweisen war. Finanzamt und FG hatten die Verträge nach den in Deutschland üblichen Methoden ausgelegt und die Aktivierung einer Forderung verlangt.

Entscheidung

Das FG habe zu Unrecht eine Auslegung des Vertriebsvertrags nach deutschem Recht vorgenommen. Der BFH verlangt nun unter Beachtung der Vorgaben des Internationalen Privatrechts eine Auslegung nach kalifornischem Recht.

Nach deutschem Steuerrecht gilt Folgendes:

Ansprüche aus einem sog. schwebenden Geschäft, d.h. einem gegenseitigen Vertrag, der von der zur Sach- oder Dienstleistung verpflichteten Partei noch nicht voll erfüllt ist, dürfen grundsätzlich nicht ausgewiesen werden. Eine Gewinnrealisierung ist nach der BFH-Rechtsprechung aber dann anzunehmen, wenn der Leistungsverpflichtete die vereinbarte Leistung "wirtschaftlich erfüllt" hat und ihm die Forderung auf die Gegenleistung so gut wie sicher ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 31.08.2011, X R 19/10). Aufschiebend bedingte Ansprüche sind grundsätzlich nicht zu aktivieren, da sie erst mit Eintritt der Bedingung entstehen.

Bei Sukzessivlieferungen und Wiederkehrschuldverhältnissen tritt die Gewinnrealisierung bei Erfüllung jeder einzelnen Leistung ein. Schuldverhältnisse, bei denen die geschuldete Leistung selbst zeitraumbezogen ist, führen demgegenüber zu einer zeitanteiligen Gewinnrealisierung, wenn für den gesamten Zeitraum eine qualitativ gleichbleibende Dauerverpflichtung besteht. Für die Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang der Leistungsverpflichtete seine Leistung erbracht hat und ihm der Anspruch auf die Gegenleistung so gut wie sicher ist, kommt es darauf an, zu welcher Leistung der Leistungsverpflichtete überhaupt verpflichtet ist. Dies muss durch Auslegung des zugrunde liegenden Vertrags ermittelt werden.

Hinsichtlich einer solchen Vertragsauslegung kommt der BFH nun zu dem Schluss, dass diese in dem Fall, dass der Vertrag gemäß den Vorschriften des Internationalen Privatrechts ausländischem Recht unterliegt, nach jenem ausländischen Recht vorzunehmen ist. Das deutsche Gericht habe das ausländische Recht so anzuwenden, wie es die Gerichte des ausländischen Staates auslegen und anwenden.

Diese Grundsätze habe das FG nicht beachtet, so dass seine Entscheidung mangels Feststellungen zum kalifornischen Recht aufzuheben und zurückzuverweisen sei.

Im Streitfall fehlten vor allem Feststellungen zu den Grundsätzen, nach denen Willenserklärungen und Verträge nach kalifornischem Recht auszulegen sind. Weiter geht es darum, ob das kalifornische Zivilrecht Begriffe wie "Fälligkeit" und "aufschiebende" sowie "auflösende Bedingung" kennt und ob es diesen Begriffen die gleiche Bedeutung wie das deutsche Zivilrecht beimisst. Zu klären ist auch, wie Begriffe wie "Call Option" und "Final Payment" nach kalifornischem Rechtsverständnis zu beurteilen sind.

Ungeachtet der Frage des anwendbaren Rechts sei dem FG darin zu folgen, dass das Finanzamt an die von der Klägerin fehlerhaft unterlassene Aktivierung nicht im Sinne eines "subjektiv richtigen Bilanzansatzes" gebunden ist. Denn Verwaltung und Gerichte sind verpflichtet, ihrer Entscheidung die objektiv richtige Rechtslage zugrunde zu legen. Vom Steuerpflichtigen vertretenen Rechtsansichten kommt auch dann keine Bedeutung zu, wenn sie bei der Aufstellung der Bilanz vertretbar waren oder der damals herrschenden Auffassung entsprachen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 31.01.2013, GrS 1/10). Das gelte auch für die Auffassung der Klägerin zur Bilanzierung der Schlusszahlung.

Betroffene Norm

§ 5 Abs. 1 EStG
Streitjahr 2001

Vorinstanz

Finanzgericht München, Urteil vom 02.04.2014, 1 K 1807/10

Fundstelle

BFH, Urteil vom 07.12.2017, IV R 23/14,  BStBl II 2018 Seite 444

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 31.08.2011, X R 19/10, BStBl II 2012, S. 190, siehe Deloitte Tax-News 
Großer Senat des BFH, Beschluss vom 31.01.2013, GrS 1/10, BStBl II 2013, S. 317, siehe Deloitte Tax-News

 

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