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29.06.2011
Thema des Monats

Progressionsvorbehalt und Kapitaleinkünfte

Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.08.2007 hat der Gesetzgeber zum 01. Januar 2009 die sogenannte Abgeltungsteuer für private Kapitalerträge eingeführt. Ausführliche Darstellungen zum Thema „Abgeltungsteuer“ finden Sie bereits in Ausgabe 05/2008 unseres ges-forums sowie der Jahresendausgabe 2008.

Entsendungen führen häufig zur Anwendung des „Progressionsvorbehalts“ nach § 32 b EStG. Ausländische Einkünfte, die in einem Jahr des Zu- oder Wegzugs nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen, werden aus Gründen der Steuergerechtigkeit bei der Berechnung des Steuersatzes berücksichtigt. Auch wenn Einkünfte nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von der Steuer befreit sind, findet eine solche Berechnung statt. Die Vorschrift beruht auf dem Gedanken der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Die Finanzverwaltung hat bislang nicht zu der Frage abschließend Stellung genommen, ob der Progressionsvorbehalt nach Einführung der Abgeltungssteuer auch noch für die Einkünfte aus Kapitalvermögen gilt, die ihrer Art nach dieser Abgeltungssteuer unterliegen würden.

Nach unserer Erfahrung vertritt jedenfalls ein Teil der Finanzbehörden die Anwendung des Progressionsvorbehalts. Die Behörden berufen sich dabei auf den Gesetzeswortlaut, der eine solche Berücksichtigung nicht verbiete. Auch sei den Doppelbesteuerungsabkommen kein Verbot einer Anwendung des Progressionsvorbehalts zu entnehmen.

Wir sind jedoch der Meinung, dass es gute Argumente gegen eine Anwendung des Progressionsvorbehalts gibt.

Grundsätzlich wird das Einkommen mit einem progressiven Einkommensteuertarif besteuert. Hiervon abweichend hat der Gesetzgeber für im Privatvermögen erzielte Kapitaleinkünfte geregelt, dass diese mit einem niedrigeren gleich bleibenden Steuersatz (Einheitssteuer) besteuert werden. Mit Einführung der Abgeltungssteuer erfolgt die Besteuerung dieser Einkünfte zu einem linearen Tarif.

Die Abgeltungsteuer wird als Quellensteuer erhoben. Mit der einbehaltenen Steuer gilt für den Privatanleger die Steuerpflicht für diese Einkünfte als „abgegolten“. Aufgrund der abgeltenden Wirkung fließen diese Kapitaleinkünfte nicht mehr in die übrige Einkommensermittlung ein. Es erfolgt dann grundsätzlich keine Erfassung im Rahmen der jährlichen Einkommensteuerveranlagung. Die so abgeltend besteuerten Einkünfte werden nicht in den anzuwendenden Steuersatz für die sonstigen, dem progressiven Einkommensteuertarif unterliegenden Einkünften im Sinne eines Progressionsvorbehalts einbezogen (§§ 32d, 43 Abs. 5, 2 Abs. 5b S. 1 EStG). Statt mit dem persönlichen Steuersatz des Steuerpflichtigen werden die Einkünfte aus Kapitalvermögen unabhängig von ihrer Höhe mit einem Steuersatz von 25 % versteuert. Folglich ergeben sich sowohl ein Bemessungsgrundlagen- als auch ein Steuersatzeffekt.

Die unterschiedliche Besteuerung wird grundsätzlich mit dem Argument der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und Steuereffizienz begründet. Des Weiteren wird darauf verwiesen, dass Kapitaleinkommen im Gegensatz zu Erwerbseinkommen sehr leicht international verlagert werden kann. Der Gesetzgeber erkannte daher eine Notwendigkeit, die Steuersätze für Kapitaleinkommen niedrig anzusetzen, um Kapitalflucht ins Ausland zu verhindern. Gleichzeitig sind die Steuersätze für Erwerbseinkommen weiterhin auf hohem Niveau verblieben, um das notwendige Steueraufkommen zu generieren. Damit ist nach Auffassung des Gesetzgebers eine duale Einkommensteuererhebung im Hinblick auf das erzielbare Steueraufkommen grundsätzlich effizienter als eine Einkommensteuererhebung mit einem einheitlichen Steuersatz.

Aus den obigen Ausführungen wird deutlich, dass sich der Gesetzgeber im Fall der Besteuerung von privaten Kapitaleinkünften ganz bewusst und ausdrücklich gegen den Grundgedanken einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entschieden hat. Genau dieser Gedanke der Leistungsfähigkeit ist es aber, der ganz grundlegend für die Eininführung des Progressionsvorbehalts gewesen ist.

Hier besteht unserer Meinung nach ein Wertungswiderspruch, der mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren ist. Wenn der Gesetzgeber sich bei der tatsächlichen Besteuerung (Abgeltung) der Kapitaleinkünfte gegen eine Auswirkung auf den Steuersatz entschieden hat, leuchtet es nicht ein, warum ein Auswirkung entstehen soll, wenn die besagten Einkünfte nicht besteuert werden.

Unserer Meinung nach spricht außerdem der Wortlaut des § 2 Abs. 5b EStG, der im Rahmen der Abgeltungssteuer eingeführt wurde, gegen eine Einbeziehung der Einkünfte, die grundsätzlich der Abgeltungsteuer unterliegen. Zumindest ein Teil der Finanzverwaltung scheint anderer Meinung zu sein und meint, diese Vorschrift sei für die Anwendung des Progressionsvorbehalts unschädlich.

Welche Folgerungen ergeben sich für die einkommensteuerliche Praxis?

Zurzeit gibt die Finanzverwaltung die Auskunft, man habe sich noch nicht entschieden, leider ist jedoch eine Tendenz zur Anwendung des Progressionsvorbehalts zu erkennen. Es erscheint momentan ratsam, bei einer solchen Anwendung des Progressionsvorbehalts die Veranlagung mittels Rechtsbehelf offen zu halten. Wir werden Sie informieren, wenn es hierzu neue Erkenntnisse gibt.

Ansprechpartner

Peter Mosbach I Düsseldorf
Katrin Köhler I Düsseldorf

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