Die Abtretung von Kindergeldzahlungen an den Arbeitgeber im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung mindern als negative Einnahmen in gleicher Weise wie die Rückzahlung von Arbeitslohn aufgrund der Abtretung einer Steuererstattung den zu versteuernden Bruttoarbeitslohn des Berechtigten.
Der Kläger ist Angestellter der B Ltd. in Japan und war im Rahmen einer befristeten Entsendung von Oktober 2017 bis August 2019 zur C GmbH (C) nach D-Stadt in Deutschland entsendet. Er erhielt sowohl von der japanischen Muttergesellschaft als auch von C Gehalt. Die Auszahlung erfolgte im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung. Der Ehepartner sowie die gemeinsamen Kinder haben den Kläger während der Entsendung nach Deutschland begleitet. Sie wohnten gemeinsam in A-Stadt und wurden im Streitjahr gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.
Die Kläger beantragten im Mai 2018 Kindergeld für die beiden Kinder der Eheleute. Im Rahmen des Kindergeldantrags verzichteten die Kläger auf eine Auszahlung zu ihren Gunsten und erklärten sich mit einer Auszahlung zu Gunsten der C GmbH einverstanden. Die Kläger begründeten diese Entscheidung unter Verweis auf die Tatsache, dass C für sämtliche Lohnsteuern eingetreten sei, die im Zusammenhang mit dem Einsatz des Klägers bei C angefallen sind.
Die zuständige Familienkasse setzte den Anspruch ab Januar 2018 fest und zahlte das Kindergeld für das Streitjahr auf ein Konto der C, welche das vereinnahmte Kindergeld in ihrer Finanzbuchhaltung gegen Personalaufwand verbuchte. Die C GmbH unterwarf den Bruttoarbeitslohn ohne Berücksichtigung der Kindergeldzahlung als negative Einnahmen dem inländischen Lohnsteuerabzug. Erst im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2018 erklärten die Kläger schließlich einen um das abgetretene Kindergeld gekürzten Bruttoarbeitslohn.
Das beklagte Finanzamt verwehrte eine Kürzung des Bruttoarbeitslohns um das Kindergeld und wies den darauffolgenden Einspruch als unbegründet ab. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass das Kindergeld kein Entgelt für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers sei, sondern eine Steuervergütung. Der Anspruch auf Zahlung von Kindergeld stehe in keinem Veranlassungszusammenhang zu dem Arbeitsverhältnis und werde auch nicht als Entlohnung für die Zurverfügungstellung der persönlichen Arbeitskraft gewährt.
Die Steuerpflichtigen erhoben daraufhin Klage beim FG und beantragten die Abtretung der Kindergeldzahlungen an den Arbeitgeber, entsprechend der Abtretung sonstiger Steuererstattungsansprüche an den Arbeitgeber im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung, als Rückzahlung von Arbeitslohn (negative Einnahmen) zu behandeln.
Der Klage der Steuerpflichtigen wurde vom FG stattgegeben. Die Auszahlung des Kindergeldes an C sind als negative Einnahmen bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) zu berücksichtigen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung handelt es sich bei Einkommensteuererstattungen im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung um die Rückzahlung von überzahltem Arbeitslohn, die als negative Einnahmen oder Werbungskosten zu berücksichtigen sind (BFH-Urteil vom 30.07.2009). Die Auszahlung des Kindergeldes an den Arbeitgeber ist steuerlich ebenfalls wie eine Rückzahlung von Arbeitslohn zu behandeln.
In der Urteilsbegründung führt das FG aus, dass die Auszahlung des Kindergeldes an C mit einer Arbeitslohnrückzahlung wirtschaftlich vergleichbar sei, obwohl die vom BFH entwickelten Grundsätze zur Behandlung von Einkommensteuererstattungen als negative Einnahmen im Zusammenhang mit Nettolohnvereinbarungen nicht ohne weiteres auf die Abtretung des Kindergelds übertragbar sind, da das Kindergeld eben keine Einkommensteuererstattung, sondern eine Steuervergütung darstellt.
Die Auszahlung des Kindergelds an den Arbeitgeber hat jedoch zu einem Güterabfluss beim Kläger geführt, wobei der Zahlungsweg, hier: abgekürzt direkt von der Familienkasse an den Arbeitgeber, nicht entscheidend ist. Ebenso ist die Zahlung als „actus contrarius“ zur Lohnzahlung anzusehen, in dem sich der durch die Lohnzahlung begründete Veranlassungszusammenhang fortsetzt. Der Veranlassungszusammenhang ergibt sich hier durch die Auszahlung des Kindergelds an den Arbeitgeber aufgrund der Nettolohnvereinbarung. Andere Gründe für die Auszahlung des Kindergelds an den Arbeitgeber sind nach Auffassung des FG nicht ersichtlich und praktisch nicht vorstellbar.
Es wird weiterhin vom FG als wirtschaftlich nachvollziehbar angesehen, dass das Kindergeld im Rahmen der Nettolohnvereinbarung wie eine Einkommensteuererstattung behandelt werden sollte. Denn es handele sich wirtschaftlich gesehen bei den laufenden Kindergeldzahlungen um eine Art „Vorauszahlung“ des Fiskus auf eine mögliche spätere einkommensteuerrechtliche „Kinderentlastung“. Der Steuerpflichtige kann im Ergebnis nur über den um das Kindergeld gekürzten Bruttoarbeitslohn verfügen, so dass auch nur die entsprechend gekürzten Einnahmen zu versteuern sind.
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 31 Satz 3 EStG
Streitjahr 2018
Die Frage, ob die Rückzahlung von Arbeitslohn als Werbungskosten oder negative Einnahmen zu behandeln ist, wurde bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt. Das FG bekundet nachrangig die Auffassung in dem Urteil, dass die Rückzahlung von Arbeitslohn zu negativen Einnahmen führt, allein schon wegen der Einordnung der Rückzahlung als „actus contrarius“ zur Lohnzahlung. Im vorliegenden Sachverhalt war die Zuordnung jedoch unerheblich, da die Werbungskosten den Arbeitnehmerpauschbetrag bereits übersteigen.
Die Revision ist zugelassen. Das Verfahren ist derzeit als Musterverfahren unter dem Aktenzeichen VI R 26/21 beim BFH anhängig. Die folgenden Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 11.11.2021, 14 K 2577/20 E.
BFH, anhängiges Verfahren, VI R 26/21.
BFH, Urteil vom 30.07.2009, VI R 29/06, BStBl. II 2010, 148, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News vom 27.11.2009.
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