Die Mitgliedsstaaten der EU haben die gesetzten Anforderungen der Richtlinie 2014/67/EU zur Durchsetzung der Entsenderichtlinie 96/71/EG inzwischen überwiegend in nationales Recht umgesetzt oder bereiten eine entsprechende Umsetzung aktuell vor. Durch die neuen nationalen Rechtsrahmen ergeben sich im Fall grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsatzes in der EU neue Melde- und Dokumentationspflichten für die Arbeitgeber.
Die bereits in den 90er-Jahren erlassene Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (kurz „Entsenderichtlinie“) hatte im Wesentlichen zum Ziel, grenzüberschreitend entsandten Arbeitnehmern einen harten Kern von Mindestarbeits- und Beschäftigungsbedingungen zu gewährleisten und Wettbewerbsverzerrungen bzw. Sozialdumping durch grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsatz innerhalb der EU zu vermeiden.
Unternehmen waren daher bereits vor Erlass der Richtlinie 2014/67/EU verpflichtet, ihren ins EU-Ausland entsandten Mitarbeitern – unabhängig vom auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren nationalen Recht – bestimmte im Gastland verbindliche arbeitsrechtliche Mindeststandards zu gewähren.
Diese Mindeststandards umfassen gem. Art. 3 der Entsenderichtlinie unter anderem Regelungen zu
• Höchstarbeitszeiten,
• bezahltem Mindestjahresurlaub,
• Mindestlohnsätzen,
• Bedingungen für Arbeitnehmerüberlassung sowie
• Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz.
In Deutschland wird der Schutzstandard der Entsenderichtlinie insbesondere durch das Arbeitnehmerentsendegesetz (AentG) sichergestellt.
Da in vielen Mitgliedsstaaten der EU eine angemessene Umsetzung jedoch nicht erfolgte, wurde mit der im Mai 2014 erlassenen Richtlinie 2014/67/EU zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG (kurz „Durchsetzungsrichtlinie“) ein Maßnahmenpaket zur besseren und einheitlicheren Durchführung, Anwendung und Durchsetzung der Entsenderichtlinie, insbesondere zur Verbesserung des Arbeitnehmerschutzes, eingeführt.
Spätestens nach Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie in die nationalen Rechtsordnungen können entsendende Arbeitgeber in den meisten EU-Mitgliedsstaaten u. a. die folgenden (administrativen) Pflichten treffen:
• Frühzeitige Anmeldung zu entsendender Arbeitnehmer bei der jeweils zuständigen Behörde im Gastland unter Angabe bestimmter Informationen zum Unternehmen, zum Arbeitnehmer bzw. zur Einsatztätigkeit
• Bereithalten spezifischer Arbeitsdokumente im Gastland (in der Regel in der Landessprache des Gastlandes)
• Benennung einer verantwortlichen Kontaktperson im Gastland
• Aushändigung von Informationen und Dokumenten auf Anforderung der zuständigen Kontrollbehörden
Zur effektiven Durchsetzung dieser Arbeitgeberpflichten wurden auch die Sanktionen bei Verstößen deutlich verschärft. Je nach Gastland drohen den Unternehmen empfindliche Bußgelder. Im Wiederholungsfall kann neben der Erhebung zusätzlicher Strafzahlungen z. B. auch eine weitere Leistungserbringung im Gastland untersagt werden.
Durch Einführung dieser Arbeitgeberpflichten und möglicher Sanktionen bei Verstößen haben sich die rechtlichen Anforderungen an Arbeitgeber beim grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsatz in der EU deutlich erhöht.
In administrativer Hinsicht soll es zukünftig verstärkt Kontrollen und eine bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit der zuständigen Behörden durch einen erleichterten Datenaustausch geben. Durch die teilweise restriktiven Registrierungspflichten im Rahmen der Entsenderichtlinie ist daher, auch bei nur kurzzeitigen Auslandstätigkeiten, im Rahmen von Dienstreisen oder Projektarbeiten die Sozialversicherzugehörigkeit der Arbeitnehmer zunehmend durch Vorlage von sogenannten A1-Bescheinigungen nachzuweisen. Im Verhältnis zu einigen Ländern, wie z. B. Frankreich, ist durch die Unternehmen sicherzustellen, dass die A1-Bescheinigung in jedem Fall vor Arbeitsaufnahme beantragt wird. Eine rückwirkende Beantragung der A1-Bescheinigung ist hier nicht mehr zulässig und Verstöße werden mit Bußgeldern geahndet.
Ein deutsches Unternehmen, das Arbeitnehmer nach Frankreich entsendet, ist u. a. nach Artikel L. 1262-2-1 des französischen Arbeitsgesetzbuchs (Code du travail) dazu verpflichtet, diese bei der Arbeitsinspektion (Inspection du travail) vor Beginn der Tätigkeiten anzumelden und einen Repräsentanten zu benennen. Die Entsendeerklärungen (déclaration de détachement) müssen seit dem 01.10.2016 auf elektronischem Wege über das Online-Tool SIPSI (Système d‘Information sur le Prestations de Service Internationales) versandt werden. Falls ein Unternehmen diese Verpflichtungen nicht einhält, drohen Bußgelder pro Verstoß und Arbeitnehmer in Höhe von 2.000 Euro bis zu 500.000 Euro.
Darüber hinaus ist der Nachweis der Sozialversicherungszugehörigkeit durch Vorlage der A1-Bescheinigung für alle in Frankreich tätigen Personen notwendig. Seit dem 01.04.2017 besteht nach Artikel L114-15-1 des französischen Sozialgesetzbuchs (Code de la sécurité sociale) die Pflicht zur Vorlage der A1-Bescheinigung bei Kontrollen am Arbeitsplatz. Sofern die A1-Bescheinigung nicht vorgelegt werden kann, ist ein Bußgeld in Höhe der aktuellen monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (3.269 Euro in 2017) pro Verstoß und Arbeitnehmer gesetzlich vorgesehen (Verdoppelung der Strafe bei erneutem Verstoß innerhalb von 2 Jahren). Die Geldstrafe entfällt bei Nachweis der bereits vor Arbeitsaufnahme erfolgten Antragsstellung und wenn die Bescheinigung innerhalb von zwei Monaten nachgereicht wird. Eine rückwirkende Beantragung der Bescheinigung wird hingegen nicht akzeptiert.
Aufgrund der neuen rechtlichen Anforderungen an Arbeitgeber sollten Unternehmen insbesondere prüfen,
• ob grenzüberschreitend eingesetzte Mitarbeiter in ihrem aktuellen Gastland ordnungsgemäß registriert wurden und alle notwendigen Dokumente und Informationen zur Vorlage bei Behörden bereitgehalten werden,
• ob die jeweiligen A1-Bescheinigungen zum Nachweis der Sozialversicherungszugehörigkeit vorliegen und
• ob die aktuellen Prozesse im Unternehmen, die Einhaltung der beschriebenen Anforderungen, insbesondere im Bereich von Dienstreisen und Projekteinsätzen, ermöglichen.
Wie bereits vor Einführung der verschärften Anforderungen aufgrund der Durchsetzungsrichtlinie sollte sichergestellt sein, dass Entsendevereinbarungen den Anforderungen des jeweiligen Gastlandes an zwingende Mindestarbeits- und Beschäftigungsbedingungen genügen und diese in der Praxis gewahrt werden.
Gerne unterstützen wir Sie bei allen Fragestellungen zu Entsendungen und internationalen Mitarbeitereinsätzen, sowohl aus arbeitsrechtlicher wie aus sozialversicherungsrechtlicher und steuerlicher Sicht *.
Insbesondere
• unterstützen wir Sie – ggf. unter Involvierung unseres engen europaweiten Netzwerks – gerne bei den Registrierungsverfahren und allen administrativen Fragen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsätzen,
• übernehmen wir für Sie die Beantragung der A1-Bescheinigungen zum Nachweis der Sozialversicherungszugehörigkeit,
• unterstützen wir Sie bei der Überprüfung und Optimierung Ihrer internen Prozesse zur Identifizierung Ihrer im Ausland tätigen Mitarbeiter sowie zur Einhaltung der entsprechenden Meldeverpflichtungen (auch durch den Einsatz von Technologielösungen) und
• prüfen wir Ihre Entsendevereinbarungen auf die Einhaltung der verbindlichen Mindeststandards des Gastlandes und beraten Sie zu allen rechtlichen Themen im Zusammenhang mit der Entsendung von Mitarbeitern.
*Arbeitsrechtliche Beratungsleistungen werden durch die Deloitte Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH erbracht.
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