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28.03.2013
Steuerrecht

EuGH: Antrag auf Zusammenveranlagung bei Wohnsitz in der Schweiz

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 28.02.2013 entschieden, dass die Vorschriften des „Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit“ vom 21.06.1999 (im folgenden Freizügigkeitsabkommen) deutschen Steuerbestimmungen entgegenstehen, sofern durch diese gegen den im Freizügigkeitsabkommen niedergelegten Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen wird.

Im entschiedenen Urteilsfall verlegten Ehegatten im Jahr 2007 unter Aufgabe ihres deutschen Wohnsitzes ihren Wohnsitz in die Schweiz. Die Ehegatten gingen weiterhin einer selbständigen Tätigkeit in Deutschland nach und pendelten arbeitstäglich zwischen Deutschland und der Schweiz. Das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus dieser Tätigkeit stand nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/ Schweiz Deutschland zu. In der Schweiz erzielten die Ehegatten keine steuerpflichtigen Einkünfte.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2008 beantragten die Ehegatten entsprechend der Vorjahre die Zusammenveranlagung unter Anwendung des Splittung-Verfahrens, da dies für sie steuerlich günstiger war als eine Einzelveranlagung.

Die Zusammenveranlagung wurde vom Finanzamt versagt. Die Klage beim Finanzgericht wurde ausgesetzt und dem EuGH wurde die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob den Ehegatten aufgrund der Regelungen des Freizügigkeitsabkommen die Zusammenveranlagung zu gewähren sei, obwohl die Ehegatten die nach deutschem Steuerrecht maßgeblichen Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nach Wegzug in die Schweiz grundsätzlich nicht mehr erfüllen. Der EuGH entschied, dass die Vorschriften des Freizügigkeitsabkommen den deutschen Steuergesetzen entgegen stehen.

Hintergrund:

Mit Aufgabe des deutschen Wohnsitzes und/ oder gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland sind die Eheleute in Deutschland grundsätzlich nur noch beschränkt steuerpflichtig mit ihren inländischen Einkünften, sofern Deutschland nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/ Schweiz für die Einkünfte das Besteuerungsrecht zusteht. Dies trifft auf die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit im vorliegenden Fall auskunftsgemäß zu.

Da die steuerlichen Abzugsbeträge und –möglichkeiten für beschränkt Steuerpflichtige in Deutschland gegenüber denen für unbeschränkt Steuerpflichtige eingeschränkt sind, besteht die Möglichkeit einen Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht zu stellen, sofern dies zu einem steuerlich günstigeren Ergebnis führt.

Aufgrund ihres Wohnsitzes in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatten können grundsätzlich zwischen der Zusammenveranlagung unter Anwendung des Splittingtarifs und der getrennten Veranlagung (bis 2012) bzw. Einzelveranlagung (ab 2013) wählen.

Diese Wahlmöglichkeit ist für auf Antrag unbeschränkt Steuerpflichtige bzw. unbeschränkt Steuerpflichtige, deren Ehegatte keinen deutschen Wohnsitz hat, eingeschränkt. Diese können nur dann die Zusammenveranlagung beantragen, wenn sie selbst Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der EU oder eines Staates sind, auf den das Abkommen über den Europäischem Wirtschaftsraum anwendbar ist (EU-/EWR-Staat) und der Ehegatte seinen Wohnsitz in einem EU-/EWR-Staat hat. Da die Ehegatten im entschiedenen Fall zwar die deutsche Staatsangehörigkeit (EU-/EWR-Staat) besaßen, der jeweils andere Ehegatte jedoch seinen Wohnsitz in der Schweiz und somit nicht in einem EU-/EWR-Staat hatte, lagen die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nach deutschem Steuerrecht nicht vor.

In ihrer Klage berufen sich die Ehegatten auf das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EG und ihren Mitgliedstaaten. Der hierin statuierte Grundsatz der Gleichbehandlung erstreckt sich grundsätzlich auch auf steuerliche Vergünstigungen. Der EuGH versteht den Grundsatz im Einklang mit der Auffassung des Finanzgerichts aber entgegen der des Finanzamts dahingehend, dass wenn personen- und familienbezogene steuerliche Umstände im Wohnsitzstaat (hier: Schweiz) nicht berücksichtigt werden können, da die Steuerpflichtigen ausschließlich Einkünfte erzielen, die aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens im Quellenstaat steuerpflichtig sind (hier: Deutschland) diese Umstände mangels Berücksichtigung im Wohnsitzstaat bei der Steuerfestsetzung im Quellenstaat zu berücksichtigen sind.

Der EuGH bestätigt zudem die Anwendbarkeit des Abkommens auf die Eheleute, da diese ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, ihre selbständige Tätigkeit in Deutschland ausüben und arbeitstäglich in die Schweiz zurückkehren. Die Ehegatten gelten somit als selbständige Grenzgänger im Sinne des Freizügigkeitsabkommen.

Der EuGH führt ergänzend aus, dass das Abkommen nicht nur anwendbar ist, wenn die Staatsangehörigen einer Vertragspartei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei gegenüber Inländern ungleich behandelt werden (folglich z. B. schweizerische Staatsangehörige in Deutschland gegenüber deutschen Staatsangehörigen in Deutschland), sondern Staatsangehörige einer Vertragspartei können unter bestimmten Umständen nach Maßgabe des Abkommens auch Rechte gegenüber ihrem eigenen Land geltend machen (wie z.B. hier deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz gegenüber Deutschland).

Als Selbständige gilt für die Ehegatten entsprechend der Regelungen für Arbeitnehmer eines Vertragsstaates, die Staatsangehörige eines anderen Vertragsstaates sind, der Grundsatz der Gleichbehandlung. Danach genießen diese Personen im Vertragsstaat der Arbeitsausübung grundsätzlich die gleichen steuerlichen und sozialen Vergünstigungen wie der entsprechende inländische Personenkreis, sofern sie sich in einer vergleichbaren Situation befinden. Eine vergleichbare Situation wird verneint, wenn die personen- und familienbezogenen Umstände der Personen bereits bei der Veranlagung im Wohnsitzstaat steuerbegünstigend berücksichtigt werden.

Da die Ehegatten im vorliegenden Fall jedoch keine schweizerischen Einkünfte erzielt haben, konnten sie dort nicht von Vergünstigungen profitieren, die sich aus der Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse und des Familienstands ergeben. Sie befinden sich somit in einer mit einem inländischen Selbständigen vergleichbaren Situation und die Versagung der Zusammenveranlagung verstößt gegen die Regelungen des Freizügigkeitsabkommen.

Anmerkungen:

Die EuGH-Rechtsprechung zu diesem Fall ist - wie bereits vorstehend angedeutet - folglich nicht nur richtungsweisend für die Versteuerung von selbständig tätigen Grenzgängern, sondern gilt grundsätzlich insbesondere auch für Arbeitnehmer, die unter den Anwendungsbereich des Freizügigkeitsabkommen fallen (hierzu insb. Art. 6 ff des Anhang 1 zum Freizügigkeitsabkommen). Der EuGH hat allgemein entschieden, dass sich ein gebietsfremder Steuerpflichtiger, der seine gesamten oder nahezu gesamten Einkünfte in dem Staat erzielt, in dem er seine berufliche Tätigkeit ausübt - unabhängig davon, ob als Arbeitnehmer oder Selbständiger - hinsichtlich der Einkommensteuer objektiv in derselben Situation befindet wie der in diesem Staat Ansässige, der dort die gleiche Tätigkeit ausübt. Steht dem Tätigkeitsstaat nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht für (nahezu) die gesamten Einkünfte des Steuerpflichtigen zu und kommt dieser mangels steuerpflichtiger Einkünfte im Wohnsitzstaat nicht in den Genuss dortiger personen- und familienbezogener steuerlicher Vergünstigungen, dann befindet sich der Steuerpflichtige grundsätzlich auch hinsichtlich der Berücksichtigung dieser Umstände in einer vergleichbaren Situation. Die Versagung personen- und familienbezogener steuerlicher Vergünstigungen wie z. B. der Zusammenveranlagung nach deutschem Steuerrecht verstößt dann gegen zwischenstaatliches Recht.

Sofern steuerlich günstig, ist es in gleichgelagerten Fällen daher ratsam, künftig durchaus unter Verweis auf dieses Urteil die Berücksichtigung von personen- und familienbezogenen steuerlichen Vergünstigungen in Deutschland zu beantragen.

Vorinstanz
FG Baden-Württemberg, Entscheidung vom 07.07.2011, 3 K 3752/10

Fundstelle
EuGH, Urteil vom 28.02.2013, C-425/11

Weitere Fundstellen
„Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit“ vom 21.06.1999

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